Foto: Ryoji Iwata, CC0

Medien, Politik, Wirtschaft – wer profitiert von eurer Forschung?

„Transfer erfordert Empathie“: Das ist die Take-Home-Message der zweiten „Impact School: Science Transfer in the 21st century“ für Nachwuchsforschende. Die Organisatoren Benedikt Fecher und Nataliia Sokolovska geben einen Einblick ins Programm und erklären, warum es lohnt, sich während der Promotion oder als Postdoc darüber Gedanken zu machen.

„Gesellschaftlicher Impact“ ist en vogue – und wird zunehmend von der Wissenschaftspolitik und von Forschungsförderern gefordert. Im Jahr 2016 veröffentlichte die Europäische Kommission mit dem EU-Kommissar für Forschung, Wissenschaft und Innovation ihre Strategie „Open innovation, open science, open to the world – a vision for Europe“. Von der Wissenschaft wird darin mit dem zeitgeistigen Anhängsel „Open“ eine gesellschaftliche Wirkung erwartet, die sich in der Lesart der Kommission vorrangig auf wirtschaftliche Akteure des europäischen Binnenmarkts bezieht. Selbst die Akademien beschäftigten sich mit der Frage, wie Wissenschaft (besser) in der Gesellschaft wirken kann. Die Österreichische Akademie der Wissenschaften führte kürzlich erst einen Essaywettbewerb durch. Die Preisfrage „Ist gesellschaftliche Relevanz bewertbar?“ wurde mit 12.000 Euro dotiert.

Für die Impact-Forderung gibt es zwei Motivationen:

  • Zum einen gibt es einen gestiegenen gesellschaftlichen Bedarf an wissenschaftlicher Expertise. Komplexe Entwicklungen wie Klimawandel, Migration oder Digitalisierung müssen akut mit Fach- und Handlungswissen gestaltet werden. Diese Motivation erfährt besonderes Gewicht durch gestiegene öffentliche Ausgaben für Forschung und entsprechende „Return-of-Investment-Erwartungen“ der öffentlichen Hand.
  • Die andere Motivation ist prozessorientiert: Für viele neuartige Transferpraktiken existieren schlichtweg (noch) keine Gütekriterien. Wie viel und worüber sollte eine Wissenschaftlerin twittern? Wie macht man einen Journalisten aufmerksam auf seine Erkenntnisse und stellt sicher, dass die Berichterstattung korrekt ist? Ist es in Ordnung, wenn sich ein Institutsdirektor bei Anne Will zu Themen äußert, die er mit seiner wissenschaftlichen Expertise nicht abdecken kann? Diese Motivation erfährt besonderes Gewicht durch den gestiegenen Zweifel an (wissenschaftlicher) Expertise und dem wissenschaftlichen Anspruch, Wissenschaftlichkeit im Transfer zu bewahren.

Die Impact School, die wir gemeinsam mit dem Leibniz-Forschungsverbund Science 2.0 und dem Unternehmen Impact Distillery initiiert haben, spricht beide Bedürfnisse an. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sollen lernen, ihre Inhalte für andere zu übersetzen, und sie sollen verstehen, was Qualität im Transfer bedeutet. Die Impact School kann natürlich nicht alle Zielgruppen und Formate abdecken. Sie vermittelt aber ein Gefühl davon, wie Praktiker in unterschiedlichen Gesellschaftsbereichen ticken. Die Teilnehmenden lernen konkrete Pfade kennen, auf denen sie ihre Zielgruppen erreichen, und werden sich den Grenzen und Herausforderungen dabei bewusst.

Hierzu erarbeiten sie in der ersten Session ihre Transferziele mit Bezug auf ihre eigene Forschung. Das heißt Zielpersona, Inhalte und Formate. Dabei werden in Kleingruppen auch Risiken oder Hindernisse für den Transfererfolg diskutiert (etwa politische Vereinnahmung oder die Falschdarstellung von Ergebnissen). In den folgenden Tagen berichten Expertinnen und Experten aus der Praxis, die in einem der Schnittfelder Wissenschaft und Medien, Wissenschaft und Politik sowie Wissenschaft und Wirtschaft arbeiten. In praktischen Workshops überarbeiten die Teilnehmenden ihre Transferziele und erarbeiten Formate für unterschiedliche Zielgruppen. Am letzten Tag nehmen sie wiederum Bezug auf die eigenen Transferziele und erarbeiten gemeinsame Leitlinien für erfolgreichen und wissenschaftlichen Transfer.

Ziel der Impact School ist es, ein Empathievermögen für den wissenschaftlichen Informationsbedarf des Gegenübers zu entwickeln, also zu verstehen, wie er oder sie sich über wissenschaftliche Inhalte informiert. Wer Wissenstransfer betreiben möchte, muss nicht nur über Expertise in seinem oder ihrem Themenfeld verfügen, man muss sich auch über die Formate und Kommunikationsstile seiner Zielgruppe bewusst werden. Ein Politiker, eine Abteilungsleiterin in einem Unternehmen oder eine Journalistin lesen selten 30-seitige Forschungsartikel. Zudem sollen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ein Verständnis dafür entwickeln, was Qualität im Transfer bedeutet; etwa wie viel Kontrolle man darüber hat, dass die eigenen wissenschaftlichen Inhalte nicht missverstanden oder missbraucht werden.

Es besteht grundlegender Bedarf, über die gesellschaftliche Relevanz von Forschung zu reflektieren, und Transfer als disziplinübergreifenden Lehrinhalt der wissenschaftlichen Ausbildung zu begreifen. Genauso wie alle Studierenden irgendwann einen Kurs „wissenschaftliches Arbeiten“ besuchen müssen, in dem sie lernen, wie man wissenschaftlich schreibt, zitiert und veröffentlicht, müssten alle Promovierenden lernen, wie sie das, was sie erforscht haben, in verschiedene gesellschaftliche Systeme vermitteln. Sie müssen verstehen, dass andere gesellschaftliche Gruppen – genau wie die Wissenschaft – ihre eigenen Interessen und Funktionsweisen haben, ihre eigene Sprache sprechen. Und dass sie den Inhalt und das Format gegebenenfalls anpassen müssen. Außerdem müssen sie sich mit der Frage auseinandersetzen, was Wissenschaftlichkeit im Transfer bedeutet, was etwa der Unterschied zwischen Aktivismus und Politikberatung ist, was der Unterschied zwischen sachlicher Information und Overselling ist und was ethische Ansprüche bei der Kommunikation oder Kommerzialisierung von Ergebnissen sind. Transfer zu lernen bedeutet mitunter auch zu wissen, wann man nichts sagt.

Im Forschungsprogramm „Lernen, Wissen, Innovation“ am Alexander von Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft beschäftigen sich Benedikt Fecher und Natalya Sokolovska mit der Frage, wie Wissenschaft in die Gesellschaft wirkt. Weil nur über Impact nachzudenken noch lange keinen Impact hat, organisieren sie mit dem Leibniz Forschungsverbund Science 2.0 die jährliche Impact School, eine dreitägigen Summer School, die sich an Doktoranden und PostDocs richtet. Hier erklären sie, weshalb Wissenstransfer stärker in die wissenschaftliche Ausbildung integriert werden sollte. ZBW, <a href='https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de'target='_blank'>CC BY 4.0</a>
Im Forschungsprogramm „Lernen, Wissen, Innovation“ am Alexander von Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft beschäftigen sich Benedikt Fecher und Nataliia Sokolovska mit der Frage, wie Wissenschaft in die Gesellschaft wirkt. Weil nur über Impact nachzudenken noch lange keinen Impact hat, organisieren sie mit dem Leibniz-Forschungsverbund Science 2.0 die jährliche Impact School, eine dreitägige Summer School, die sich an Doktoranden und Postdocs richtet. Hier erklären sie, weshalb Wissenstransfer stärker in die wissenschaftliche Ausbildung integriert werden sollte. ZBW, CC BY 4.0

 

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