Wo gibt es Studienangebote im Bereich der Wissenschaftskommunikation? Wie beschäftigen sich marginalisierte Gruppen mit Wissenschaft? Und was beeinflusst Einstellungen von medizinischem Personal gegenüber Covid-19-Impfungen? Das sind Themen im aktuellen Forschungsrückblick.
Kurz vorgestellt: Neues aus der Forschung im Dezember 2023
In unserem monatlichen Forschungsrückblick besprechen wir aktuelle Studien zum Thema Wissenschaftskommunikation. Diese Themen erwarten Sie in der aktuellen Ausgabe:
- Wie verteilen sich Studienangebote in der Wissenschaftskommunikation geografisch? Ein Forschungsteam hat eine interaktive Karte erstellt.
- Auf welche Weise setzen sich marginalisierte Gruppe in den USA mit wissenschaftlichen Themen auseinander? Darüber haben Latinas, Latinos und Schwarze in Fokusgruppen-Gesprächen diskutiert.
- Was beeinflusst medizinisches Personal bei der Entscheidung, sich impfen zu lassen und anderen Menschen eine Impfung zu empfehlen? Forscher*innen präsentieren Daten aus zehn europäischen und zentralasiatischen Ländern.
- In der Rubrik „Mehr Aktuelles aus der Forschung“ geht es unter anderem um eine Sonderausgabe des Journal of Science Communication (JCOM) zur Ausbildung in der internationalen Hochschullandschaft und Gesundheitskommunikation in Nigeria.
Sollten Sie etwas vermissen, schreiben Sie uns gerne eine E-Mail oder hinterlassen Sie einen Kommentar.
Weltweite Studienangebote im Bereich der Wissenschaftskommunikation
Je stärker sich das Feld der Wissenschaftskommunikation professionalisiert und institutionalisiert, umso mehr sind Fachleute gefragt. Das spiegelt sich in der steigenden Zahl der Angebote an Ausbildungs- und Fortbildungsmöglichkeiten. Wie diese über verschiedene Länder und Regionen verteilt sind, hat ein Forschungsteam um Luisa Massarani vom Nationalen Institut für öffentliche Kommunikation von Wissenschaft und Technologie in Brasilien, Heather Bray von der University of Western Australia und Marina Joubert vom Centre for Research on Evaluation, Science and Technology (CREST) an der Stellenbosch University in Südafrika untersucht. Die Forscher*innen konzentrieren sich dabei auf Angebote von Hochschulen, die zur Verleihung eines Abschlusses oder Zertifikats führen. Das Ergebnis ist eine interaktive Karte, die einen Überblick über die geografische Verteilung von Studienprogrammen im Bereich der Wissenschaftskommunikation gibt.
Methode: Diese Studie wurde in Zusammenarbeit von Mitgliedern des PCST Teaching Forum, das zum PCST-Netzwerk gehört, und GlobalSCAPE, einem von der Europäischen Kommission finanzierten Forschungsprojekt zur weltweiten Erforschung von Wissenschaftskommunikation, durchgeführt. Im Mittelpunkt stehen Studienangebote für Menschen, die bereits über einen ersten Abschluss verfügen. Es wurden aber auch einige Bachelor-Studiengänge aufgenommen. Die berücksichtigten Studiengänge sind nicht ausschließlich auf Wissenschaftskommunikation ausgerichtet, vermitteln aber explizite Inhalte aus diesem Bereich. Alle einbezogenen Angebote waren zwischen dem 1. Februar 2021 und dem 10. Dezember 2022 aktiv.
Die Mitglieder des Forschungsteams sammelten zuerst bei einem Brainstorming relevante Lehrprogramme, fügten Informationen aus der Forschungsliteratur hinzu und suchten in Datenbanken und Online-Quellen. Außerdem baten sie über ein Schneeball-Verfahren Mitglieder ihres Netzwerkes, bei der Identifizierung weiterer Angebote zu helfen. Dabei konsultierten sie explizit Personen aus Ländern, deren Sprache sie selbst nicht ausreichend beherrschten.
Eine vorläufige Version der entwickelten Karte veröffentlichte das Forschungsteam auf der Website des PCST-Netzes, wo Mitglieder weitere Einträge hinzufügen oder korrigieren können.
Ergebnisse: Es wurden 122 Lehrangebote identifiziert, die sich auf 31 Länder verteilen. Die Länder mit den meisten Programmen sind die USA (14), Brasilien (13), die Niederlande (9), England (9), Mexiko (8), Indien (7), Kanada (6) und mit jeweils fünf Programmen Argentinien, Kanada und Neuseeland. Von 195 Ländern bieten nur 31 (16 Prozent) Studienangebote im Bereich der Wissenschaftskommunikation an.
Europa ist mit 42 Programmen die Region mit den meisten Angeboten (34 Prozent), gefolgt von Lateinamerika und der Karibik mit 32 Programmen (26 Prozent). Auf Kanada und die USA entfielen zusammen 20 Programme (16 Prozent), auf Asien 17 Programme (14 Prozent), auf Ozeanien acht (7 Prozent) und auf Afrika drei (2 Prozent).
In Europa findet sich in den Niederlanden mit neun Programmen die höchste Konzentration, in Russland wurde nur ein Programm gefunden. In Asien verteilen sich die 17 ermittelten Programme auf sieben Länder. Sieben davon (41 Prozent) befinden sich in Indien.
In Lateinamerika und der Karibik gibt es eine hohe Konzentration von Studiengängen in bestimmten Ländern und dabei jeweils in bestimmten Regionen. In Brasilien beispielsweise finden sich 12 der 13 Programme (92 Prozent) im Südosten des Landes. In Afrika konnten nur drei Programme identifiziert werden: in Ägypten, Algerien und Südafrika.
Mehr als die Hälfte der Programme wird in englischer Sprache angeboten, 17 Prozent auf Spanisch, 13 Prozent auf Portugiesisch, drei Prozent auf Französisch, zwei Prozent jeweils auf Chinesisch, Deutsch, Niederländisch und Italienisch, sowie ein Prozent auf Arabisch, Hebräisch oder Japanisch. Mehr als die Hälfte sind Master-Studiengänge, 35 Prozent Postgraduierten-Zertifikate oder -Diplome, sechs Prozent Promotionsprogramme und sieben Prozent Bachelor-Studiengänge.
Schlussfolgerungen: Die Ergebnisse zeigen, dass in dem noch jungen Feld der Wissenschaftskommunikation eine Vielzahl von Studienangeboten entstanden sind, die sich geografisch jedoch ungleich verteilen. Die Forscher*innen bezeichnen es als besorgniserregend, dass sie in mehr als 80 Prozent der Länder keine Studienangebote für Wissenschaftskommunikation ausfindig machen konnten. Das könne bedeuten, dass es in vielen Ländern nicht genügend Fachleute gibt, die sich mit dem aktuellen Stand der Wissenschaft auseinandersetzen, evidenzbasierte Strategien der Wissenschaftskommunikation umsetzen oder auch in diesem Bereich forschen.
In Europa, Lateinamerika, Kanada und den USA gibt es laut der Ergebnisse eine weitaus größere Auswahl an Studienmöglichkeiten als in anderen Regionen der Welt. Gerade Menschen mit niedrigem Einkommen hätten oft keine Möglichkeiten, Angebote in anderen Ländern wahrzunehmen, schreiben die Forscher*innen. Zudem sei Wissenschaftskommunikation von lokalen kulturellen, politischen und sozioökonomischen Faktoren geprägt. Inhalte von Studiengängen könnten somit nicht uneingeschränkt auf andere Kontexte übertragen werden. Auch bei den Sprachen zeigt sich ein großes Ungleichgewicht. Die Forscher*innen ermutigen deshalb dazu, die Sprachenvielfalt in der Ausbildung zur Wissenschaftskommunikation zu fördern. Außerdem plädieren sie dafür, dass das internationale Angebot an Studienmöglichkeiten im Bereich der Wissenschaftskommunikation ausgebaut werden sollte.
Die Recherche habe gezeigt, dass Informationen zu den Programmen nicht immer leicht zu finden seien. Das bestätige laut der Forscher*innen den Bedarf nach einer solchen interaktiven Karte, um Studienmöglichkeiten zu finden.
Einschränkungen: Eine Herausforderung bei der Recherche war für die Forscher*innen, nicht englischsprachige Angebote zu identifizieren. Trotz umfassender Bemühungen sei es daher möglich, dass einige Suchstrategien zu sehr auf englische Ergebnisse ausgerichtet war. Außerdem seien die Ergebnisse in Bezug auf Bachelorstudiengänge wahrscheinlich unvollständig.
Massarani, L., Bray, H., Joubert, M., Ridgway, A., Roche, J., Smyth, F., Stevenson, E., van Dam, F. and de Abreu, W. V. (2023). The distribution of science communication teaching around the globe. JCOM 22 (06), A05. https://doi.org/10.22323/2.22060205
Wie beschäftigen sich marginalisierte Gruppen mit Wissenschaft?
Unterrepräsentierte und marginalisierte Gruppen sind häufig von Rassismus und einem erschwerten Zugang zu gesundheitlicher Versorgung betroffen. Ungleichheiten und Benachteiligungen können zu Misstrauen gegenüber staatlichen Institutionen und auch gegenüber der Wissenschaft führen, schreiben Michelle A. Amazeen, Arunima Krishna, Yi Grace Ji, Chao Chris Su and James J. Cummings von der Boston University und Rosalynn A. Vasquez von der Baylor University. In einer Studie haben die Forscher*innen untersucht, wie sich Menschen in den USA, die sich als Schwarze, Latinos oder Latinas identifizieren, mit wissenschaftsbezogenen Themen auseinandersetzen und wie sie mit korrigierenden Interventionen umgehen.
Methode: Die Studie stützt sich auf die Critical Race Theory, die in den 1970er-Jahren entwickelt wurde und sich unter anderem mit Machtdynamiken, strukturellem Rassismus und der sozialen Konstruktion von ethnischer Zugehörigkeit beschäftigt. Um mehr über Erfahrungen marginalisierter Bevölkerungsgruppen mit Fehlinformationen zu wissenschaftlichen Themen zu erfahren, haben die Forscher*innen zwei Fokusgruppengespräche durchgeführt. Dafür wurden schwarze Amerikaner*innen und Latinos und Latinas aus Boston von einem lokalen Marktforschungsinstitut rekrutiert. Voraussetzung war, dass sich die Teilnehmenden als Latino, Latina oder als Schwarze identifizierten, soziale Medien nutzten und in der Typologie von Arunima Krishna1 zu den Gruppen von Menschen gehören, die für Missinformationen empfänglich oder anfällig sind. Letzteres wurde unter anderem durch Fragen zu Wissensdefiziten und Einstellungen in Bezug auf den Klimawandel überprüft.
Ergebnisse: Bei der Frage nach dem Medienkonsum erwähnte keine*r der Teilnehmer*innen von sich aus, dass er*sie sich mit wissenschaftlichen Themen beschäftige. Unter den schwarzen Teilnehmenden gaben viele auf Nachfrage an, dass sie Nachrichten auf sozialen Medien lesen. Einerseits wurden Nachrichten als deprimierend empfunden, andererseits fühlten sich schwarze Teilnehmende von den Moderator*innen in klassischen Medien zu wenig repräsentiert.
Einige Teilnehmende sagten, dass sie sich nie aktiv um wissenschaftsbezogene Informationen bemühten. Trotzdem zeigte sich in beiden Gruppen, dass Covid-19 und der Klimawandel Themen sind, mit denen sich die Teilnehmenden beschäftigen. Außerdem bewegten sie gesundheitsbezogene Themen wie Krebs, Drogen, Medikamente und Lebensmittelzusatzstoffe. Ein Teilnehmer berichtete, wie schwierig es sei, sich gesund zu ernähren, wenn man wenig Geld hat. Als Schwierigkeit wurde auch benannt, dass sich Informationen zu Gesundheitsthemen oft widersprechen – zum Beispiel, was den Konsum von Salz und Kaffee angeht.
Viele berichteten, dass sie nichts unternehmen würden, wenn sie auf falsche wissenschaftsbezogene Informationen stoßen. Einige sagten, dass sie andere Menschen vor Fehlinformationen warnen würden, andere hielten dies für Zeitverschwendung. Bei vielen Teilnehmenden wurde deutlich, dass sie an nicht ganz korrekte Informationen oder Verschwörungstheorien glauben.
Bei den Interventionsstrategien zeigte sich, dass nur wenige Teilnehmende Fact-Checking-Organisationen kennen. Einige waren ihnen gegenüber aufgeschlossen, andere stellten die Motivation und Glaubwürdigkeit von Faktenprüfer*innen in Frage. Auch bei den Videoclips der beiden Prominenten reagierten sie misstrauisch, weil sie diese nicht als authentisch empfanden. Positiver wurde die Warnung des Arztes vor Fehlinformationen aufgefasst.
Als Strategie zur Bekämpfung von Fehlinformationen empfahlen schwarze Teilnehmende Community-Foren oder Town-Hall-Meetings, bei dem Menschen zusammenkommen und offen über ihre Erfahrungen sprechen können. Einige Teilnehmende sagten, dass man Kindern schon früh beibringen sollte, Fehlinformationen zu erkennen. Auch wurde vorgeschlagen, Medien – wie beispielsweise Dokumentarfilme – zu nutzen, um Fehlinformationen zu entlarven.
Schlussfolgerungen: Gemäß der Typologie von Krishna sind Personen, die als „für Fehlinformationen anfällig“ oder „empfänglich“ eingestuft werden, motiviert, über wissenschaftsbezogene Themen nachzudenken. Gleichzeitig zeigen sie extreme Einstellungen oder ungenaue Überzeugungen zu bestimmten wissenschaftsbezogenen Themen. Das bestätigte sich in der Studie. Für viele Teilnehmer*innen war es schwierig, zu beurteilen, wem sie vertrauen können und wo sie glaubwürdige Informationen finden können. Insbesondere schwarze Teilnehmende äußerten tiefes Misstrauen gegenüber Institutionen. Dementsprechend war es für die Forscher*innen nicht überraschend, dass sie sich empfänglich für verschwörerisches Denken und ungenaue Informationen zeigten. Deutlich wurde, dass sich die Fehlwahrnehmungen nicht auf den Klimawandel oder Impfungen beschränkten, sondern sich auch auf andere Bereiche erstreckten.
Bemerkenswert sei laut der Forscher*innen, dass einige Studienteilnehmenden Strategien nutzen, um Informationen zu prüfen. Dass wissenschaftliche Faktenprüfer*innen häufig staatliche Quellen zitieren, trage vermutlich zum Misstrauen bei, vermuten sie. Ein weiteres Problem sei, dass nicht alle Angebote mehrsprachig sind. Die Forscher*innen ermutigen dazu, vertrauenswürdige Führungspersönlichkeiten – wie lokale Politiker*innen und religiöse Autoritäten – zu fördern. Neben den Schulen könnten auch Bibliotheken eine wichtige Rolle dabei spielen, Medienkompetenz zu fördern. Denn diese gehörten zu den Institutionen, denen Menschen am stärksten vertrauen.
Einschränkungen: Die Studie beschränkt sich auf die Perspektiven von 19 Teilnehmer*innen, zum anderen auf nur zwei unterrepräsentierte Gruppen. Zudem sind die beiden Gruppen in sich heterogen und umfassen viele unterschiedliche Identitäten. Insofern muss beachtet werden, dass die Ergebnisse nicht ohne weiteres auf andere Mitglieder der beiden Communities oder andere marginalisierte Gruppen übertragen werden können.
Amazeen, M. A., Vasquez, R. A., Krishna, A., Ji, Y. G., Su, C. C., & Cummings, J. J. (2023). Missing Voices: Examining How Misinformation-Susceptible Individuals From Underrepresented Communities Engage, Perceive, and Combat Science Misinformation. Science Communication, 0(0). https://doi.org/10.1177/10755470231217536
Was beeinflusst die Impf-Einstellungen von medizinischem Personal?
Bei der Durchführung von Covid-19-Impfungen spielen Mitarbeiter*innen des Gesundheitswesens eine entscheidende Rolle. Sie können einen wichtigen Einfluss auf die Impfrate haben, weil sie als vertrauenswürdige Informationsquellen gelten.2 Welche Faktoren beeinflussen dabei, wie sich Pflegekräfte sowie Ärztinnen und Ärzte gegenüber Impfungen verhalten? Um das zu untersuchen, haben Forscher*innen aus zehn europäischen und zentralasiatischen Ländern Fokusgruppendiskussionen und Interviews durchgeführt.
Methode: Während der Covid-19-Pandemie unterstützte das Programm Vaccine-preventable Diseases and Immunization (VPI) der WHO Länder bei der Durchführung von schnellen, qualitativen Studien zum Impfverhalten von medizinischem Personal. In jedem Land arbeiteten dabei Vertreter*innen des VPI-Programms, der Länderbüros der WHO, der Gesundheitsbehörden und eines lokalen Forschungsunternehmens zusammen. Die vorliegende Studie enthält Ergebnisse aus zehn Ländern, die zum Zeitpunkt der Untersuchung an unterschiedlichen Punkten der Einführung der Covid-19-Impfstoffe waren: Armenien, Aserbaidschan, Estland, Bosnien und Herzegowina, Georgien, Kirgisistan, Nordmazedonien, Rumänien, Russland und Ukraine. Ziel war zu untersuchen, was das medizinische Personal dazu brachte, sich gegen Covid-19 impfen zu lassen, Impfungen zu empfehlen und durchzuführen.
Zur Auswertung der Daten entwickelte das VPI-Team ein Instrument, bei dem durch ein Schnellbewertungsverfahren (Rapid Assessment Procedure, RAP), Daten aus den Audioaufnahmen direkt in Microsoft Excel RAP-Blättern zur Analyse organisiert werden.
Ergebnisse: Die Ergebnisse sortierten die Forscher*innen nach den COM-Faktoren. Alle drei beeinflussen die Studienteilnehmenden bei ihrer Entscheidung, sich impfen zu lassen. Ob sie die Impfung empfehlen, hängt vor allem von „Befähigung“ und „Motivation“ ab.
Motivation
- Die meisten Studienteilnehmenden äußerten sich generell positiv dazu, sich gegen Covid-19 impfen zu lassen, die Impfung anderen zu empfehlen und diese durchzuführen. Sie sahen darin eine Möglichkeit, die Pandemie zu bekämpfen und erkannten die Bedeutung ihrer eigenen Rolle darin an. Doch selbst in Ländern, in denen die Impfung erst später eingeführt wurde, war eine Minderheit noch unschlüssig und wartete auf weitere Beweise für die Sicherheit und Wirksamkeit.
- Einige der Befragten glaubten, ein geringes Risiko zu haben, sich mit Covid-19 zu infizieren, beispielsweise durch genügend Antikörper. Einige fürchteten unerwünschte Nebenwirkungen und schoben die eigene Impfung auf. Einige sagten, dass die langfristige Wirkung der Impfstoffe noch unbekannt sei und äußerten Bedenken, weil diese so schnell eingeführt worden seien. Das führte zu Zurückhaltung, was Empfehlungen zur Impfung angeht. Auch die Herkunft der Impfstoffe spielte bei der wahrgenommenen Sicherheit und Wirksamkeit eine Rolle.
Befähigung
- Die meisten Studienteilnehmenden waren gut über die Verfügbarkeit von Covid-19-Impfstoffen informiert und wussten, dass die Impfung vor schweren Erkrankungen schützt und dass das Risiko schwerer Impfnebenwirkungen eher gering ist. Es zeigten sich aber auch Wissenslücken. Beispielsweise wussten nicht alle, dass eine Impfung auch nach einer Infektion zusätzlichen Schutz bietet.
- Sowohl ärztliches als auch Pflegepersonal wünschte sich vertrauenswürdige wissenschaftliche Informationen, um als kompetente Ansprechpartner*innen zur Verfügung stehen zu können. Einige Krankenpfleger*innen (meist weiblich) gaben an, dass ihnen das Wissen über die Sicherheit und Notwendigkeit des Covid-19-Impfstoffs fehle. Das beeinflusse ihre Bereitschaft, sich impfen zu lassen und den Impfstoff anderen zu empfehlen.
- Die Studienteilnehmenden berichteten von zögernden und sich verweigernden Patient*innen, die teilweise anfällig für Fehlinformationen und Verschwörungsideologien seien. Der Umgang mit diesen Patient*innen wurde als zeitaufwändig und schwierig empfunden.
- In einigen Ländern berichteten Ärztinnen und Ärzte, dass sie Zugang zu internationalen offiziellen Informationsquellen wie der WHO hätten. In einigen Ländern hingegen berichteten Krankenpfleger*innen, dass sie sich wegen eines Mangels an offiziellen Informationen auf das Fernsehen, das Internet und soziale Medien verließen. Es zeigten sich auch Wissenslücken, insbesondere bei Krankenpfleger*innen, die sich auf (soziale) Medien verließen und teilweise durch Anti-Impf-Kampagnen beeinflusst worden waren.
- Einige Studienteilnehmenden gaben an, nur bestimmten Personengruppen – beispielsweise älteren – die Impfung zu empfehlen.
Physische Möglichkeiten
- Die meisten geimpften Studienteilnehmenden hatten den Impfstoff an ihrem Arbeitsplatz erhalten. Die meisten gaben an, dass sie es vorziehen, während der Arbeitszeit geimpft zu werden.
- Es zeigten sich sehr gegensätzliche Erfahrungen, was die Organisation der Impfstoffabgabe betrifft. Bei einigen funktionierte es sehr gut, bei anderen gab es Probleme.
- Bedenken hinsichtlich eines möglichen Impfstoffmangels wurden in einigen Ländern geäußert.
- Die Krankenpfleger*innen sprachen übereinstimmend von einem hohen Maß an Stress, Arbeitsbelastung und Burnout-Risiko während der Pandemie.
Soziale Möglichkeiten
- In allen Ländern berichteten Studienteilnehmende, dass sie „on the Job“ etwas über das Covid-19-Virus gelernt haben. Die Teamarbeit wurde durchgängig als effizienter und mit einem stärkeren Gefühl der Solidarität beschrieben.
- Durch Informationen und Schulungen von offizieller Seite fühlten sich die Studienteilnehmenden in der sich rasch verändernden Pandemiesituation unterstützt.
- Bei der Entscheidung über eine Impfung ließen sich die meisten Gesundheits- und Krankenpfleger von offiziellen Quellen, Kolleg*innen, Freund*innen und Familie beeinflussen. Einige berichteten von Kolleg*innen, die die Impfung ablehnen.
Die Forscher*innen stellten viele Gemeinsamkeiten zwischen den Ländern fest, aber auch Unterschiede, die auf die unterschiedlichen Phasen der Impfstoffeinführung zurückgeführt werden können. Überrascht waren die Forscher*innen, dass sich die Faktoren „Befähigung“ und „soziale Möglichkeiten“ in späteren Phasen der Impfstoff-Einführung nicht änderten. Stattdessen zeigten sich Unterschiede zwischen ärztlichem und Pflegepersonal. Ärztinnen und Ärzte waren in der Regel eher bereit, Impfungen zu empfehlen.
Schlussfolgerungen: Die Studie zeigt, dass sich viele unterschiedliche Faktoren auf die Einstellungen und Verhaltensweisen von medizinischem Personal in Bezug auf die Covid-19-Impfungen auswirken. Das unterstreicht laut der Forscher*innen, dass Gesundheitsbehörden diese Einflüsse verstehen und differenzierte Strategien entwickeln müssen, um medizinisches Personal zu erreichen. Generell waren die Studienteilnehmenden gut informiert. Einige Krankenpfleger*innen verfügten jedoch über falsche Informationen oder unzureichendes Wissen und verließen sich auf soziale Medien. Die Forscher*innen schreiben von einigen „besorgniserregenden Fehleinschätzungen“ – beispielsweise, dass Impfungen nach einer Infektion gefährlich seien. Solche Wissenslücken führten zu einer zögerlichen Haltung. Auch betrachten die Forscher*innen als besorgniserregend, dass einige Studienteilnehmende zögerlich waren, Menschen mit Vorerkrankungen zu impfen und dabei das Risiko einer schweren Corona-Erkrankung ignorierten. Wissenslücken und Bedenken gegenüber Impfstoffen seien jedoch gerade bei der Einführung neuer Impfungen keine Seltenheit.
In Ländern, in denen die Impfungen erst später eingeführt wurden, gab es mehr offizielle Schulungen – obwohl auch dort die Arbeitsbelastung anstieg. Die Studienergebnisse unterstreichen laut der Forscher*innen, wie wichtig solche Angebote seien, um Wissen zu vermitteln und über Kommunikationsstrategien zu sprechen. Laut der Ergebnisse gab es zur Zeit der Datenerhebung (noch) keine Angebote zur Impf-Kommunikation. Wichtig sei, dass nicht nur Ärztinnen und Ärzte, sondern auch Krankenpfleger*innen entsprechende Schulungen erhielten. Auch die Arbeitsbelastung und die psychische Gesundheit der Mitarbeitenden seien Themen, die dringend angegangen werden müssen, schreiben die Forscher*innen.
Einschränkungen: Dadurch, dass die Diskussionsleitfäden für jedes Land angepasst wurden, gibt es Unterschiede bei der Themensetzung und der inhaltlichen Tiefe. Außerdem haben sich die zehn Länder selbst für die Studie gemeldet und wählten die Stichprobe aus. Dadurch sei es möglich, dass vor allem Gesundheitsfachkräfte befragt wurden, die eine eher positive Einstellung zu Covid-19-Impfungen hatten.
Jackson, C., Smith, S., Aghasaryan, A. et al. (2023) Barriers and drivers of positive COVID-19 vaccination behaviours among healthcare workers in Europe and Central Asia: a qualitative cross-country synthesis. Humanities and Social Sciences Communications 10, 926. https://doi.org/10.1057/s41599-023-02443-x
Mehr Aktuelles aus der Forschung
Können Kenntnisse in der Wissenschaftskommunikation die Chancen bei der Arbeitssuche erhöhen? Um zu erfahren, wie sich entsprechende Kurse in Postgraduiertenprogrammen auf die Berufsperspektiven auswirken, haben spanische Forscherinnen mit Programmleiter*innen und Absolvent*innen gesprochen. Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass die Programme nützlich sind, um einen Job zu finden und auszuüben. Der Artikel ist Teil einer Sonderausgabe des Journal of Science Communication (JCOM) zur Ausbildung in der internationalen Hochschullandschaft. Weitere Beiträge beschäftigen sich mit der internationalen Verteilung von Ausbildungsmöglichkeiten im Bereich Wissenschaftskommunikation, der Bedeutung von Interdisziplinarität in diesem Feld und der Frage, wie Nachhaltigkeit als Thema in einen Hochschulkurs integriert werden kann.
Mit der Berichterstattung über Corona-Impfungen sind viele wissenschaftliche Konzepte und Fachwörter in den Medien aufgetaucht. Welche Begriffe das waren und ob sie verstanden wurden, hat ein Forschungsteam um Elaine Santana von der Coimbra Nursing School am Beispiel portugiesischer Online-Medien untersucht. Es zeigt sich, dass mehr als die Hälfte der gefundenen Fachbegriffe den befragten Bürger*innen unbekannt waren oder nur unzureichend definiert werden konnten.
Wie es um die Gesundheitskommunikation in Nigeria steht, haben Forscher*innen um Emma Weitkamp von der University of the West of England untersucht. Sie sprachen mit Gesundheitsforscher*innen und Journalist*innen über ihre Motivation und Hindernisse, mit denen sie bei der Kommunikation von Gesundheitsthemen konfrontiert sind. Eine Hürde sei mangelnde Unterstützung durch Führungskräfte, berichteten die Forscher*innen. Beide Gruppen berichteten, dass sie kommunizieren, um die Öffentlichkeit zu informieren, zu unterhalten oder zu inspirieren.