Der Physiker und Kabarettist Vince Ebert erklärt, bei welchen Wissenschaftsthemen das deutsche Publikum keinen Spaß versteht, warum Science Slams eine gute Entwicklung sind und wieso er altersmilde geworden ist.
„Man kann mit dem Papst nicht darüber diskutieren, ob es Gott gibt“
Herr Ebert, vor Kurzem ergab eine Studie zweier US-Medienwissenschaftlerinnen, dass ein Satire-Video Menschen für den Klimawandel sensibilisieren kann – und zwar vor allem jene Personen, die zu dem Thema noch keine starke Meinung haben. Finden Sie das überraschend?
Nein, überhaupt nicht. Mit Humor erreicht man Menschen, das gilt auch für wissenschaftliche Themen. Und es ist ja geradezu das Wesen von Satire, das Publikum aufzurütteln und auf Missstände hinzuweisen.
In dieser Untersuchung wirkte ein Clip, der nur die Klimawandelleugner lächerlich machte, besser als eine ausgewogene Form der Satire, in der auch Klimaschützer durch den Kakao gezogen wurden. Muss Wissenschaftscomedy also so bissig wie möglich sein?
Das sehe ich etwas anders. Mag sein, dass man auf diese Weise Unentschlossene am besten erreicht. Aber wie wirkt das auf jene, die Ziel des Spotts werden? Früher war ich kompromissloser und habe auch mal stark auf Religion und Homöopathie eingedroschen. Das gab immer bittere Beschwerden, böse Briefe, E-Mails und so weiter. Mittlerweile denke ich, dass Leute, die zu mir ins Programm kommen, sich nicht ausgelacht fühlen sollten. Denn meine Erfahrung zeigt: Bei Menschen, die sehr starke Überzeugungen hegen, erreicht man ohnehin keinen Sinneswandel. Sie können mit dem Papst nicht darüber diskutieren, ob es Gott gibt. Vielleicht bin ich aber auch nur etwas altersmilde geworden … (lacht)
Ist es als Kabarettist nicht eigentlich unmöglich, auf persönliche Befindlichkeiten im Publikum Rücksicht zu nehmen?
Es kommt mir auf das richtige Maß an. Ich spare zum Beispiel das Thema Homöopathie nicht ganz aus, aber sage dazu meistens nur noch: „Homöopathie ist so, als würden Sie bei Würzburg einen Autoschlüssel in den Main werfen und dann bei Frankfurt versuchen, mit etwas Mainwasser das Auto zu starten.“ Da lachen teilweise auch Leute drüber, die Homöopathie gut finden. Damit lasse ich es dann aber auch gut sein. Statt über Pseudowissenschaften herzuziehen, versuche ich mittlerweile mehr zu vermitteln, was echte Wissenschaft ausmacht. Also eher Aufklärung statt Bashing. Letzteres, diese persönlichen Angriffe, nerven mich zum Beispiel oft am politischen Kabarett.
Bei welchen anderen Themen versteht das Publikum in Deutschland keinen Spaß?
2017 habe ich auf Spektrum.de einen Artikel geschrieben zur Frage: „Was wäre, wenn wir alle elektrisch fahren würden?“ Darin habe ich mal hochgerechnet, wie viel Strom man zusätzlich benötigen würde, wenn Deutschland komplett auf E-Mobilität umsteigen würde. Über die exakten Zahlen kann man natürlich diskutieren, aber ich kam darauf, dass man rund 140 neue Kohlekraftwerke bauen müsste oder 220.000 neue Windräder – oder aber eine Fotovoltaikanlage von der Größe des Saarlands. Das habe ich nüchtern beschrieben, ohne mich dabei gegen Elektromobilität auszusprechen. Die Reaktionen fielen dennoch heftig aus.
Inwiefern?
Das war ein Shitstorm von Leuten, die zu Elektromobilität offenbar eine quasi-religiöse Beziehung pflegen. Sofort hieß es: Wie viel Geld bekommen Sie von der Auto- und der Öl-Lobby? Ähnliche Reaktionen erhalten Sie, wenn Sie versuchen, sich hierzulande neutral über Gentechnik oder Kernenergie zu äußern. Das sind Reizthemen, über die eine sachliche Diskussion kaum möglich ist. Jeder, der nicht eindeutig gegen diese Technologien Stellung bezieht, wird gleich in die Lobbyisten-Ecke gestellt.
Bemerken Sie einen Trend hin zu einer stärkeren Polarisierung?
Ich habe schon den Eindruck, dass Diskussionen vor allem über die sozialen Medien immer emotionaler geführt werden und sich die Fronten zusehends verhärten. Die Leute checken gleich ab: In welche Ecke kann man den oder die stellen? Linksgrüner Gutmensch oder rechtsradikaler AfD-Wähler? Ein echter Dialog kommt dann gar nicht mehr zustande. Außerdem sind Personen mit extremen Ansichten, die sie im persönlichen Kontakt vielleicht nie äußern würden, online viel sichtbarer geworden.
Kann man dieses Lagerdenken denn als Kabarettist überhaupt durchbrechen?
Schwierig, aber manchmal gelingt es. Ich habe mal auf dem Tollwood-Festival in München über das Thema Gentechnik diskutiert. Das Publikum bestand gefühlt zu 90 Prozent aus Hardcore-Grünen, Gentechnik-Gegnern, Greenpeace-Aktivisten. Ich habe mich also auf die Bühne gestellt und gesagt: „Warum demonstriert Greenpeace eigentlich immer nur gegen Pelzmäntel und nie gegen Lederjacken? Weil man ältere Damen risikoloser anpöbeln kann als die Hells Angels.“ Da mussten dann selbst die Leute grinsen, auf deren Ideologie das eigentlich abzielte. Das war wichtig, um gemeinsam ins Gespräch zu finden.
Gibt es denn andererseits wissenschaftliche Themen, die besonders humortauglich sind?
Ich rede eigentlich gar nicht so sehr über einzelne Phänomene, sondern versuche eher, das Wesen der Wissenschaft zu erklären: Dass es eine Methode ist, zu denken – skeptisch zu sein, nachzufragen, nicht blind zu vertrauen. Außerdem ist mir wichtig zu vermitteln, dass Wissenschaft kein dröges und rein rationales Unterfangen ist. Daher erzähle ich gern Anekdoten, die zeigen, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern oft sehr sinnliche Menschen sind. Etwa die Geschichte von Albert Einstein, der sich gefragt hat: „Wie sähe die Welt aus, wenn ich auf dem Rücken eins Lichtstrahls reiten könnte?“ Poesie, Neugier, Kreativität und Staunen: Das verbinden viele Menschen überhaupt nicht mit Wissenschaft. Leider! Die kennen oft nur einen ganz anderen Zugang etwa aus dem Schulunterricht.
Wann immer es konkreter wird, ist Wissenschaft meist sehr kompliziert. Ist das nicht schwierig mit Humor zu verknüpfen?
Natürlich erhalte ich gelegentlich den Vorwurf, dass ich zu arg vereinfachen und dadurch Details falsch darstellen würde. Aber dieses Risiko muss ich eingehen. Auf der anderen Seite ist mir wichtig zu sagen, dass wir auf viele Fragen ja noch gar keine Antwort haben. Und was heute als bewiesen gilt, kann in zehn Jahren wieder über den Haufen geworfen werden. Ich würde sogar sagen: Niemand weiß so viel darüber, was wir alles noch nicht wissen, wie ein Wissenschaftler! Auch das ist für viele im Publikum ein ganz neuer Gedanke. Allerdings ist das auch etwas, was für Wissenschaftler zum Kommunikationsproblem werden kann.
Was ist daran problematisch?
Wenn man mit der gebotenen wissenschaftlichen Bescheidenheit auftritt und sagt: Wir wissen es nicht, wir können das Risiko nicht seriös beziffern, wir können nicht alle Gefahren ausschließen, dann wird das in öffentlichen Diskussionen sofort gegen einen verwendet. Nach dem Motto: Aha, ihr wisst also gar nichts! Dann seid ihr auch keine Experten! Deshalb ist es so wichtig, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler lernen, mit der Öffentlichkeit zu kommunizieren und sich gegen solche Dinge zu wappnen.
Eine neuere Form dieser Kommunikation sind ja Science Slams, die zudem auch noch lustig sein sollten. Müssen nun alle Forschenden zu Comedians werden?
Zunächst mal ist es eine tolle Entwicklung, dass es immer mehr solcher Slams gibt. Vor allem, da man in Deutschland ja lange in der wissenschaftlichen Community als unseriös galt, wenn man sich zu verständlich oder gar humorvoll ausgedrückt hat. Ich finde es einfach wichtig, dass junge Naturwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler üben, allgemein verständlich über ihr Thema zu berichten. Unsere Gesellschaft braucht solche Forschende dringender denn je.
Warum?
Wir können es uns nicht leisten, die Deutungshoheit über große gesellschaftspolitische Fragen nur den Geisteswissenschaften, dem Journalismus oder der Politik zu überlassen. Die Naturwissenschaften dürfen nicht schweigen. Deshalb sage ich zu jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern: Geht raus und erklärt den Leuten, was ihr macht, zum Beispiel in der Gentechnik. Setzt euch in Talkshows. Denn sonst wird das Thema vielleicht von Dampfplauderern besetzt, die Quatsch verbreiten. Und wenn Meinungen sich erst mal festgesetzt haben, lassen sie sich nur noch schwer durch Fakten wieder ändern.
Verraten Sie uns zum Abschluss noch Ihren aktuellen Lieblings-Wissenschaftsgag?
Wie können Sie einen extrovertierten von einem introvertierten Physiker unterscheiden? Der extrovertierte guckt beim Sprechen nicht auf seine Schuhe, sondern auf Ihre.