Foto: Christian Humm, CC BY-SA 4.0

Kurz vorgestellt: Neues aus der Forschung im September 2019

Lassen sich Wisskomm-Botschaften im Video effektiver transportieren als per Text? Und wie gehen TV-Journalisten mit wissenschaftlicher Unsicherheit um? Antworten auf diese und weitere Fragen geben die Studien im heutigen Forschungsrückblick.

In dieser Rubrik besprechen wir regelmäßig neue Forschungsergebnisse zum Thema Wissenschaftskommunikation. Sollten Sie etwas vermissen, schreiben Sie uns gerne eine E-Mail oder hinterlassen Sie einen Kommentar.

Video transportiert Konsens effektiver als Text

Um Zweifelnde davon zu überzeugend, dass der aktuelle Klimawandel real, gefährlich und menschengemacht ist, halten es viele Forschende für hilfreich, auf den wissenschaftlichen Konsens zu dieser Frage hinzuweisen. (Die bisherigen Befunde dazu geben ihnen größtenteils recht, auch wenn es Gegenbeispiele gibt.) Psychologen und Umweltwissenschaftler um Matthew Goldberg von der Yale University wollten in einer aktuellen Studie herausfinden, ob eine Konsens-Botschaft per Video das Publikum stärker beeinflusst als dieselbe Botschaft in geschriebener Form.

Methodik: Die 507 Versuchspersonen wurden einer von drei Bedingungen zugelost: Die Kontrollgruppe sollte lediglich Wörter bestimmten Oberbegriffen zuordnen. Eine zweite Gruppe sah ein Video, in dem betont wurde, dass 97 Prozent aller Klima-Experten den Klimawandel für real und bedrohlich halten. Dabei nutzte der Clip die Analogie zu einem Konsens unter Expertinnen und Expertinnen in anderen wissenschaftlichen und technischen Bereichen (das verwendete Video ist hier auf Youtube anzusehen). Die dritte Gruppe las eine Transkription des Videos. Alle Teilnehmenden beantworteten davor und danach Fragen über ihre Einstellungen zum Klimawandel.

Wer das Video angesehen hatte, schätzte den wissenschaftlichen Konsens zum Klimawandel anschließend deutlich größer als zu Beginn der Untersuchung ein.

Ergebnisse: Wer das Video angesehen hatte, schätzte den wissenschaftlichen Konsens zum Klimawandel anschließend deutlich größer als zu Beginn der Untersuchung ein. Für Probandinnen und Probanden, die den Text gelesen hatten, war diese Veränderung ebenfalls erkennbar, allerdings weniger deutlich. Nur die Einstellungen der Kontrollgruppe veränderten sich nicht. Diese Effekte traten bei konservativen wie liberal eingestellten Teilnehmenden gleichermaßen auf. Mit der Wahrnehmung eines größeren Konsenses gingen unter anderem stärkere Sorgen über die Auswirkungen des Klimawandels einher, und das Thema nahm in den Augen der Betroffenen eine höhere politische Priorität ein.

Schlussfolgerungen: Ein Video macht die Aussage, dass es einen wissenschaftlichen Konsens unter Klimaforschenden gibt, offenbar unmittelbarer erfahrbar – und wirkt daher stärker als dieselbe Botschaft in Textform. Das könnte damit zusammenhängen, dass visuelle Elemente generell lebhafter sind, mehr Aufmerksamkeit auf sich ziehen und auch überzeugender wirken.

Einschränkungen: Der Vergleich zwischen einem Video und dem wörtlichen Transkript des gesprochenen Texts des Videos erscheint etwas unfair: Zwar enthalten beide Stimuli dieselbe Information. Allerdings erscheint es zumindest denkbar, dass das Medium Text eine ähnlich starke Wirkung entfalten kann, wenn dessen Besonderheiten und Stärken ausgespielt und beispielsweise Metaphorik oder Rhythmik gezielter verwendet werden.

Goldberg, M. H., van der Linden, S., Ballew, M. T., Rosenthal, S. A., Gustafson, A. & Leiserowitz, A. (2019). The experience of consensus: Video as an effective medium to communicate scientific agreement on climate change. Science Communication, 41, 659–673. https://doi.org/10.1177/1075547019874361

Wer hat Angst vor WLAN-Strahlung?

Elektromagnetische Strahlung umgibt uns zu jedem Zeitpunkt – ohne sie würden etwa Mobilfunk und WLAN nicht funktionieren. Dennoch sorgen sich einige Menschen um Gesundheitsgefahren durch sogenannten „Elektrosmog“, etwa ein erhöhtes Krebsrisiko. Wie dieses Thema in den Medien aufgegriffen wird und wie es auf die Zuschauerinnen und Zuschauer wirkt, untersuchten nun beispielhaft Forschende um Keren Dalyot vom Technion im israelischen Haifa.

Methodik: Die Forschenden nutzten einen halbstündigen TV-Beitrag über die zunehmende Ausstattung von Schulen mit WLAN-Routern, der zu israelischen Primetime lief. Darin wurde von gesundheitlichen Problemen durch die Radiowellen und eine möglicherweise erhöhte Krebsgefahr berichtet. Diesen Film zeigten sie 20 Eltern, die sie anschließend ausführlich interviewten. Außerdem werteten sie die Facebook-Diskussion auf der Seite des Fernsehsenders zum Beitrag aus.

Schild „Free WiFi“ in Strandrestaurant
Die meisten von uns freuen sich über WLAN, egal an welchem Ort (hier ein Strandrestaurant auf Bali). Einige Menschen aber geben an, unter der elektromagnetischen Strahlung zu leiden, oder fürchten eine erhöhte Krebsgefahr durch Radiowellen. Beides konnte bislang nicht wissenschaftlich belegt werden, spielt aber in der journalistischen Bearbeitung des Themas mitunter eine große Rolle. Foto: Bernard Hermant

Ergebnisse: Nur zwei der interviewten Eltern sprachen sich nach dem Ansehen des Films dafür aus, die Schulen ihrer Kinder mit WLAN-Routern auszustatten, der Rest war dagegen. Dazu führte nach Ansicht der Forschenden auch ein falsches Verständnis des Begriffs „Strahlung“, der in dem TV-Programm undifferenziert verwendet wurde. So wurde etwa nicht klar zwischen ionisierender (also tatsächlich gesundheits­gefährdender) Strahlung wie Röntgen- und Gammastrahlen und nicht-ionisierender Strahlung wie den Radiowellen eines WLAN-Routers unterschieden. Die interviewten Eltern waren bis auf eine Ausnahme nicht in der Lage, den Unterschied zu erklären. Auch in der Facebook-Diskussion zum Beitrag wurde das Wort „Strahlung“ meist ohne weitere Differenzierung verwendet. Die überwältigende Zahl der Beiträge dort machte sich die Darstellung der TV-Journalisten zu eigen, dass WLAN- und Mobilfunkstrahlung gefährlich sei und zu Kopfschmerzen und Krebserkrankungen führe.

Schlussfolgerungen: Der TV-Beitrag und die Reaktionen darauf sind nach Ansicht der Forschenden ein Beispiel dafür, wie Unsicherheiten und Risiken in journalistischen Beiträgen häufig völlig übertrieben dargestellt werden und wie persönliche Meinungen (hier: die Erfahrungsberichte von Menschen, die sich selbst als elektrosensibel bezeichnen) gleichberechtigt neben wissenschaftlichen Fakten präsentiert werden, mit fatalen Folgen für die öffentliche Meinungsbildung. Offenbar reiche auch die wissenschaftliche Grundbildung der meisten Menschen nicht aus, um bei solchen alltagsrelevanten wissenschaftlichen Fragen dubiose Behauptungen zu erkennen und von evidenzbasierten Aussagen zu unterscheiden schreiben die Forschenden.

Einschränkungen: Die Autorinnen und Autoren bezeichnen ihre Studie selbst als „explorativ“, sehen die Befunde also nicht als repräsentativ für die israelische Bevölkerung an. Es wurde auch nicht zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal kontrolliert, inwiefern der negative Eindruck aus dem TV-Beitrag einen länger anhaltenden Effekt auf die befragten Eltern hatte.

Dalyot, K., Sharon, A. J., Orr, D., Barel Ben-David, Y. & Baram-Tsabari, A. (2019). Public engagement with science in everyday life: Perceptions of Wi-Fi radiation risks in schools. Research in Science Education.https://doi.org/10.1007/s11165-019-09894-w

Social-Media-Nutzung geht mit größerem Vertrauen in Wissenschaft einher

Soziale Netzwerke werden immer wichtiger für die Verbreitung von Nachrichten – und auch von wissenschaftlichen Informationen. Ein internationales Forschungsteam unter der Leitung der Kommunikationswissenschaftlerin Brigitte Huber von der Universität Wien wollte nun herausfinden, ob die häufige Nutzung sozialer Medien eher mit hohem oder geringem Vertrauen in Wissenschaft einhergeht.

Methodik: Die Forschenden werteten eine Umfrage im Rahmen des österreichisch-neuseeländischen „World Digital Influence Project“ aus. Dabei wurde jeweils eine repräsentative Stichprobe von rund 1.000 Personen in 20 Ländern der Erde zu ihrer Mediennutzung befragt, aber auch dazu, wie sehr sie beispielsweise Forschenden und Universitäten vertrauen.

Werden Wissenschaftsmeldungen von Freunden und Bekannten ausgewählt und verbreitet, fördert das eine tiefergehende Auseinandersetzung mit den Inhalten.

Ergebnisse: Insgesamt gab es einen – wenn auch eher kleinen – positiven Zusammenhang zwischen dem Vertrauen der Befragten in Wissenschaft und dem Ausmaß, in dem sie Social Media für ihren Nachrichtenkonsum nutzten. Diese Verbindung war stärker ausgeprägt als der zwischen Vertrauen in Wissenschaft und der Nutzung traditioneller Nachrichtenmedien. Er schwankte allerdings in verschiedenen Kulturen: In Gesellschaften mit größerer „Machtdistanz“, in denen soziale Ungleichheiten eher akzeptiert werden, war der Zusammenhang zwischen der stärkeren Nutzung sozialer Medien und dem Vertrauen in Wissenschaft ausgeprägter.

Schlussfolgerungen: Der gefundene Zusammenhang spricht nach Ansicht der Autorinnen und Autoren dafür, dass der Konsum von Nachrichten über soziale Medien das Vertrauen in Wissenschaft fördert. Hierfür gibt es eine Reihe von Erklärungsmöglichkeiten: So könnten Social Media beispielsweise die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass Menschen überhaupt mit Wissenschaftsthemen in Kontakt kommen. Werden Wissenschaftsmeldungen von ihren Freunden und Bekannten ausgewählt und verbreitet, fördert das außerdem eine tiefergehende Auseinandersetzung mit den Inhalten. Und nicht zuletzt bieten soziale Netzwerke die Möglichkeit, direkt mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sowie Institutionen wie Universitäten in Kontakt zu kommen.

Einschränkungen: Es handelt sich um eine rein korrelative Studie. Dass die Nutzung von Social Media ursächlich das Vertrauen in Wissenschaft fördert, ist daher nicht gesichert. (Genauso könnten Menschen, die aus verschiedensten Gründen der Wissenschaft mehr vertrauen, häufiger soziale Netzwerke zur Informationssuche nutzen.) Das Team um Huber weist außerdem darauf hin, dass nicht kontrolliert wurde, welche Art von wissenschaftlichen Inhalten die Befragten auf diese Weise konsumieren und wie seriös diese Angebote sind.

Huber, B., Barnidge, M., Gil de Zúñiga, H., & Liu, J. (2019). Fostering public trust in science: The role of social media. Public Understanding of Science, 28, 759–777. https://doi.org/10.1177/0963662519869097

Mehr Aktuelles aus der Forschung:

Wie realistisch sind aus Sicht der Chemie eine 200 Meter hohe Eismauer, ein viele Jahre dauernder Winter oder ein zerstörerisches „Seefeuer“, das nicht mit Wasser zu löschen ist? Sean Hickey, Professor für Chemie an der University of Orleans, nutzt Filme und Serien zur Vermittlung seines Fachs – neben den genannten Beispielen aus „Game of Thrones“ auch solche aus „Star Wars“ oder „Breaking Bad“. Nun hat er seine Erfahrungen mit dieser Art von Lehre veröffentlicht. (Ein Video-Interview mit Hickey aus dem Jahr 2016 gibt es hier.)

Wenn Würmer, Asseln und Larven durch den Erdboden krabbeln und wühlen, machen sie dabei für das menschliche Ohr unhörbare Geräusche. Vier Schweizer Forscher und Künstler haben eine Vorrichtung entwickelt, um diesen „Sound des Erdreichs“ aufzunehmen. Sie dient sowohl als Citizen-Science-Methode zur Untersuchung der Artenvielfalt als auch für ein dazugehöriges Kunstprojekt.

Frau in Bibliothek
Vom Hort des Wissens zum Drehkreuz für Bürgerwissenschaften: So soll sich die Rolle von Bibliotheken nach Ansicht mancher Forschenden künftig erweitern. Foto: Emil Widlund

Einige Bibliotheken entdecken in jüngster Zeit das Thema Citizen Science für sich: Die Horte des Wissens sollen künftig auch als Drehkreuz für die Organisation bürgerwissenschaftlicher Aktivitäten fungieren. Informationen und Erfahrungsberichte dazu, wie die Zusammenarbeit gelingen kann, haben  Forschende aus Deutschland und den USA aufgeschrieben.

Wer sich „politisch inkorrekt“ äußert, wird zwar als weniger herzlich wahrgenommen, aber dafür auch als authentischer und unabhängiger – zumindest, wenn seine Äußerungen den politischen Überzeugungen des Publikums entsprechen. Das legt eine Studie im Fachmagazin Journal of Personality and Social Psychology nahe.

Science-Fiction-Geschichten können unsere Einstellungen zur Wissenschaft verändern, wie aktuell eine Umfrage unter Zuschauerinnen und Zuschauern der TV-Serie „Doctor Who“ ergab. Die Befragten meinten etwa, dank der Show intensiver über die Ethik der Wissenschaft nachgedacht zu haben, über das Verhältnis von Forschung und Gesellschaft sowie über die Gestaltung der Zukunft – und manche haben sich sogar davon bei ihrer Karriereentscheidung inspirieren lassen.

Wie helfen Kommunikationstrainings Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern dabei, ihre Forschung in die Gesellschaft zu tragen? Wie verändern sie ihre Motivation dazu, selbst zu kommunizieren, und wie lassen sich Maßnahmen dieser Art evaluieren? Antworten darauf gibt der neue Herausgeberband „Theory and Best Practices in Science Communication Training“, der sich an Forschende sowie Praktikerinnen und Praktiker gleichermaßen richtet.

Die Kurzmeldungen zur Wissenschaftskommunikationsforschung erscheinen alle 14 Tage im Panoptikum.