Warum die Begegnung mit Forschenden für Gäste eines Science-Festivals wichtig ist, Gentechnik-Gegner ihr Wissen zum Thema überschätzen und der Ausdruck „Krieg gegen die Wissenschaft“ ungünstig ist: Das sind die Themen im aktuellen Forschungsrückblick.
Kurz vorgestellt: Neues aus der Forschung im Januar 2019
In dieser Rubrik besprechen wir regelmäßig neue Ergebnisse aus der Forschung zur Wissenschaftskommunikation. Sollten Sie etwas vermissen, schreiben Sie uns gerne eine E-Mail oder hinterlassen Sie einen Kommentar.
„Forschende zum Anfassen“ werten Science-Festivals auf
Auf Science-Festivals – auch Wissenschaftsmärkte genannt – lernt das Publikum an Messeständen und bei Aktionen viel über wissenschaftliche Phänomene und aktuelle Forschungsergebnisse. Oft besteht dabei auch die Möglichkeit, mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in persönlichen Kontakt zu treten. Ob durch solche Begegnungen der Besuch eines solchen Festivals insgesamt aufgewertet wird, haben Todd Boyette und Ross Ramsey von der University of North Carolina in einer neuen Studie untersucht.
Methodik: Die Forscher werteten eine schriftlich Befragung von 5.498 Personen aus, die eins von 14 Science-Festivals in den USA besucht und währenddessen den Fragebogen ausgefüllt hatten. Neben demografischen Angaben wurden unter anderem erfasst, welche Einstellung die Teilnehmenden zur Wissenschaft haben, wie gut ihnen das Event gefiel und ob sie dort direkten Kontakt mit einer Person hatten, die in der Wissenschaft arbeitet. Die Befragung war Teil eines Projekts zur landesweiten Evaluation von Wissenschaftsmärkten (EvalFest).
Ergebnisse: Vier von fünf Gästen bewerteten den Besuch des Festivals als positiv oder sehr positiv – sowohl im Hinblick darauf, wieviel Spaß sie hatten, als auch darauf, ob sie etwas Neues gelernt und Inspiration gefunden hatten. Wer persönlich mit Forschenden interagiert hatte, vergab mit doppelt so hoher Wahrscheinlichkeit jeweils die Bestnote für die verschiedenen Fragen.
Schlussfolgerungen: Wissenschaftliche Laien schätzen den direkten Kontakt zu Forschenden. Für den Erfolg von Science-Festivals ist es deshalb wichtig, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler für die Teilnahme und die Präsentation ihrer Arbeit auf diesen Events zu begeistern. Frühere Studien hatten bereits gezeigt, dass persönliche Begegnungen insbesondere dabei helfen, veraltete und unzutreffende Klischees über Forschende abzubauen.
Einschränkungen: Es wurde nicht kontrolliert, wie genau die Befragungs-Teams die Probandinnen und Probanden auf den Festivals auswählten, und es ist auch nicht protokolliert, wie viele der Angesprochenen die Teilnahme an der Umfrage verweigerten. Es könnte daher sein, dass vor allem solche Personen in der Stichprobe fehlen, denen das Event nicht gut gefallen hat, weshalb das Ergebnis nicht auf alle Besucherinnen und Besucher generalisiert werden kann.
Extreme Gegner grüner Gentechnik wissen am wenigsten darüber
Der Dunning-Kruger-Effekt besagt, dass Menschen, die von einem Thema wenig Ahnung haben, ihren Kenntnisstand am stärksten überschätzen. Experten dagegen können besser einschätzen, was sie alles nicht wissen. Im Fall der grünen Gentechnik geht eine solche Selbstüberschätzung des eigenen Wissensstands – bei gleichzeitig eher geringer Informiertheit – mit extremen Einstellungen gegenüber dieser Technologie einher, wie nun eine Studie von Forschenden um Philip Fernbach von der University of Colorado Boulder ergab.
Methodik: Die Forschenden befragten in der Hauptstudie 1.000 Probandinnen und Probanden, die repräsentativ für die US-Bevölkerung nach Geschlecht, Bildungsabschluss, Einkommen und ethnischer Abstammung waren. Die Hälfte von ihnen wurde zu ihren Einstellungen zum Thema grüne Gentechnik befragt, die andere Hälfte zu ihrer Meinung über den Klimawandel. Zudem sollten sie auf einer Skala einschätzen, wie gut sie sich ihrer Meinung nach mit dem jeweiligen Thema auskennen, und anschließend bei einem Test ihr wissenschaftliches Wissen unter Beweis stellen. Dazu mussten sie 15 Statements als wahr oder falsch einstufen (zum Beispiel „Elektronen sind kleiner als Atome“ oder „Alle Pflanzen und Tiere haben eine DNA“). In weiteren Teilstudien weiteten die Forschende die Umfrage auf andere Länder und Themengebiete aus.
Bei einer weiteren Umfrage zur medizinischen Gentherapie fand sich dasselbe Muster wie bei der Befragung zur grünen Gentechnik, auch wenn hier die Ablehnung generell etwas schwächer ausfiel. Eine Studie mit ähnlicher Methodik in Frankreich und Deutschland, wiederum zu gentechnisch veränderten Lebensmitteln, brachte ein vergleichbares Ergebnis wie die ursprüngliche Umfrage in den USA.
Schlussfolgerungen: Beim Wissen über Gentechnik gibt es dieser Studie zufolge – in den USA, Deutschland und Frankreich – den bekannten Dunning-Kruger-Effekt: Wer am wenigsten über das Thema weiß, glaubt selbst, am meisten Ahnung zu haben. Gleichzeitig gehen geringe Kenntnisse mit einer stärkeren Ablehnung dieser Technologie einher. Daraus folgt auch, dass Information und Aufklärung bei den am negativsten eingestellten Personen kaum fruchten werden, da sie mehrheitlich davon überzeugt sind, schon genug über das Thema zu wissen.
Einschränkungen: Der Effekt war, insbesondere was das schwächere objektive Wissen der Gentechnik-Gegner angeht, nicht sehr stark ausgeprägt (und in Deutschland und Frankreich war der Trend wiederum schwächer als in den USA). Deutlicher war in allen Stichproben die zunehmende Selbstsicherheit in Bezug auf das eigene Wissen, die mit stärkerer Ablehnung von Gentechnik einherging. Wie üblich handelt es sich um Durchschnittswerte, das heißt, längst nicht alle Gegner der grünen Gentechnik verfügen über nur geringe wissenschaftliche Kenntnisse.
Warum „Krieg gegen die Wissenschaft“ eine problematische Formulierung ist
Anfang 2017 – kurz nach dem Amtsantritt Donald Trumps – begannen viele liberale Medien in den USA von einem „Krieg gegen die Wissenschaft“ („War on science“) zu reden, den die neue US-Regierung führe.1 Ein Forschungsteam um Bruce Hardy von der Temple University in Philadelphia untersuchte nun, welchen Effekt diese eher martialisch anmutende Formulierung auf Anhänger der beiden politischen Parteien hat.
Methodik: 1.024 Probandinnen und Probanden lasen einen Blogartikel in einer von vier Varianten, bei denen sowohl Titel als auch Inhalt leicht unterschiedlich waren: Die erste war mit „The War on Science!“ überschrieben, die anderen mit „The Challenge for Science“ the „The Neglect of Science“. Zudem gab es einen Kontrolltext über ein anderes Thema („Who Invented Baseball?“). Anschließend wurden die Versuchspersonen unter anderem gefragt, wie aggressiv sie den Text fanden und für wie glaubwürdig und politisch unabhängig sie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern im Allgemeinen halten.
Ergebnisse: Politisch liberal und konservativ eingestellte Testpersonen bewerteten den Artikel unter dem Titel „War on Science“ als gleichermaßen aggressiv. Nur bei den konservativen Probandinnen und Probanden aber, die diesen Text gelesen hatten, zeigte sich: Sie hielten Forschende für umso weniger glaubwürdig, je aggressiver sie den Artikel empfunden hatten. Davon abgesehen schätzten Anhänger der Republikaner Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler insgesamt als weniger glaubwürdig ein – gleich, welchen Blogartikel sie gelesen hatten.
Schlussfolgerungen: Die politische Polarisierung der US-Bevölkerung wächst. Formulierungen wie „Krieg gegen die Wissenschaft“ können, wenn sie als aggressiv wahrgenommen werden, diese Spaltung offenbar verstärken. Konservative sähen sich dadurch womöglich herausgefordert und reagierten mit stärkerer Ablehnung von Wissenschaft, schreiben Hardy und sein Team. Allerdings gab es auch keine Anzeichen dafür, dass die beiden anderen Formulierungen („Herausforderung“ und „Vernachlässigung“) einen positiven Effekt auf konservative Versuchspersonen gehabt hätten.
Einschränkungen: Generell gab es nur geringe Effekte der verschiedenen Blogartikel darauf, wie glaubwürdig und unabhängig die Versuchspersonen aus den beiden Lagern die Wissenschaft einschätzen. Das zeigt, dass die Meinungen entlang der politischen Linien sehr gefestigt sind. Um überzeugend nachzuweisen, dass aggressive Sprachbilder bei Parteigängern der einen oder anderen Seite quasi das Gegenteil des Gewünschten erreichen, sind daher noch andere Maße und Interventionen nötig.