Foto: Darya Tryfanava

Mehr Anerkennung, Erfolgsdruck, Frustration

Die Rolle von Wissenschaftskommunikator*innen an britischen Universitäten hat sich laut einer Analyse des  Science Media Centres drastisch verändert. Lassen sich die Ergebnisse auch auf Deutschland übertragen? Wir haben bei Elisabeth Hoffmann, Annika Schach, Beate Hentschel und Volker Stollorz nachgefragt.

Dieser Bericht sei ein großer Schrei nach Anerkennung für die Arbeit von Wissenschaftskommunikator*innen, schreibt Fiona Fox, Geschäftsführerin des britischen Science Media Centres (SMC) im Vorwort zur Untersuchung „Changing Role of Science Press Officers“. Auch wenn die Befragung von insgesamt 40 Kommunikationsbeauftragten an britischen Universitäten viele positive Entwicklungen für die Wissenschaftskommunikation zeige, ermahnt Fox, kritische Entwicklungen ernst zu nehmen.

83 Prozent der befragten Presse- und Kommunikationsbeauftragten gaben an, dass sie in den letzten fünf Jahren überlegten, ihren Job aufzugeben – und dass obwohl die meisten von ihnen ihren Job erfüllend finden. Als Grund wurde unter anderem ein gestiegener Erfolgsdruck genannt. Hochschulkommunikation erfahre zwar mehr Anerkennung, die größeren finanziellen Ressourcen würden aber nicht reichen, um die Anforderungen zu erfüllen. Viele der Befragten hätten nicht das Gefühl,  für ihre Arbeit ausreichend Wertschätzung zu bekommen, sagte Helen Jamison, die den Bericht verantwortete, im Interview.

Besonders während der Pandemie ist laut des Berichts das Vertrauen der Bevölkerung in wissenschaftliche Institutionen gestiegen. Gleichzeitig vergrößerte sich aber auch die Zahl der Zielgruppen, die angesprochen werden sollen. Die Folge sei eine deutliche Steigerung des Arbeitstempos. Viele der Befragten empfänden die Anforderungen als überfordernd und teils nicht erfüllbar. Nur 18 Prozent der Befragten gaben an, dass ihr „Workload“ ausgeglichen sei. Viele sehen die sich verändernde Medien- und Social-Media-Landschaft und die damit einhergehende Polarisierung von Meinungen als großen externen Treiber dieses Wandels. In Folge dessen würden viele Universitäten eher einen risikoscheuen Kommunikationsansatz verfolgen. Einige Befragte beobachten auch eine veränderte Zielsetzung der Hochschulkommunikation. Studierende würden eher als Kund*innen gesehen und die „Stakeholder-Kommunikation“ mit Zuwender*innen aus Politik und Industrie spiele eine immer wichtigere Rolle.

Wie beurteilen Menschen aus der Öffentlichkeitsarbeit an deutschen Universitäten und Vertreter des Science Media Centers Germany die Ergebnisse der Analyse? Hat sich auch ihre Arbeit in den letzten Jahren verändert? Wenn ja, wie? Wir haben bei vier Expert*innen nachgefragt.

 

Solidaritätsbekundung aus berufenem Munde

Elisabeth Hoffmann ist seit März 2022 Chief Communication Officer der Universität zu Köln. Zuvor war die promovierte Literaturwissenschaftlerin über 25 Jahre lang Leiterin der Stabsstelle Presse und Kommunikation der Technischen Universität Braunschweig. Foto: Simon Wegener

Das Science Media Center in Großbritannien hat in einer eigens beauftragten Studie die Rolle der Wissenschafts-Pressesprecher*innen im Land in den Blick genommen. Die Ergebnisse selbst sind nicht überraschend. Unsere Rollen haben sich in den vergangenen 20 Jahren erheblich gewandelt. Die Kolleg*innen sind immer professioneller und die Aufgaben sind diverser geworden. Dementsprechend gibt es neben der Wissenschaftskommunikation Spezialist*innen für unterschiedlichen Bereiche: etwa für Studierendenmarketing, Veranstaltungsmanagement und die strategische Kommunikation, die die institutionellen Ziele der Hochschulen bzw. ihrer Leitungen unterstützt.

Wirklich neu und erstaunlich ist für mich die Tatsache, dass diese Studie diesmal nicht aus unseren eigenen Reihen oder aus der Kommunikationsforschung angestoßen wurde, sondern ausnahmsweise aus dem Wissenschaftsjournalismus.

Fiona Fox, die britische SMC-Chefin, spricht in ihrer Einleitung von dramatischen Veränderungen in Universitäten und in der Medienlandschaft. Diese haben, so Fox, dazu geführt, dass gerade die Wissenschaftskommunikation angesichts der langen Liste anderer Aufgaben unter Druck gerät. Die Studie sei „a big shout-out for the work of the unsung research communicators who are such an important part of the scientific process“. Und Fox warnt vor gesellschaftlichen Folgen, wenn die Wissenschaftskommunikation geschwächt wird – gerade dann, wenn Falschinformationen grassieren. Eine solche Solidaritätsbekundung für gerade diesen Teil unserer Arbeit aus so berufenem Munde freut mich ungemein.

Elisabeth Hoffmann, Chief Communication Officer der Universität zu Köln

Forschungspressesprecher*innen: eine weitere bedrohte Art?

Volker Stollorz ist Redaktionsleiter und Geschäftsführer des Science Media Center. Zuvor war der Diplombiologe als Wissenschaftsjournalist für verschiedene Medien tätig. Er ist langjähriges Mitglied der Wissenschafts-Pressekonferenz. Foto: SMC
Volker Stollorz ist Geschäftsführer des Science Media Center Germany. Zuvor war der Diplombiologe als Wissenschaftsjournalist für verschiedene Medien tätig. Er ist langjähriges Mitglied der Wissenschafts-Pressekonferenz. Foto: SMC

Was einen Wissenschaftsjournalisten wie mich am britischen Science Media Centre beeindruckt, ist die stets hohe Reflexivität der eigenen Praxis. Darüber nachzudenken und zu kommunizieren, wie kontroverse und komplexe Themen der Wissenschaft öffentlich verhandelt werden.

So kann es nicht überraschen, dass sich das SMC UK zum 20. Geburtstag in einem lesenswerten Report den Veränderungen der Rolle der Science Press Officers an britischen Universitäten widmet. Also jenen Menschen, die sich professionell um die Vermittlung der universitären Forschung an journalistische Medien kümmern. Bei uns würde man sagen: Forschungspressesprecher*innen.

Die Diagnose in aller Kürze: Es handele sich in Großbritannien um eine womöglich vom Aussterben bedrohte Profession. Die Universitäten verfolgten zunehmend andere strategische Prioritäten und depriorisierten dabei die Pressearbeit, die nicht unmittelbar auf die institutionelle Reputation einzahlt. Das SMC UK erinnert britische Universitäten daran, die wichtigen Funktionen der Forschungspressesprecher*innen anzuerkennen und in Zeiten knapper Budgets sicherzustellen, dass Kompetenzen in der Forschungskommunikation mit Journalistinnen und Journalisten erhalten bleiben. Einer der Gründe: Es seien weiterhin „die großen Nachrichten, die den Ruf einer Organisation beeinträchtigen können.“ Zudem hätten viele der auf sozialen Medien zirkulierenden Memes ihren Ursprung letztlich in Berichten journalistischer Massenmedien und prägten so das Bild von Forschung. Hinzufügen könnte man, dass „Science Populism“ eine wachsende Herausforderung vor allem für komplexe Wissenschaft ist, die Forschenden, der Wissenschaftskommunikation und dem Journalismus über Wissenschaft einiges abverlangt.

Wie wichtig intermediäre und professionelle Akteur*innen an den Reibungszonen zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit sind, erleben auch wir in der unabhängigen Wissenschaftsredaktion im SMC Germany täglich. Was die Welt der digitalisierten Kommunikation über Wissenschaft von multiplen Akteur*innen wirklich braucht, sind nicht weniger, sondern mehr kompetente „Gatekeeper“, Netzwerker*innen und vertrauenswürdige Grenzgänger*innen. An einen wichtigen Grund für die nötige Reflexivität der Institution selbst hat der Philosoph Bruno Latour kürzlich noch einmal erinnert: „Die Vorstellung, dass alles, was man sagt, wissenschaftlich ist, solange man als Forschender spricht, ist falsch“. Vertrauen in Wissenschaft ist zu einem erheblichen Teil Institutionenvertrauen: Vertrauen in die Kompetenz, die Integrität und die Gemeinwohlorientierung universitärer Forschungsprozesse. Genau deswegen braucht es Wissenschaftsvermittler*innen, die professionell geschult sind, um Forschende kritisch begleiten zu können.

Volker Stollorz, Geschäftsführer des Science Media Center Germany

„Echte“ Wissenschaftskommunikation darf nicht unter die Räder kommen

Beate Hentschel leitet die Kommunikation und Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Universität Kassel. Die Hochschule ist federführend im Netzwerk Wissenschaftskommunikation, einem Zusammenschluss der fünf hessischen Universitäten zur Förderung und Unterstützung kommunizierender Wissenschaftler*innen. Foto: Universität Kassel

Die Rolle der Wissenschaftskommunikation hat sich auch in Deutschland in den letzten zehn Jahren stark verändert: sie hat enorm an Bedeutung gewonnen und sich weiter professionalisiert. Die Zusammenarbeit mit den Präsidien ist enger geworden; Kommunikation erhält als strategischer Aufgabe vermehrt die Aufmerksamkeit der Leitungsebenen. Meine Kolleg*innen und ich moderieren Prozesse der PR-und Marketingstrategien, der Markenbildung und Außendarstellung innerhalb der Hochschulen und bearbeiten komplexe Krisenthemen vor dem Hintergrund einer fortschreitenden Boulevardisierung der Medien. Dazu „wuppen“ wir das Tagesgeschäft mit immer mehr digitalen Kanälen, die zielgruppenadäquat bespielt werden müssen, und der Organisation großer Veranstaltungsformate und Jubiläen.

Zwischen diesen diversen Anforderungen müssen nach meinem Empfinden die Uni-Kommunikator*innen verstärkt darauf achten, dass die „echte“ Wissenschaftskommunikation nicht unter die Räder gerät, nämlich Wissenschaftler*innen bei der adäquaten Aufbereitung ihrer Forschungsergebnisse für eine interessierte Öffentlichkeit bestmöglich zu unterstützen. Nur so kann sichergestellt werden, dass die Stimme der Wissenschaft bei relevanten gesellschaftlichen Fragen Gehör findet, was bei der Corona-Pandemie durch das herausragende öffentliche Engagement von Wissenschaftler*innen sehr gut gelungen ist.

Beate Hentschel, Leiterin der Kommunikation sowie der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Universität Kassel

„Die Freiheit in Forschung und Lehre bedarf individueller Kommunikationsstrategien“

Annika Schach ist Professorin für Angewandte Public Relations an der Hochschule Hannover und ehemalige Leiterin der Stabsabteilung Kommunikation und Marketing.  Foto: Anne Hufnagl

Die hohe öffentliche Aufmerksamkeit macht das Arbeitsfeld Hochschulkommunikation komplexer. Kommunikator*innen in Stabsstellen mussten schon immer die Vielfalt in der Organisation managen und gleichermaßen eine Organisationsidentität formen. Durch die starke Personalisierung von Forschenden mit ihren Forschungsergebnissen in der medialen Öffentlichkeit kommt ihnen zunehmend die Rolle der internen Beratung zu – auch in der Krisenkommunikation. Der Bedarf zeigt sich auch in der Einrichtung einer zentralen Stelle für Krisenberatung durch den Bundesverband der Hochschulkommunikation und Wissenschaft im Dialog.

Zudem wird von der Kommunikation erwartet, dass sie Inhalte einem größeren Publikum zugänglich macht und dabei die ganze Klaviatur der digitalen Kommunikation nutzt. Das Set der Stakeholder hat sich stetig verbreitert. Aktuell stehen potenzielle Studierende im Fokus, denn viele Hochschulen haben den Druck, Studiengänge zu vermarkten.

Auch die interne Kommunikation wurde wichtiger: Noch nie gab es so viele relevante Informationen für alle Mitglieder der Organisation, die auch zu allen gelangen mussten, wie in der Coronapandemie.

Eine Hochschule ist kein Unternehmen. Die Freiheit in Forschung und Lehre bedarf individueller Kommunikationsstrategien. Allein diese ausgewählten Aspekte zeigen, wie stark die Anforderungen an die Kommunikation in Hochschulen auch in Deutschland gestiegen sind. Leider äußert sich das nicht immer in einem Mehr an Ressourcen.

Annika Schach, Professorin für Angewandte Public Relations an der Hochschule Hannover