Foto: Petri Heiskanen

Kurz vorgestellt: Neues aus der Forschung im Januar 2023

Welche Expert*innen standen während der Pandemie besonders im Rampenlicht? Wie kann die Qualität von Online-Wissenschaftskommunikation gesichert werden? Und mit welchen Schwierigkeiten haben Wissenschaftsjournalist*innen in den USA zu kämpfen? Das sind Themen im Forschungsrückblick für den Januar.

In unserem monatlichen Forschungsrückblick besprechen wir aktuelle Studien zum Thema Wissenschaftskommunikation. Diese Themen erwarten Sie in der aktuellen Ausgabe:

  • Wer tritt während der Pandemie öffentlich in Erscheinung? Ein Forschungsteam hat Merkmale von Wissenschaftler*innen untersucht, die in der Pandemie in verschiedenen Ländern besonders sichtbar waren. 
  • Welche Kriterien sollten bei der Bewertung von Online-Wissenschaftskommunikation eine Rolle spielen? Birte Fähnrich, Emma Weitkamp und J. Frank Kupper haben dazu Expert*innen befragt. 
  • Was motiviert Wissenschaftsjournalist*innen, trotz härter werdender Bedingungen in der Branche zu arbeiten? Josh Anderson und Anthony Dudo haben dazu Interviews geführt. 
  • In der Rubrik „Mehr Aktuelles aus der Forschung“ geht es unter anderem um Citizen-Science-Projekte zum Thema Biodiversität und die Frage, wie Forscherinnen in Fernsehserien für Kinder dargestellt werden.

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Welche Wissenschaftler*innen waren in der Pandemie sichtbar?

Während der Coronapandemie haben einige Wissenschaftler*innen große Sichtbarkeit erlangt und sind teilweise zu regelrechten Medienstars geworden. Was aber charakterisiert Wissenschaftler*innen, die in der Öffentlichkeit besonders präsent sind? Ein Forschungsteam um Marina Joubert von der Stellenbosch University in Südafrika, Lars Guenther von der Universität Hamburg und Jenni Metcalfe von Econnect Communication in Australien hat Merkmale von öffentlich sichtbaren und prominenten Wissenschaftler*innen aus 16 Ländern untersucht und verglichen. 

Methode: Ausgehend von der aktuellen Forschungslage haben die Autor*innen eine Liste von Merkmalen erstellt, die charakteristisch für sichtbare und prominente Wissenschaftler*innen sind: 

  • Das Alter: Ältere Wissenschaftler*innen werden mit größerer Wahrscheinlichkeit in den Medien sichtbar, da mit der Zeit ihre Erfahrung, die institutionelle Unterstützung sowie ihr eigenes Vertrauen in die Interaktion mit Medien zunehmen.
  • Das Geschlecht: Historisch betrachtet waren die meisten berühmten Wissenschaftler*innen Männer. Die Dominanz männlicher Expertise in den Medien hat sich während der Coronapandemie erneut bestätigt. 
  • Persönliches Bild in der Öffentlichkeit: Sichtbare Wissenschaftler*innen sind in der Regel charismatische Personen, die sich gut artikulieren können, präsent sind und gut aussehen. 
  • Hohe Sichtbarkeit in den Medien: Hohe Sichtbarkeit in der Öffentlichkeit ist für Wissenschaftler*innen mit einer hohen Präsenz in den Medien verbunden. 
  • Die Bedürfnisse der Medien verstehen: Wissenschaftler*innen erlangen öffentliche Sichtbarkeit nicht nur aufgrund ihres Fachwissens und ihrer Reputation innerhalb der Wissenschaft, sondern auch aufgrund ihrer Fähigkeit, den Logiken der Medien zu entsprechen. 
  • Zugängliche Kommunikationsstile: Sichtbare Wissenschaftler*innen sind in der Regel wortgewandt und in der Lage, in zugänglicher Sprache und zitierfähigen Aussagen zu sprechen. Ihr Kommunikationsstil wird oft als herzlich und glaubwürdig beschrieben. 
  • Verschwimmen von Berufs- und Privatleben: Die öffentliche Sichtbarkeit geht mit einer starken Personalisierung der medialen Berichterstattung einher, öffentliches und privates Leben verschmelzen.
  • Kommentieren außerhalb von Fachgebieten: Medienvertreter*innen befragen öffentlich sichtbare Wissenschaftler*innen auch zu Themen und Ansichten, die weit über deren Fachgebiete hinausgehen.
  • Beteiligung an Kontroversen: Sichtbare Wissenschaftler*innen werden als durchsetzungsfähig und ehrgeizig beschrieben. Sie scheuen keine Kontroversen.
  • Umgang mit Kritik: Wissenschaftler*innen, die öffentlich in Erscheinung treten, sind auch mit kritischen und abwertenden Aussagen von Kolleg*innen konfrontiert. Ein typischer Kritikpunkt ist dabei, dass Sichtbarkeit eher mit politischen Funktionen denn mit wissenschaftlicher Expertise verbunden ist. Meist können die betroffenen Wissenschaftler*innen mit dieser Art von Kritik gut umgehen.
  • Handelswaren: Prominente Wissenschaftler*innen können zu Marken werden, die dem Verkauf von Produkten – beispielsweise Büchern oder Podcasts – dienen. 

Zu diesen zwölf Merkmalen hat das Team von Autor*innen Fragestellungen und einen Kodierrahmen entwickelt. Für jedes der 16 Länder (Australien, Brasilien, Kanada, China, Dänemark, Deutschland, Indien, Israel, Italien, Kenia, Russland, Südafrika, Spanien, Schweden, Großbritannien, USA) wurden der*die zu Beginn der Coronapandemie (Januar bis Dezember 2020) sichtbarste Wissenschaftler*in identifiziert. Als Grundlage für die Analyse dienten Covid-19-Medientagebücher der Autor*innen, die Artikel, Fotos und Social-Media-Profile der 16 Wissenschaftler*innen umfassen. Regelmäßig trafen sich die Autor*innen, um Ergebnisse zu vergleichen und zu diskutieren. 

Ergebnisse: Die Charakteristika der 16 Wissenschaftler*innen stimmen zumindest bis zu einem gewissen Grad mit den untersuchten Merkmalen überein. Es zeigt sich, dass die 16 Wissenschaftler*innen zu großen Teilen aus der Literatur herausgearbeitete Merkmale sichtbarer und berühmter Wissenschaftler*innen aufweisen. Die Autor*innen identifizierten aber auch Unterschiede.

  • Alter: Die meisten der 16 Wissenschaftler*innen waren älter als 50 Jahre, das Durchschnittsalter betrug 59 Jahre (Stand: Januar 2020). Nur Atila Iamarino aus Brasilien war jünger als 40, und Christian Drosten jünger als 50.
  • Geschlecht: Die Wissenschaftler*innen waren hauptsächlich männlich (13 Männer, drei Frauen).
  • Wissenschaftlichen Glaubwürdigkeit und Reputation: die meisten der 16 Wissenschaftler*innen genossen auf ihrem Gebiet außergewöhnliches Ansehen. Beispielsweise war Soumya Swaminathan (Indien) seit März 2019 Chief Scientist bei der Weltgesundheitsorganisation.
  • Öffentliches Bild: Die meisten Wissenschaftler*innen wurden als charismatisch, sympathisch, vertrauenswürdig, direkt und selbstbewusst beschrieben. Salim Abdool Karim aus Südafrika wurde auch als professionell, ehrlich und gelassen wahrgenommen, wenn er mit öffentlichen Fehlinformationen konfrontiert wurde. Bemerkenswerte Ausnahmen waren Wenhong Zhang (China) und Alexander Gintsburg (Russland), die bei ihren Medienauftritten als sehr seriös und distanziert wahrgenommen wurden. Der Italiener Roberto Burioni wurde einerseits als ernsthafter und kompetenter Wissenschaftler, andererseits aber auch als arrogant wahrgenommen.
  • Medienpräsenz: Alle 16 Wissenschaftler*innen erlangten während der Pandemie eine hohe Medienpräsenz. Zuvor hatten alle eine gewisse, aber nur sechs von ihnen eine ausgeprägte Medienpräsenz (Australien, Brasilien, Indien, Italien, Schweden und USA). Atila Iamarino (Brasilien) war beispielsweise schon vor der Pandemie durch seinen YouTube-Kanal Nerdologia äußerst bekannt.
  • Bedürfnisse der Medien verstehen: Die meisten der 16 Wissenschaftler*innen nutzten während der Pandemie Medien und soziale Medien, um sichtbar und für Journalist*innen ansprechbar zu sein. Allerdings gab es Ausnahmen. Horacio Arruda aus Kanada hielt sich von Medien fern. Der Italiener Burioni wägte ab, zu welcher Art von Medienpräsenz er bereit war. Neil Ferguson (Großbritannien) begann, nach einem Lockdown-Skandal seine Medienauftritte einzuschränken. Nur drei der Wissenschaftler*innen (Russland, USA und Spanien) waren nicht selbst auf Social-Media-Plattformen aktiv. Die größte Rolle spielte Twitter, wobei der Brasilianer Lamarino im September 2021 mit 1,2 Millionen die meisten Follower hatte, gefolgt von Christian Drosten mit 783.800. Wenhong Zhang (China) war auf Weibo aktiv und hatte insgesamt mit 3,93 Millionen Menschen die meisten Follower. 
  • Kommunikationsstile: Die meisten der Wissenschaftler*innen zeigten sich in der Kommunikation mit der Öffentlichkeit sehr souverän, arbeiteten mit Narrativen, Anekdoten oder Emotionen, einige auch mit Humor, Analogien oder Metaphern. 
  • Verwischung von Privat- und Berufsleben: Journalistische Reportagen vermischten oft das Berufliche mit dem Privaten. Beispielsweise gab ein Fernsehbericht Einblicke in die Feierlichkeiten zum 60. Geburtstag des Südafrikaners Abdool Karim. 
  • Kontroversen: Fast alle der Wissenschaftler*innen waren in irgendeine Art von öffentlicher Kontroverse verwickelt. Ausnahmen bildeten Peter Doherty (Australien), Agnes Wold (Schweden) und Soumya Swaminathan (Indien). Die Kontroversen wurden von politischen Entscheidungsträger*innen, anderen Wissenschaftler*innen, bestimmte gesellschaftliche Gruppen (zum Beispiel religiösen Gruppen, Verschwörungstheoretiker*innen) und Medien befördert. Besonderes Aufsehen erregte, als Arruda (Kanada) und Ferguson (Großbritannien) gegen die Corona-Beschränkungen verstießen.
    Auf die verschiedenen Kontroversen reagierten die Wissenschaftler*innen unterschiedlich. Einige verteidigten sich und ihre Positionen aktiv (Attila Iamarino aus Brasilien; Lone Simonsen aus Dänemark, Roberto Burioni aus Italien, Alexander Gintsburg aus Russland). Andere blieben ruhig und kooperativ (Christian Drosten). 
  • Umgang mit Kritik: Die Hälfte der Wissenschaftler*innen wurde in öffentlichen und politischen Kontexten mit Kritik konfrontiert. Burioni (Italien) wurde für seine häufigen Auftritte im Fernsehen kritisiert. Peter Doherty (Australien) wurde seine alarmistischen Rhetorik angekreidet.
  • Handelsware: Das Bild von Anthony Fauci (USA) war während der Pandemie unter anderem auf Flaschenöffnern, Kaffeetassen, Malbüchern und Glückssocken zu sehen. Sieben der Wissenschaftler*innen ließen Sammlungen von Covid-19-Memes über sich anlegen: Drosten (Deutschland), Iamarino (Brasilien), Arruda (Kanada), Burioni (Italien), Simon (Spanien), Ferguson (Großbritannien) und Fauci (USA)). Allerdings wurden nicht alle Wissenschaftler*innen zu Marken. Bei den drei Wissenschaftlerinnen fanden sich keine Hinweise darauf (Agnes Wold aus Schweden, Lone Simonsen aus Dänemark, Soumya Swaminathan aus Indien).

Schlussfolgerungen: Die Ergebnisse sprechen dafür, dass ungewöhnliche Umstände wie die Covid-19-Pandemie sich nicht wesentlich auf die Merkmale von öffentlich sichtbaren Wissenschaftler*innen auswirken. Ein Grund für die trotzdem auftauchenden Abweichungen von traditionellen Charakteristika könnte laut der Autor*innen das dringende Bedürfnis der Öffentlichkeit nach wissenschaftlicher Expertise sein. So seien einige Wissenschaftler*innen womöglich in der Pandemie zu sichtbaren Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens geworden, obwohl sie nicht alle typischen Kriterien erfüllten.

Die Autor*innen vermuten, dass sich Wissenschaftler*innen angesichts der globalen Pandemie verpflichtet fühlten, sich intensiver als zuvor mit der Öffentlichkeit auseinanderzusetzen.
Die Ergebnisse bestätigen, dass Sichtbarkeit mit der Medienkompetenz sowie mit der Fähigkeit zu tun hat, mit Kritik umzugehen. Es zeigt sich auch, dass hohe öffentliche Sichtbarkeit mit Kontroversen einhergeht, was eine gewisse Vulnerabilität der betroffenen Wissenschaftler*innen impliziert. 

Ein Unterschied zu früheren Situationen berühmter Wissenschaftler*innen sei, dass in der Coronapandemie Social-Media-Kanäle eine ausgesprochen große Rolle spielten, schreiben die Autor*innen. Die neuen Kanäle ermöglichten es den Covid-19-Expert*innen, direkter mit der Öffentlichkeit in Kontakt zu treten. Die Öffentlichkeit wiederum habe dadurch die Möglichkeit erhalten, das Gesagte zu kommentieren. 

Auch ein weiterer Unterschied kristallisierte sich heraus: Zwar seien auch historisch gesehen öffentlich sichtbare Wissenschaftler*innen zur Zielscheibe von Kritik seitens der Öffentlichkeit und von Kolleg*innen geworden. Es gebe allerdings keine Belege dafür, dass sie in einem ähnlichen Ausmaß Drohungen und Aggressionen ausgesetzt gewesen seien wie in der Coronapandemie. Die Autor*innen vermuten, dass sich Wissenschaftler*innen angesichts der globalen Pandemie verpflichtet fühlten, sich intensiver als zuvor mit der Öffentlichkeit auseinanderzusetzen. 

Einschränkungen: Die Studie beschränkt sich auf 16 einzelne Beispiele aus 16 Ländern, die nach Kriterien der Sichtbarkeit ausgewählt wurden. Es ließe sich einwenden, dass eine Überprüfung anhand von Sichtbarkeitskriterien diese Kriterien implizit bestätigt. Nicht berücksichtig wurden dabei die gesellschaftlichen Kontexte, die auch einen Einfluss darauf haben könnten, welche Wissenschaftler*innen öffentlich in Erscheinung treten und welche nicht. 

Joubert, M., Guenther, L., Metcalfe, J., Riedlinger, M., Chakraborty, A.,
Gascoigne, T., Schiele, B., Baram-Tsabari, A., Malkov, D., Fattorini, E., Revuelta, G., Barata, G., Riise, J., Schröder, J. T., Horst, M., Kaseje, M., Kirsten, M., Bauer, M. W., Bucchi, M., Flores, N., Wolfson, O. and Chen, T. (2023). ‘‘Pandem-icons’ — exploring the characteristics of highly visible scientists during the Covid-19 pandemic’. JCOM 22 (01), A04. https://doi.org/10.22323/2.22010204

Was bedeutet Qualität in der Online-Wissenschaftskommunikation?

Eine digitalisierte Medienlandschaft bietet Chancen, Wissenschaft sichtbarer zu machen und Zugänge zu erleichtern. Gleichzeitig gehen damit auch Risiken einher, was die Qualitätskontrolle von Wissenschaftskommunikation betrifft: Nicht alle Inhalte genügen journalistischen oder wissenschaftlichen Standards und für das Publikum ist es mitunter schwer, Quellen auf ihre Glaubwürdigkeit zu prüfen. Wie kann die Qualität von Online-Wissenschaftskommunikation beurteilt werden? Mit dem Ziel, einen Qualitätsrahmen zu entwickeln und Strategien zu formulieren, haben Birte Fähnrich von der Freien Universität Berlin, Emma Weitkamp von der University of the West of England und J. Frank Kupper von der Vrije Universiteit Amsterdam Expert*innen im Bereich der Wissenschaftskommunikation befragt. Sie wollten wissen, welche Kriterien eine Rolle spielen sollten, wie sich diese von Plattform zu Plattform unterscheiden – und inwiefern sie sich von der Bewertung traditioneller Formen von Wissenschaftskommunikation unterscheiden. 

Methode: Die Forscher*innen befragten Expert*innen, die zu Wissenschaftskommunikation in digitalen Kontexten und zur Qualität von Wissenschaftskommunikation publiziert hatten. An der ersten anonym mit dem Tool SoSci Survey durchgeführten Befragungswelle zwischen November 2019 und Januar 2020 nahmen 26 Personen teil, an der zweiten Welle zwischen Mai und Juni 2020 nahmen 19 teil. Die Befragten kamen aus 17 verschiedenen Ländern. Zwei Drittel waren Professor*innen, ein Drittel Doktorand*innen, Postdoktorand*innen oder Assistenzprofessor*innen. 

Die Ergebnisse zeigen, dass die befragten Expert*innen sehr unterschiedliche Sichtweisen auf Qualitätskriterien für Online-Wissenschaftskommunikation haben.
Die Fragebögen umfassten offene und in der zweiten Welle auch standardisierte Fragen. Die Expert*innen wurden unter anderem gebeten, digitale Wissenschaftskommunikation zu definieren und zukünftige Entwicklungen zu skizzieren, Qualitätskriterien zu benennen und eine Einschätzung zur Ableitung von Standards zu geben. Der zweite Fragebogen versuchte außerdem, die ersten Ergebnisse zusammenzufassen und zu reflektieren. Die Expert*innen wurden gebeten, die Ergebnisse der ersten Befragung einzustufen, Qualitätskriterien zu ergänzen und die Interpretationen der Studienautor*innen zu kommentieren. Außerdem sollten sie verschiedene Settings von Online-Wissenschaftsdiskussion diskutieren.  

Zur Analyse der gesammelten Daten nutzten die Studienautor*innen den von Adele E. Clarke entwickelten Ansatz der Situationsanalyse, der sich auf die Grounded Theory stützt und es ermöglichen soll, komplexe soziale Phänomene („Situationen“) zu erforschen. Dabei werden verschiedene Arten von „Landkarten“ (Situational Maps, Social World/Arena Maps, Positional Maps) entwickelt, um die Daten zu analysieren und zu interpretieren. Die Forscher*innen reduzierten die Antworten der Expert*innen zuerst auf die zentralen Aussagen zu Qualitätskriterien und stellten diese ungeordnet in einer Landkarte zusammen. In den folgenden Schritten wurden die Elemente in verdichteter Form zusammengefasst und immer weiter strukturiert, bis eine geordnete Form entstand. 

Ergebnisse: Die Ergebnisse zeigen, dass die befragten Expert*innen sehr unterschiedliche Sichtweisen auf Qualitätskriterien für Online-Wissenschaftskommunikation haben. Die Forscher*innen erstellten auf Grundlage der Befragung eine umfangreiche Liste von mehr als 50 Kriterien, die die Expert*innen als relevant erachteten. Einerseits wurden dabei „traditionelle“ Kriterien des Wissenschaftsjournalismus oder der Wissenschaft betont (z. B. Genauigkeit, Objektivität oder Transparenz). Gleichzeitig wurde anerkannt, dass die Veränderungen der öffentlichen Kommunikation erforderten, traditionelle Qualitätsstandards zu überdenken.

Aufgrund der Vielfalt der Antworten verzichteten die Studienautor*innen darauf, einen Katalog fester Qualitätskriterien zu entwickeln, sondern schlugen stattdessen Metakriterien für die Qualitätsbewertung vor. Diese sollen einen flexiblen Qualitätsrahmen bilden, um Kommunikation innerhalb des komplexen und sich verändernden Ökosystems der Wissenschaftskommunikation zu bewerten. 

Metakriterien: 

  1. Inhaltskriterien beziehen sich auf die Eigenschaften von Informationen und umfassen Aspekte wie Genauigkeit, Objektivität, Vollständigkeit, Wahrhaftigkeit und Relevanz. Letztere wird als kontextabhängig betrachtet. 
  2. Präsentationskriterien beziehen sich auf die Vermittlung wissenschaftlicher Inhalte und schließen sprachliche Merkmale wie Lesbarkeit, Verständlichkeit, Framing und visuelle Darstellung ein.
  3. Bei den technischen Kriterien spielt eine Rolle, dass auf Spezifika von Plattformen eingegangen wird (z. B. unterschiedliche Standards auf Social-Media-Plattformen wie Facebook oder Reddit) und Möglichkeiten zur Interaktivität gegeben werden. 
  4. Kontextkriterien befassen sich mit den institutionellen und ethischen, aber auch mit den politischen und sozialen Rahmenbedingungen der Wissenschaftskommunikation im Internet. Sie umfassen aber auch Aspekte wie den Zweck oder die Motivation für die Kommunikation sowie die Legitimität, Expertise und Reputation von Quellen. Zu den Kontextkriterien zählen auch Klarheit und Transparenz der Kommunikation. 
  5. Verfahrenskriterien beziehen sich auf Aspekte der Planung und Produktion von (strategischer) Wissenschaftskommunikation, unter anderem auf die Definition von Zielen, Aspekte der Evaluation oder den professionellen Einsatz von Kommunikationsinstrumenten.

Die Expert*innen betonten, dass Qualitätsbewertungen die Kenntnis des Kontexts des jeweiligen Wissenschaftskommunikationssettings erfordert. Bei der Befragung wurden sie gebeten, zwei von sieben unterschiedlichen Settings (Universitätswebsite, Twitter-Thread eines Forschenden, staatliche Kampagne zur öffentlichen Gesundheit, Blog von Umweltaktivist*innen, Influencer auf Instagram, Wissenschafts-Podcast einer Tageszeitung) hinsichtlich angemessener Qualitätskriterien zu vergleichen. Bei der Universitätswebseite wurden Inhalts- und Kontextkriterien als am wichtigsten erachtet, insbesondere Transparenz über die Finanzierung der Forschung sowie eine wahrheitsgetreue Darstellung. Bei der Regierungskampagne wurden die Präsentationskriterien als besonders wichtig eingestuft. Dabei zeigte sich ein Widerspruch: Einerseits empfanden es die Expert*innen als herausfordernd, Qualitätsanforderungen für unterschiedliche Settings zu identifizieren, andererseits lehnten sie die Idee zu verallgemeinernder Kriterien weitgehend ab. Die Expert*innen wählten eher traditionelle situative Settings aus. Kaum thematisiert wurden der Blog der Umweltaktivist*innen und der Instagram-Post. 

Die Expert*innen vertraten unterschiedliche oder sogar widersprüchliche Positionen gegenüber der Frage, wie Qualitätsindikatoren gefördert, vermittelt oder gesichert werden können.
Die Expert*innen vertraten unterschiedliche oder sogar widersprüchliche Positionen gegenüber der Frage, wie Qualitätsindikatoren gefördert, vermittelt oder gesichert werden können. Die Antworten reichten von direkter Intervention (z. B. „Faktenprüfung“, Zusammenarbeit mit/Regulierung von Plattformen) über Selbstregulierung (z. B. Qualitätsstandards als Instrumente der Selbstreflexion) bis zu Anreizen (Förderung einer Kultur, in der Ergebnisse offen diskutiert und kritisiert werden können). Argumentiert wurde auch, dass die verstärkte Ausbildung von Wissenschaftler*innen in der Wissenschaftskommunikation und die wachsende Bedeutung von Öffentlichkeitsarbeit und öffentlichem Engagement bei der Forschungsfinanzierung und -bewertung zur Verbesserung der Standards beitragen würde. 

Die Verantwortung für die Förderung der Qualität der Wissenschaftskommunikation verorteten die Expert*innen unter anderem bei der Regierung, der Gesellschaft und den Social-Media-Unternehmen. Es sei notwendig, gesellschaftliche Diskurse über ethische Anforderungen und Regulierung der Social-Media-Kommunikation zu führen und die digitale Kompetenz zu fördern. 

Auf der Mesoebene verwiesen die Expert*innen auf Berufsverbände, Wissenschaftskommunikationsgesellschaften und -verbände sowie wissenschaftliche Institutionen. Auf der Mikroebene sehen die Expert*innen Wissenschaftskommunikationsfachleute und Wissenschaftler*innen und auch Lai*innen, die Wissenschaft vermitteln, in der Pflicht. Wissenschaftler*innen sollten zur Qualität der Wissenschaftskommunikation beitragen, indem sie ein konzeptionelles Verständnis fördern und empirische Evidenz liefern, um die Entwicklung der Praxis der Wissenschaftskommunikation zu beobachten und zu reflektieren.

Schlussfolgerungen: Einige der auf Grundlage der Befragung entwickelten Kriterien zur Bewertung von Online-Wissenschaftskommunikation decken sich mit Maßstäben zur Beurteilung klassischer Formen des Wissenschaftsjournalismus. Allerdings scheinen einige Aspekte an Bedeutung gewonnen zu haben – beispielsweise Präsentationskriterien. 

Einige Ergebnisse waren für die Studienautor*innen überraschend – beispielsweise, dass neue digitale Settings wenig berücksichtigt wurden und sich die Expert*innen auf gut untersuchte Umgebungen der Wissenschaftskommunikation wie Journalismus und PR statt auf die Kommunikation von Influencer*innen konzentrierten. Die Studienautor*innen erkennen deshalb eine Reflexionslücke im Bereich „neuer“ digitaler Settings der Wissenschaftskommunikation. Diese aber stellten die größten Herausforderungen für die Qualitätssicherung dar und verdienten besondere Aufmerksamkeit. 

Bei der Frage, ob Qualitätskriterien überhaupt ermittelt werden können, zeigten sich deutliche Meinungsunterschiede. Einige Teilnehmer*innen bestanden darauf, dass es wegen der Kontextabhängigkeit nahezu unmöglich sei, einen verallgemeinerten Satz von Kriterien zu identifizieren. Aus diesem Grund präsentieren die Studienautor*innen einen möglichst flexiblen Qualitätsrahmen,. Hinsichtlich der Strategien zur Umsetzung der Kriterien waren sich die befragten Expert*innen einig, dass nicht nur Bildung, sondern auch Reflexion und Sensibilisierung innerhalb der Community der Wissenschaftskommunikation erforderlich seien. Sie betonten dabei auch die Bedeutung der Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Praxis zur Evaluation des Qualitätsdiskurses. 

Einschränkungen: Der Entwicklung des Qualitätsrahmens beruht auf den Annahmen einer begrenzten Anzahl von Expert*innen, Bewertungen von Nutzer*innen sind dabei nicht eingeflossen.

Fähnrich, B., Weitkamp, E., & Kupper, J. F. (2023). Exploring ‘quality’ in science communication online: Expert thoughts on how to assess and promote science communication quality in digital media contexts. Public Understanding of Science, 0(0). https://doi.org/10.1177/09636625221148054

Zwischen Burnout und Ausbeutung: die Situation des Wissenschaftsjournalismus

Sowohl in den USA als auch in anderen Ländern haben strukturelle Veränderungen im Wissenschaftsjournalismus dazu geführt, dass feste Jobs abgebaut werden und weniger  spezialisierte Journalist*innen in dem Feld arbeiteten, schreiben Josh Anderson von der University of Texas at Austin und Anthony Dudo von der University of Wisconsin-Madison. Die beiden Wissenschaftler haben qualitative Interviews mit Wissenschaftsjournalist*innen geführt, um besser zu verstehen, was diese trotz der schwierigen Umstände motiviert, in dem Bereich zu arbeiten. Sie wollten außerdem wissen, vor welchen Herausforderungen Wissenschaftsjournalist*innen stehen – beispielsweise in Bezug auf die Kommunikation mit dem Publikum, wissenschaftliche Fehlinformationen und das Vertrauen in Wissenschaft.

Methode: Die Forscher führten im März und April 2022 19 halbstrukturierte Interviews mit Wissenschaftsjournalist*innen – eines davon per E-Mail, die anderen über eine Videokonferenzsoftware. Dreizehn der Befragten gaben an, hauptsächlich für ein Printmedium zu arbeiten, sechs für ein Audiomedium. Die Wissenschaftsjournalist*innen wurden gebeten, ihre Beziehungen zu den Quellen, ihre Erfahrungen im Beruf, ihre Arbeitsweise und Perspektiven auf aktuelle Themen (z. B. Desinformationen, Vertrauen in Wissenschaft) zu beschreiben. Nach den ersten Interviews wurden zwei neue Themen einbezogen: die Vielfalt von Quellen und zusätzliche Arbeit, die Journalist*innen abseits von der direkten Produktion einer Geschichte leisten (z. B. Nutzung von Social Media und Reputationsmanagement). In der ersten Codierungsrunde untersuchte der Erstautor die Interviewdaten auf Themen aus der bisher publizierten Fachliteratur. Die Autoren diskutierten diese Themen und erstellten in einer zweiten Codierungsrunde Typologien von Themen, um sie miteinander in Verbindung zu setzen und deren breitere Bedeutung zu verstehen. 

Ergebnisse: 

1.) Herausforderungen im Zusammenhang mit strukturellen Veränderungen

  • Keine*r der Befragten äußerte sich optimistisch über die aktuelle Situation des Berufszweiges.
  • Als gegenwärtige Herausforderung benannten die meisten den Wegfall fester Jobs und den Anstieg an freiberuflicher Arbeit. 
  • Als Problem freiberuflicher Arbeit wurden unter anderem die geringen Honorare, ein höheres Arbeitspensum und zusätzliche Arbeit durch Akquise und Vermarktung genannt. Qualitativ hochwertigen Wissenschaftsjournalismus zu betreiben sei als Freelancer eine größere Herausforderung als in einem festen Job. 

2.) Herausforderungen in Bezug auf die Kommunikation mit dem Publikum

  • Als großes Problem wurde der Vertrauensverlust in wissenschaftliche und journalistische Institutionen – vor allem als Folge von Desinformation – identifiziert. Vor allem Journalist*innen lokaler Medien berichteten über die Schwierigkeiten, die sich aus diesem Vertrauensverlust ergeben. 

3.) Herausforderungen im Zusammenhang mit wissenschaftlichen Fehlinformationen

  • Eine Herausforderung sei, mit einer Öffentlichkeit zu kommunizieren, die sich einer sachlichen Darstellung wissenschaftlicher Informationen widersetzte und bereit sei, zirkulierenden Fehlinformationen und Verschwörungsmythen zu glauben. Viele Fehlinformationen würden absichtlich verbreitet, um politische Ziele durchzusetzen. 
  • Die Befragten zeigten sich besorgt über neue Akteur*innen, die keinen professionellen Journalisten Hintergrund haben. 
  • Es wurde aber erwähnt, dass Fehlinformationen auch von Journalist*innen verbreitet werden, die keine Spezialist*innen auf bestimmten Gebieten sind – oder einen falschen Eindruck von Themen erwecken, indem sie einander nicht gleichwertige Positionen zu einem Thema gegenüberstellen (False Balance). 

4.) Weitere Herausforderungen

  • Viele der interviewten Journalist*innen berichteten von Burnout-Symptomen aufgrund der enormen Arbeitsbelastung sowie von schrumpfenden Gehältern. Die Belastung sei einerseits institutionell bedingt, habe aber auch konkret mit der Berichterstattung über wissenschaftliche Themen zu tun. Schwierig sei beispielsweise die Konfrontation mit einem feindseligen Publikum bei Themen wie Covid-19. Bei den befragen Journalist*innen, die regelmäßig über den Klimawandel berichten, zeigten sich Burnout-Symptome besonders deutlich. Viele beschrieben diese als Konsequenz ihrer Bemühungen, seit Jahren über Themen wie Klimawandel oder Umweltbelastungen aufzuklären, ohne dass sich etwas ändere. 

5.) Motivation

  • Als wichtige Motivation dafür, im Wissenschaftsjournalismus zu arbeiten, nannten die Befragten die Bekämpfung von Fehlinformationen und die Förderung von wissenschaftlichem Verständnis in der Gesellschaft. 
  • Andere Gründe haben mit klassischen Funktionen des Journalismus zu tun: wissenschaftliche und staatliche Institutionen für ihre Entscheidungen und deren Konsequenzen zur Rechenschaft ziehen und Menschen zu Wort kommen zu lassen, die im wissenschaftlichen Diskurs traditionell unterrepräsentiert waren. 
  • Eine Reihe von Journalist*innen motivierte das Ziel, in der Berichterstattung über wissenschaftliche Fakten hinauszugehen und zu fragen, was diese für Menschen bedeuten. 
  • Einige Befragte wollen nicht nur Probleme präsentieren, sondern auch über konstruktive Lösungsvorschläge berichten. 

6.) Berufliche Fähigkeiten, Taktiken und Eigenschaften

  • Die Journalist*innen betonen die Bedeutung von Zeugnissen (etwa wissenschaftlichen Abschlüssen) und der Reputation des Mediums, für das sie arbeiten. Beispielsweise würden Interviewanfragen von bekannten Medien eher positiv beantwortet. 
  • Eine formelle wissenschaftliche Ausbildung sowie Erfahrungen in der Forschung wurden als nützlich für die Ausübung des Berufes beschrieben. 
  • Datenkompetenz sei eine wesentliche Voraussetzung, um wissenschaftliche Informationen zu verstehen, zu bewerten und zu kontextualisieren. 
  • Ein weiterer Punkt, der genannt wurde, ist Emotionsmanagement – beispielsweise durch Praktiken der Selbstfürsorge oder dadurch, dass vermieden wird, Kommentarspalten zu lesen. 
  • Zentral sei, in stressigen und überfordernden Umgebungen bestehen zu können. In dieser Hinsicht wird die Bedeutung von Resilienz unterstrichen. 
  • Wichtig sei die Unterstützung durch die Redakteur*innen, aber auch durch freie Netzwerke beschrieben. Für Freelancer scheinen solche professionellen Verbindungen schwieriger zu knüpfen, aber ebenso wertvoll zu sein. 

Schlussfolgerungen: Die Ergebnisse offenbaren eine tiefe Besorgnis über die Zukunft des Berufszweiges. Alle befragten Journalist*innen berichteten von Schwierigkeiten und Herausforderungen in Zusammenhang mit den strukturellen Veränderungen des Journalismus. Es wurde die Angst geäußert, dass dadurch die Qualität des Wissenschaftsjournalismus leiden könnte. 

Die Studienergebnisse zeigen, dass die befragten Journalist*innen von sozialem Verantwortungsgefühl und gesellschaftlichen Idealen angetrieben werden.
Während sich die meisten beschriebenen Herausforderungen auch in der Fachliteratur zum Thema finden, kristallisierten sich in den Interviews zusätzliche Aspekte heraus – unter anderem die intensive, emotionale Belastung, die die meisten der Befragten empfanden. Das Thema „Burnout“ tauchte in fast allen Interviews auf. Viele der Journalist*innen fanden es schwierig, eine feste Anstellung zu finden, und beschrieben Gefühle der Erschöpfung oder Erfahrungen von Feindseligkeit gegenüber ihrer Arbeit. 

Angesichts dieser Situation stellt sich die Frage, was Wissenschaftsjournalist*innen motiviert, in dieser Branche zu arbeiten. Die Studienergebnisse zeigen, dass die befragten Journalist*innen von sozialem Verantwortungsgefühl und gesellschaftlichen Idealen angetrieben werden. Diese reichen von der Stärkung öffentlichen Wissens über die Bekämpfung von Fehlinformationen bis zur Repräsentation einer diverseren Wissenschaft.

Die Ergebnisse unterstreichen die Bedeutung von professionellen, unterstützenden Strukturen und  Netzwerken sowie von Kompetenztrainings beispielsweise im Bereich Social Media. Dass persönliche Resilienz in den Interviews teilweise heroisiert wurde, empfinden die Studienautoren als beunruhigend. Es sei töricht – wenn nicht gar unethisch – die Zukunft des Wissenschaftsjournalismus nur jenen Personen anzuvertrauen, deren journalistische Leidenschaft mit einer übernatürlichen Leidensfähigkeit einhergehe. Sie fordern deshalb, dass Interessengruppen, die den Wissenschaftsjournalismus erhalten wollen, darüber nachdenken, wie die Rahmenbedingungen verbessert werden können. 

Wichtig sei dabei, nicht nur Festangestellte, sondern auch Freiberufler*innen zu adressieren. Die Studienautor*innen verweisen auf einige Organisationen und Initiativen, die Journalist*innen unterstützen: darunter die World Federation of Science Journalists (WFSJ) und die National Association of Science Writers (NASW). 

Einschränkungen: Bei der Interpretation der Ergebnisse muss beachtet werden, dass alle bis auf einen Interviewpartner in den USA leben. Aufschluss darüber, inwiefern sich die Situation in anderen Ländern von der US-amerikanischen unterscheidet, könnten Studien in anderen regionalen Kontexten geben. 

Anderson, J., & Dudo, A. (2023). A View From the Trenches: Interviews With Journalists About Reporting Science News. Science Communication, 0(0). https://doi.org/10.1177/10755470221149156

Mehr Aktuelles aus der Forschung

📚Anfang 2022 gaben mehr als 35 Prozent der Eltern von Grundschulkindern im Vereinigten Königreich an, ihre Kinder wahrscheinlich nicht gegen Covid-19 impfen lassen zu wollen, schreiben Carmen Clayton und Marie Potter von der Leeds Trinity University zusammen mit Sultan Al-Azri und  Ileyas Mogeh von der University of Leeds in einem Paper. Um mehr über die Sorgen und Bedenken von Eltern herauszufinden, haben die Forscher*innen qualitative Interviews geführt. Es zeigte sich unter anderem, dass ihre Gesprächspartner*innen häufig gleichzeitig Argumente für das Impfen als auch gegen das Impfen von Kindern vertreten.

📚 Wie hängt die Teilnahme an Citizen-Science-Projekten zum Thema Biodiversität mit verschiedenen Dimensionen des Vertrauens in die Wissenschaft zusammen? Das hat ein Forschungsteam um Baptiste Bedessem von der Université de Namur in Belgien in einer explorativen Studie untersucht, bei der mehr als Tausend Teilnehmende eines Citizen-Science-Programm in Frankreich befragt wurden. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass partizipationsbezogenes Vertrauen umfassender sein könnte als bildungsbezogenes Vertrauen, da es mehr Dimensionen des wissenschaftlichen Prozesses einbezieht.

📚 Während der Coronapandemie habe sich das Phänomen des Antiintellektualismus immer weiter verbreitet, heißt es in einem Paper eines Forschungsteams um Yingying Chen von der University of South Carolina. Die Forscher*innen haben Tweets untersucht, die sich gegen Anthony Fauci richteten, den ehemaligen Chief Medical Advisor des amerikanischen Präsidenten. Bei ihrer Analyse dieser Tweets als Teil des antiintellektuellen Diskurses in den sozialen Medien stützten sie sich auf das Konzept des wissenschaftsbezogenen Populismus. Das antiintellektuelle Merkmal, das sich am häufigsten zeigte, war die Aberkennung der Motivation von Wissenschaftler*innen. Gestaltet wurde der untersuchte Diskurs von Politiker*innen, konservativen Medien und auch nicht-institutionellen Akteur*innen wie beispielsweise Privatpersonen.

📚 Wie werden Wissenschaftlerinnen in Fernsehserien für Kinder dargestellt? Das haben Jade Soucy-Humphreys, Karina Judd und Anna-Sophie Jürgens von der Australian National University in Canberra am Beispiel der Zeichentrickserien Spongebob Squarepants und Adventure Time untersucht. Sie zeigen, dass Wissenschaft an sich humorvoll dargestellt wird – zum Beispiel durch übertriebene Settings mit riesigen Computerbildschirmen. Die Charakterisierung von Wissenschaftlerinnen hingegen sei sehr wenig humorvoll, sondern stattdessen von archaischen Klischees geprägt. Dazu gehöre beispielsweise, dass die Wissenschaftlerinnen bei ihrer Arbeit auf Intuition statt Rationalität setzen.

📚 In der Coronapandemie sind einige Forscher*innen durch Medienauftritte zu prominenten Persönlichkeiten geworden. Gleichzeitig wurden sie damit auch zur Zielscheibe von Angriffen und Beleidigungen. Daniel Nölleke von der Deutschen Sporthochschule Köln sowie Birte M. Leonhardt und Folker Hanusch von der Universität Wien haben mit österreichischen Forscher*innen aus der Medizin über ihre Erfahrungen mit den Folgen von Medienauftritten gesprochen. Ihre Analyse zeigt, dass viele von ihnen negative Rückmeldungen über Online-Kanäle bekommen haben. Trotzdem ziehen sie such nicht aus der Öffentlichkeit zurück. Ein Grund dafür ist, dass sie den gesellschaftlichen Bedürfnissen nach Informationen gerecht werden wollen.

📚 Journalistische Artikel sind eine wichtige Informationsquelle zum Klimawandel. Bisher gäbe es jedoch wenig Forschung dazu, wie Medien in einkommensschwächeren Ländern über das Thema berichten, schreiben Ernesto Abalo und Ulrika Olausson von der Universität Jönköping in Schweden. Die beiden Forscher*innen haben Artikel aus englischsprachigen Zeitungen in Pakistan analysiert, einem Land, das stark von der Klimakrise betroffen ist. Die Untersuchung zeigt, dass die Klimawandel-Berichterstattung in den letzten zehn Jahren substanziell zugenommen hat. Verglichen mit anderen Ländern aber erfahre das Thema in Pakistan immer noch wenig Beachtung, schreiben die Forscher*innen und empfehlen, dem Klimawandel in den Medien eine stärkere Bedeutung beizumessen.