Gleich zweimal beschäftigt uns diesmal im Forschungsrückblick die Wirkung von aggressiver Sprache in der Wissenschaftskommunikation – und einmal die Macht der Bilder.
Kurz vorgestellt: Neues aus der Forschung im März 2019
In dieser Rubrik besprechen wir regelmäßig neue Forschungsergebnisse zum Thema Wissenschaftskommunikation. Sollten Sie etwas vermissen, schreiben Sie uns gerne eine E-Mail oder hinterlassen Sie einen Kommentar.
Grafiken wirken gegen Parteilichkeit
Die Wahrnehmung der Klimaforschung ist insbesondere in den USA eine politische Angelegenheit: Wer der demokratischen Partei nahesteht, erkennt mehrheitlich den Konsens von Klimaforschenden an, viele Fans der Republikaner dagegen beharren darauf, dass die Wissenschaft nicht eindeutig genug sei. Forschende um den Politikwissenschaftler Toby Bolsen von der Georgia State University untersuchten in einer neuen Studie, ob der Einsatz von Infografiken dabei helfen kann, die politisch beeinflusste Verarbeitung von Klima-Nachrichten zu durchbrechen.
Methodik: Die 1986 Teilnehmenden des Online-Experiments wurden verschiedenen Gruppen zugelost. Die Kontrollgruppe sollte lediglich Fragen zu ihrer Sicht auf den Klimawandel beantworten. In den anderen Gruppen lasen die Versuchspersonen vorher noch einen kurzen Artikel. Darin ging es um die Zunahme von Naturkatastrophen aufgrund der globalen Erwärmung, wie häufigere Überschwemmungen durch den Anstieg des Meeresspiegels.
In dem Artikel wurden verschiedene Details variiert: In manchen Versionen gab es eine animierte Infografik, um die Aussage zu visualisieren, andere hatten keine Bebilderung. Außerdem gab es nur in manchen Fällen einen ergänzenden Absatz, der gewissermaßen zur politischen Deutung einlud: Darin stand, dass die Klimaforschung generell durch ein gehöriges Maß an Unsicherheit geprägt sei, weshalb ihre Ergebnisse leicht politisch instrumentalisiert werden könnten.
Ergebnisse: Wer nur den einfachen Text über drohende Naturkatastrophen gelesen hatte, hielt anschließend im Vergleich zur Kontrollgruppe den Klimawandel eher für real und gefährlich. Dieser Effekt wurde noch verstärkt, wenn es zusätzlich eine animierte Infografik zur Verdeutlichung gab.
Personen, die nur die Kombination aus dem Artikel und dem entkräftenden Absatz gelesen hatten (ohne Bebilderung), unterschieden sich dagegen nicht von der Kontrollgruppe. Das heißt, der Abschnitt über wissenschaftliche Unsicherheit entkräftete offenbar die Wirkung des eigentlich aufrüttelnden Textes. Kam aber hier noch zusätzlich eine Infografik dazu, zeigte sich wiederum die schon die bekannte Wirkung auf Klima-Überzeugungen – die Grafik glich also den negativen Effekt des Absatzes zur Politisierung wieder aus.
Schlussfolgerungen: Wird in einem Artikel behauptet, dass die Klimaforschung prinzipiell zu einer politischen Instrumentalisierung einlädt, verringert das die Wirkung der beschriebenen Erkenntnisse auf das Publikum. Eine anschauliche Visualisierung kann diesem Prozess aber entgegenwirken.
Einschränkungen: In allen Gruppen des Experiments hielten Republikaner die globale Erwärmung weiterhin für weniger real und bedrohlich als Demokraten. Die Forschenden geben außerdem zu bedenken, dass die gefühlte Bedrohung durch den Klimawandel stark davon abhängen dürfte, wo man lebt: Wer in Gebieten wohnt, die am schwersten von Überschwemmungen und Waldbränden gefährdet sind, lässt sich möglicherweise leichter von entsprechenden Texten beeinflussen. Das wurde im aktuellen Experiment aber nicht kontrolliert.
Aggressive Sprache I: Auf dem Podium
Wie Menschen sich ausdrücken, beeinflusst, für wie glaubwürdig andere sie und ihre Aussagen halten. In Debatten über Wissenschaft sei der Ton in den vergangenen Jahren rauer geworden, schreiben Lars König und Regina Jucks von der Universität Münster in einem aktuellen Fachbeitrag. Die Forschenden wollten daher wissen, ob unter aggressiver Sprache auch auf die Glaubwürdigkeit von Personen leidet, die über Wissenschaft kommunizieren.
Methodik: Die Versuchspersonen sahen einen Videoausschnitt von einer fingierten Podiumsdiskussion. Dabei ging es um eine Studie über die Wirksamkeit von Antidepressiva. Die Manipulation bestand daraus, dass in manchen Fällen ein Teilnehmer die Arbeit mit neutralen Worten kritisierte („[Das] liegt an einer Reihe von methodischen Fehlern, die Herr Becker in seiner Studie gemacht hat“) oder dabei aggressive und beleidigende Sprache verwendete („[Das] liegt an einer Reihe von wirklich dummen methodischen Fehlern, die Herr Becker in seiner Studie gemacht hat, und an seinem amateurhaften Vorgehen“).
Ergebnisse: Benutzte der Teilnehmer aggressive und herabwürdigende Sprache, wurde seine Botschaft als deutlich unglaubwürdiger eingestuft, und er selbst unter anderem als manipulativer, weniger sympathisch, kompetent und aufrichtig. Auch sein Beruf spielte eine Rolle: Als vermeintlicher Lobbyist wirkte zwar seine Botschaft genauso glaubwürdig wie als Wissenschaftler, allerdings schätzten die Versuchspersonen ihn generell als etwas manipulativer sowie als weniger aufrichtig und sympathisch ein. Auf die Einstellungen zu Antidepressiva hatten beide Variationen keinen Effekt.
Schlussfolgerungen: Forschende haben gegenüber Menschen, die für Industrieverbände arbeiten, in der öffentlichen Wahrnehmung einen Vertrauensvorschuss. Den verspielen sie aber, wenn sie in Diskussionen aggressiv auftreten und andere persönlich angreifen – denn das wirkt sich nicht nur negativ auf die Bewertung ihrer Person, sondern auch auf die Wahrnehmung ihrer Botschaft aus.
Einschränkungen: Die Stichprobe bestand aus Psychologiestudierenden, was die Generalisierbarkeit einschränkt: Jüngere Personen, so glauben König und Jucks, könnten sogar weniger sensibel auf aggressive Sprache reagieren als ältere. Zudem könnte es an der fachlichen Nähe der Versuchspersonen zum Thema liegen, dass sich ihre Einstellungen zu Antidepressiva nicht veränderten, auch wenn die Argumente in aggressiver Sprache oder von einem Lobbyisten vorgetragen wurden.
Aggressive Sprache II: Kommentare auf Facebook
Während auf Podiumsdiskussionen im Allgemeinen noch ein recht höflicher Umgangston herrscht, beschäftigt sich die nächste Studie mit Debatten in sozialen Netzwerken – und zwar zum Thema Impfen. Die Kommunikationswissenschaftler Freddie Jennings und Frank Russell wollten nun wissen, ob die Art, wie über dieses Thema online gesprochen wird, die Meinung über Impfungen beeinflussen kann.
Methodik: Die Teilnehmenden sahen ein Facebook-Posting, in dem eine (erfundene) Gesundheitsorganisation ein Video des Zauberkünstler-Duos Penn & Teller teilte. Darin sprechen sich die beiden Promis für Impfungen aus. In den Kommentaren entspann sich eine vermeintliche Diskussion mit Pro- und Contra-Argumenten verschiedener Nutzerinnen und Nutzer. Diese verlief entweder höflich, indem die Kommentierenden zum Beispiel Argumente der Gegenseite wiederholten und wertschätzten, oder unhöflich, was sich unter anderem in Beleidigungen und Kraftausdrücken äußerte.
In einer dritten Variante wurde die unhöfliche Diskussion durch Kommentare ergänzt, die mehr Zivilität einforderten (wie „Lasst uns doch bitte höflich bleiben“ oder „Es gibt keinen Grund, beleidigend zu werden“). Nachdem sie den Beitrag und die Kommentare gelesen hatten, sollten die Versuchspersonen noch Fragen zum Impfen beantworten.
Ergebnisse: Wer das Video gesehen und danach eine höfliche Diskussion gelesen hatte, äußerte anschließend stärker die Absicht, seine Kinder in der Zukunft impfen zu lassen. Außerdem waren diese Personen positiver gegenüber Impfungen eingestellt und schätzten diese beispielsweise eher als sinnvoll und sicher ein – was damit einherging, dass sie einer allgemeinen Impfpflicht aufgeschlossener gegenüberstanden. Sowohl die unhöfliche als auch die „moderierte“ unhöfliche Diskussion hatten dagegen keinen Effekt auf Impf-Überzeugungen.
Schlussfolgerungen: Wenn in sozialen Netzwerken zivilisiert über eine Botschaft diskutiert wird, entfaltet diese eine stärkere Wirkung, als wenn sich Nutzerinnen und Nutzer beleidigen.
Einschränkungen: Auch hier waren die Versuchspersonen ausschließlich Studierende. Die Pro-Impfen-Botschaft kam von Comedians, was ein recht spezielles Kommunikationsformat bedeutet. Die Gesundheitsorganisation, auf deren Account die Diskussion stattfand, war dagegen erfunden – dabei dürften gerade bei einem stark polarisierenden Thema wie Impfen reale, bekannte Organisationen bereits starke Reflexe auslösen, was hier nicht berücksichtigt werden konnte.
Mehr Aktuelles aus der Forschung:
„Seinfeld“ gehört auch 20 Jahre nach der letzten Episode immer noch zu den einflussreichsten und von Kritikern am besten beurteilten TV-Serien. Der Wissenschaftsjournalist Mićo Tatalović hat in einer aktuellen Studie erstmals untersucht, wie in der Sitcom über Wissenschaft gesprochen wird, und festgestellt, dass sich ganze Handlungsstränge um wissenschaftliche Themen drehen.
Eine Sonderausgabe der Zeitschrift Citizen Science: Theory and Practice widmet sich der Ethik und der Philosophie von Citizen Science. Zu den Themen gehören die Spende intimer persönlicher Daten (etwa durch Menschen, die von einer Krankheit betroffen sind), wissenschaftliches Fehlverhalten von Bürgerwissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern sowie realistische Erwartungen von Forschenden an die Zusammenarbeit.
Das Gefühl von Ekel wurde bislang als Faktor in der Wissenschaftskommunikation eher selten betrachtet. Ein Team von Forscherinnen um Sara Yeo von der University of Wisconsin–Madison demonstrierte nun, dass Versuchspersonen, die sich vor bestimmten Beschreibungen ekeln (wie der einer Fäkaltransplantation), die zugrunde liegende wissenschaftliche Methode – in diesem Fall Mikrobiomtherapie – für gefährlicher halten.
Ein interaktives Spiel auf der Straße kann dabei helfen, sich in das komplexe Thema Hochwasserschutz einzuarbeiten. Das berichten Geografinnen der University of Manchester in einer aktuellen Studie. „Downpour!“ dauert rund eine Stunde und wird bereits im Rahmen von Science-Festivals angeboten.
Die meisten Youtube-Videos zu Gesundheitsthemen seien von schlechter Qualität, schreiben Forschende in einem neuen Review-Paper. In dem Artikel geben sie Tipps, was Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler tun können, damit ihre eigenen Videos besser gefunden werden.
Und eine weitere aktuelle Studie beschäftigt sich damit, wie Visualisierungen – in diesem Fall Zeitraffervideos von schmelzenden Gletschern – die Kommunikation über den Klimawandel wirksam unterstützen können.
Die Kurzmeldungen zur Wissenschaftskommunikationsforschung erscheinen alle 14 Tage im Panoptikum.