Wie der Name einer Technologie ihre Wahrnehmung prägt, warum man Schülerinnen und Schüler im Biologieunterricht basteln lassen sollte und wo Zoos und Aquarien noch Vertrauen aufbauen können: Das sind unsere Themen im aktuellen Forschungsrückblick.
Kurz vorgestellt: Neues aus der Forschung im November 2018
In dieser Rubrik besprechen wir regelmäßig neue Ergebnisse aus der Forschung zur Wissenschaftskommunikation. Sollten Sie etwas vermissen, schreiben Sie uns gerne eine E-Mail oder hinterlassen Sie einen Kommentar.
Nomen est omen – auch für Technologien
Ein Name allein reicht aus, um bei Menschen eine Vielzahl von Assoziationen hervorzurufen, darunter natürlich auch Vorurteile. So werden Bewerbungen, deren Absender Hakan oder Ahmet heißt, in Deutschland eher aussortiert als dieselben Unterlagen, die vermeintlich von einem Lukas oder Tim stammen. Und je komplizierter der Name einer Chemikalie ist, desto gefährlicher erscheint sie den Leuten. Niederländische Sozialwissenschaftler um Bart Gremmen von der Universität Wageningen wollten nun prüfen, ob ein ähnlicher Effekt auch bei Namen von Technologien auftritt.
Methodik: Über ein Marktforschungspanel befragten die drei Forscher 446 Frauen und Männer, die nach Bildungsstand, Alter und Geschlecht repräsentativ für die niederländische Bevölkerung waren. Im Fragebogen wurde eine aktuelle Methode erklärt, um neue Kulturpflanzen als Nahrungsmittel zu züchten: Dabei wird nach der Kreuzung von Pflanzen das Erbgut der Abkömmlinge untersucht, um Exemplare mit erwünschten Genvarianten für weitere Kreuzungen auszuwählen. Die Beschreibung des Verfahrens folgte stets demselben Wortlaut. Bei manchen Versuchspersonen wurde die Methode jedoch zutreffend als „Genomik“ (genomics) bezeichnet, bei anderen als „Natürliche Kreuzung“ (natural crossing). Anschließend sollten die Probandinnen und Probanden das Verfahren hinsichtlich verschiedener Aspekte bewerten.
Ergebnisse: Die Befragten beurteilten dieselbe Technologie unter dem Namen „Natürliche Kreuzung“ positiver als unter der Bezeichnung „Genomik“. Sie hielten sie beispielsweise für nützlicher, sicherer und zeigten sich eher bereit, auf diese Weise produzierte Lebensmittel zu kaufen. Am deutlichsten war dies bei jenen Versuchspersonen, die zugleich eine negative Einstellung zu gentechnisch veränderten Lebensmitteln hatten – obwohl bei der als „Genomik“ bezeichneten Methode überhaupt kein Eingriff ins Erbgut vorgenommen wird.
Schlussfolgerungen: Der Name einer neuen Technologie kann darüber mitbestimmen, wie Menschen, die noch keine Erfahrung mit ihr haben, diese bewerten. Dabei können negative Ansichten über bereits bekannte Verfahren (wie gentechnisch modifizierte Organismen) auf ähnlich klingende Bezeichnungen übertragen werden, auch wenn die Gemeinsamkeiten nur sprachlicher Natur sind.
Einschränkungen: Die Versuchspersonen wurden nur zu einem Namenspaar befragt, wobei „Natürliche Kreuzung“ auf maximale Gegensätzlichkeit zum Wort „Genomik“ getrimmt war. Interessant wäre es, den Versuch mit weiteren Technologien zu wiederholen und dabei auch Namen zu verwenden, die weniger an kontroverse Methoden erinnern.
DNA-Modelle helfen, Wissenschaft zu begreifen
Um komplexe Sachverhalte zu verstehen, helfen oft Visualisierungen – oder gleich dreidimensionale Modelle. Die Biologiedidaktik-Experten Julia Mierdel und Franz Bogner von der Universität Bayreuth untersuchten nun, wie es das Verständnis von Jugendlichen für den Aufbau der menschlichen Erbsubstanz fördert, wenn sie selbst ein Modell der Doppelhelix bauen.
Methodik: 114 Schülerinnen und Schüler von fünf bayerischen Gymnasien absolvierten eine außerschulische Lerneinheit im Fach Biologie. In der Rahmengeschichte ging es um die Aufklärung eines Mordes mit Hilfe von DNA-Tests. Vorher und nachher füllten die Teilnehmenden mehrere Fragebogen aus, darunter einen Wissenstest zum Thema Genetik. Unter anderem sollten die Kinder, nachdem sie einen Sachtext über den Aufbau der Doppelhelix gelesen hatten, mit Hilfe von bereitgestelltem Bastelmaterial ein eigenes Modell der Erbsubstanz bauen. Die Werke wurden von den Forschenden nach Ende des Lerntags bewertet.
Ergebnisse: Die praktische Übung steigerte im Mittel das Wissen über Genetik. Allerdings gab es geschlechtsspezifische Unterschiede: Die Mädchen starteten mit einem etwas schlechteren Fachwissen in die Studie, am Ende hatten sie aber zu ihren Mitschülern aufgeschlossen. Das heißt, während die Jungen auch von der biologischen Bastelei profitierten, galt das für ihre Mitschülerinnen in noch stärkerem Ausmaß. Bei letzteren hing insbesondere die Qualität des Modells mit dem Wissenszuwachs zusammen, während das bei Jungen zweitrangig zu sein schien.
Schlussfolgerungen: Hands-on-Aktivitäten können das Verständnis für biologische Modelle fördern. Dabei profitierten Mädchen in dieser Untersuchung im Schnitt etwas stärker von der praktischen DNA-Modellierung. Mierdel und Bogner haben zudem beobachtet, dass vor allem der künstlerisch-kreative Aspekt der Bastelarbeit die Aufmerksamkeit und die Motivation der Schülerinnen und Schüler, sich mit dem Thema zu beschäftigen, fördert.
Einschränkungen: Getestet wurden nur Jugendliche von Gymnasien, daher sind die positiven Ergebnisse nicht ohne Vorsicht auf andere Schulformen übertragbar. Zudem muss sich erst in weiteren Studien zeigen, ob sich die gefundenen Geschlechtsunterschiede erneut belegen lassen – und wie sich diese möglicherweise erklären.
Wo Zoos und Aquarien Vertrauen verspielen
Zoologische Gärten und Aquarienhäuser spielen eine wichtige Rolle bei der informellen Vermittlung von Wissenschaft. Viele Naturfreunde stehen Zoos jedoch heutzutage ambivalent gegenüber: Sie finden es toll, exotischen Tieren nahe zu sein, machen sich aber auch Sorgen darüber, unter welchen Bedingungen die Tiere gehalten werden. Ein Forschungsteam um die Psychologin Shelley Rank von der Wildlife Conservation Society untersuchte nun erstmals das Vertrauen US-amerikanischer Bürgerinnen und Bürger in Zoos und Aquarien. Die Befunde, die sie im Juni auf einer Konferenz vorgestellt haben, sind nun online erschienen.
Methodik: Die Forschenden nutzten einen Fragebogen, der Vertrauen in Organisationen in sieben Bereichen misst. 342 Teilnehmerinnen und Teilnehmer wurden online entweder zu Zoos oder zu Aquarienhäusern befragt. Dabei sollten sie entweder angeben, wie sehr sie den Aussagen zustimmten oder wie wichtig Ihnen die einzelnen Vertrauens-Aspekte generell waren. So sollten mögliche „Vertrauenslücken“ identifiziert werden: Bereiche also, in denen die Institutionen Nachholbedarf haben und die gleichzeitig den Bürgerinnen und Bürgern besonders am Herzen liegen.
Ergebnisse: Insgesamt blieben die tatsächlichen Vertrauensbekundungen nur leicht hinter dem zurück, was die Probandinnen und Probanden von Zoos und Aquarien erwarteten. Doch während die Differenz im Mittel nur klein war, ergab sich bei einer Reihe von einzelnen Aussagen eine deutlich größere „Vertrauenslücke“. Diese Statements bezogen sich meist auf das Vermögen der Einrichtungen, sich ausreichend um die Bedürfnisse der Tiere zu kümmern, und ihre Transparenz, wenn es um das Wohlergehen der Tiere geht (etwa was die Größe der Anlagen angeht oder freiwillige Anstrengungen, sich über das gesetzliche Mindestmaß hinaus um die Tiere zu kümmern).
Schlussfolgerungen: Insgesamt genießen Tierparks und Aquarien bei den Befragten ein hohes Maß an Vertrauen, unter anderem in Bezug auf Qualitätssicherung, Kommunikationsverhalten oder die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften. Besonders kritisch waren die Teilnehmenden aber immer dann, wenn es um das Wohl der Tiere ging, und zwar quer über alle Vertrauensdimensionen hinweg. Dabei kursierten in der Allgemeinbevölkerung aber laut den Forschenden auch falsche Vorstellungen: So habe die Verhaltensforschung gezeigt, dass das Platzangebot nur einer von vielen Faktoren ist, die das Wohlbefinden von Tieren in Gefangenschaft beeinflussen – diese Frage beherrsche aber die öffentliche Wahrnehmung der Einrichtungen.
Einschränkungen: Rank und ihre Kollegen hatten in einem Vortest 1150 Personen befragt, aber nur einen Bruchteil davon für die Hauptbefragung zugelassen. Ausgeschlossen wurden Befragte, die eine sehr positive oder sehr negative Haltung gegenüber Zoos und Aquarien mitbrachten, sowie Menschen, die noch nie eine solche Anlage besucht haben. Im Vortest zeigten ganze 39 Prozent eine extrem positive Einstellung gegenüber Zoos und wurden daher zur eigentlichen Umfrage gar nicht erst eingeladen – die gefundene Vertrauenslücke dürfte daher in der Gesamtbevölkerung kleiner ausfallen, als die Studie vermuten lässt.