Foto: Drew Hays, CC0 1.0

Kurz vorgestellt: Neues aus der Forschung im Februar 2017

Kann Citizen Science zu einer größeren Beschäftigung von Bürgern mit Wissenschaft führen? Dürfen sich Wissenschaftler nur politisch neutral äußern? Wie wird in spanischen Medien über Ebola gesprochen? Diesen drei Fragen widmen sich die Studien, die wir in unserem Forschungsrückblick für den Februar vorstellen.

In dieser Rubrik besprechen wir regelmäßig neue Forschungsergebnisse aus der „Science of Science Communication“. Wenn Sie etwas vermissen, dann schreiben Sie uns gerne eine Email oder hinterlassen Sie einen Kommentar.

Mehr Citizen Science = mehr Teilhabe an Wissenschaft?

Führt Citizen Science zu einer höheren Teilhabe der Öffentlichkeit an Wissenschaft? Oder anders formuliert: Beschäftigen sich Bürger mehr mit Wissenschaft (“Public Engagement”), wenn sie aktiv an Forschung mitwirken wollen (“Public Participation”)? Diese Frage stellt sich Victoria Martin (Southern Cross University, Australien) in ihrem Aufsatz “Citizen Science as a Means for Increasing Public Engagement in Science: Presumption or Possibility?”.

Methode: Basis der Studie ist eine Onlineumfrage unter 1.145 Australiern von Anfang 2015. Ausgewählt wurden dafür per Schneeballprinzip potenzielle Nutzer australischer Küstengewässer wie Freizeitfischer oder Surfer. Gefragt wurde, ob und wie sie sich über Wissenschaft informieren und sich an einem Citizen-Science-Projekt im Bereich Meeresforschung beteiligen würden. Unter den Teilnehmern wurden zudem verschiedene Gewinne verlost. Zur Auswertung unterteilte Martin die Teilnehmer in sechs Gruppen, je nachdem wie viel sie sich über Wissenschaft informierten.

Ergebnisse: Eine Mehrheit der Befragten kann sich vorstellen bei Citizen-Science-Projekten mitzuarbeiten. Die Bereitschaft sich zu beteiligen ist aber abhängig vom Interesse an Wissenschaft. Je höher der Bildungsgrad wiederum, desto höher auch das Interesse.

Nach konkreten Beteiligungsformen gefragt, habe sich diese Beobachtung bestätigt: Personen, die sich nur wenig mit Wissenschaft beschäftigen, konnten sich lediglich vorstellen, beim Sammeln von Daten zu helfen. Je mehr sich die Befragten über Wissenschaft informierten, desto eher konnten sie sich auch vorstellen, etwa bei Datenanalysen oder auch bei der Forschungsplanung mitzuwirken.

Schlussfolgerungen: Für die Forscherin legen ihre Ergebnisse nahe, dass Bürgerwissenschaft vor allem jene Bürger anspricht, die sich sowieso schon viel mit Wissenschaft beschäftigen. Es sei hingegen schwierig, Leute mit einem geringen Interesse an Wissenschaft zu erreichen, und entsprechend unwahrscheinlich sei es, ihre Einstellung zur Wissenschaft auf diesem Weg zu ändern. Damit bestätigten sich die Ergebnisse vorheriger Studien. Um dies zu ändern, müssten Citizen-Science-Projekte aktiver auf Gruppen mit einem geringeren Interesse an Wissenschaft zugehen und die Hürden für eine Beteiligung so niedrig wie möglich legen.

Einschränkungen: Laut der Forscherin hat die Studie zwei wichtige Einschränkungen: Zum einen lag der thematische Fokus auf Meeresforschung in Australien und ist somit nicht per se auf andere Themen und Kontexte übertragbar. Zum anderen könnten die Auswahl der Befragten und die Kombination der Umfrage mit einem Gewinnspiel die Zusammensetzung der Teilnehmer verzerrt haben. Darüber hinaus stellt auch diese Studie “nur” statistische Korrelationen fest. Wir wissen also nicht, ob es noch weitere Faktoren gibt, die ein Engagement oder eine Beteiligung an Forschungsaktivitäten erhöhen. Ebenso ist die Ursache geringer oder hoher Beteiligung unbekannt. Es wäre etwa denkbar, dass sich Menschen mit niedriger Bildung weniger mit Wissenschaft beschäftigen, weil sie mehr Zeit zum Bestreiten ihres Lebensunterhalts brauchen. Ebenfalls nicht beantwortet wird die Frage, ob die Teilnahme an einem Citizen-Science-Projekt Einstellungen zur Wissenschaft ändern kann.

 Martin, V.Y., 2017. Citizen Science as a Means for Increasing Public Engagement in Science: Presumption or Possibility? Science Communication 107554701769616. doi:10.1177/1075547017696165


Glaubwürdigkeit auch ohne politische Neutralität

Wissenschaftler sollten sich mit politischen Handlungsempfehlungen zurückhalten, wenn sie nicht ihre eigene Glaubwürdigkeit aufs Spiel setzen wollen. Mit dieser These setzen sich John E. Kotcher und seine Co-Autoren von der George Mason University (Fairfax, Virginia) in ihrem Artikel “Does Engagement in Advocacy Hurt the Credibility of Scientists?” auseinander.

Methode: Das Forscherteam führte ein Online-Experiment mit 1235 Personen durch. Die Auswahl der Teilnehmer war repräsentativ für die Bevölkerung der USA. Nach dem Zufallsprinzip wurde den Befragten eine von zwei fiktiven Biografien eines Wissenschaftlers und im Anschluss einer von sechs Facebook-Posts angezeigt. In diesen positionierte sich der Wissenschaftler politisch unterschiedlich stark zu einem Forschungsergebnis im Bereich der Klimaforschung – von einem neutralen Hinweis auf das Ergebnis bis zur Empfehlung konkreter Maßnahmen. Danach wurden die Probanden gebeten, den fiktiven Wissenschaftler und seine Aussagen zu bewerten.

Ergebnisse: Die Autoren antworten auf vier Forschungsfragen.

  1. Führen stärkere politische Handlungsempfehlungen zu geringerer Glaubwürdigkeit?
    Die Glaubwürdigkeit des fiktiven Wissenschaftlers litt nur dann, wenn er in seinem Facebook-Post für mehr Atomkraftwerke zur Bekämpfung des Klimawandels plädierte. Forderte er hingegen die Begrenzung des CO2-Ausstoßes von Kohlekraftwerken oder äußerte sich neutraler, dann schätzten die Probanden seine Glaubwürdigkeit ungefähr gleich hoch ein.
  2. Wirkt sich die Positionierungen eines einzelnen Klimawissenschaftlers auf die Wahrnehmung des gesamten Forschungsbereichs aus?
    Hier haben die unterschiedlichen Botschaften ebenfalls keine Auswirkung: Die Glaubwürdigkeit der Klimaforschung wurde unabhängig vom jeweiligen Statement ähnlich hoch eingeschätzt. Die Befragten verändern zudem auch nicht ihre Haltung bezüglich der Finanzierung von Klimaforschung.
  3. Beeinflusst die eigene politische Weltsicht die Beurteilung von Handlungsempfehlungen?
    Es ließ sich zwar feststellen, dass Konservative im Vergleich mit Liberalen die Klimaforschung allgemein als weniger glaubwürdig einschätzen. Die unterschiedlichen Positionierungen des Wissenschaftlers scheinen aber darauf keine Auswirkungen zu haben.
  4. Macht es einen Unterschied, ob sich ein universitärer Wissenschaftler oder der Chefmeteorologe einer lokalen Fernsehstation äußert?
    Der berufliche Hintergrund des fiktiven Wissenschaftlers hat ebenfalls keinen Effekt auf die wahrgenommene Glaubwürdigkeit gehabt.

Schlussfolgerungen: Für die Autoren legen die Ergebnisse nahe, dass Wissenschaftler durchaus politische Handlungsempfehlungen abgeben können, ohne damit ihre Glaubwürdigkeit zu gefährden. Dabei sollten sie aber im Auge behalten, dass der konkrete Inhalt – in der Studie die Forderung nach mehr Atomkraftwerken – durchaus negative Auswirkungen haben kann und etwa Konservative der Klimaforschung per se mit mehr Skepsis begegneten. Insgesamt sei fraglich, ob andere Faktoren die Glaubwürdigkeit stärker beeinflussen.

Einschränkungen: Die Beschränkung auf ein Forschungsfeld und kurze, fiktive Facebooks-Posts als Stimulus schränkt die Übertragbarkeit der Ergebnisse ein. Es ist durchaus denkbar, dass sich bei anderen Kommunikationsformen und -inhalten auch andere Effekte gezeigt hätten.

 Kotcher, J.E., Myers, T.A., Vraga, E.K., Stenhouse, N., Maibach, E.W., 2017. Does Engagement in Advocacy Hurt the Credibility of Scientists? Results from a Randomized National Survey Experiment. Environmental Communication 1–15. doi:10.1080/17524032.2016.1275736


Ebola in den (Sozialen) Medien

Nahia Idoiaga Mondragon, Lorena Gil de Montes und Jose Valencia von der Universität des Baskenlandes (Spanien) untersuchten in ihrer Studie “Ebola in the Public Sphere: A Comparision Between Mass Media and Social Networks”, wie in unterschiedlichen Medien über Ebola gesprochen wird.

Methode: Die drei Wissenschaftler führten eine lexikalische Analyse spanischsprachiger Zeitungsartikel und Tweets zum Ebola-Ausbruch 2014 durch. Dabei wurde in einem ersten Schritt erfasst, welche Wörter häufig in einer Textsammlung zusammen auftauchen. Daraus werden dann so genannte Elementare Kontexteinheiten gebildet, die jeweils 30-50 Wörter lang sind, und zwar so, dass sich diese Einheiten möglichst wenig überschneiden. Auf diese Weisen sollen die inhaltlichen Grundstrukturen des Diskurses identifiziert werden. Im letzten Schritt werden die Kontexteinheiten durch die Forscher anhand ihres Inhaltes zu größeren thematischen Gruppen zusammengefasst. In der vorliegenden Studie lautet das Thema solch einer Gruppe zum Beispiel “Ebola-Verdachtsfälle in Spanien”. Das Forscherteam analysierte auf diese Art 700 Artikel der spanischen Zeitung El País und 28.760 Tweets aus Spanien, die zwischen März und November 2014 veröffentlicht wurden und in denen das Wort Ebola auftauchte.

Ergebnisse: In den Zeitungsartikeln haben sich laut Mondragon und Kollegen zwei große Diskurscluster herausgebildet: Zum einen die globale Dimension von Ebola und zum anderen die Auswirkungen auf Spanien. Im zweiten Cluster dominiert dabei der Fall Teresa Romero ‒ die erste Person, die sich in Europa mit Ebola infizierte ‒ und im Zusammenhang damit das Versagen der spanischen Politik beim Schutz der eigenen Bevölkerung. Dem Tenor der Berichte nach, sind allein ‘westliche Politiker’ und die Wissenschaft in der Lage die Seuche zu stoppen.

In den untersuchten Tweets hätten sich auch zwei große Cluster identifizieren lassen. Im ersten sind ebenfalls das Missmanagement der spanischen Politik und der Fall Teresa Romero bedeutend gewesen. Zusätzlich ist hier aber noch Kritik an der vermeintlich einseitigen Medienberichterstattung geübt und zum kollektiven Kampf gegen Ebola aufgerufen worden. Der zweite Cluster besteht hingegen aus Tweets zur Rückholung infizierter spanischer Missionare und zu Verdachtsfällen in Spanien. Dabei sind dort auch moralische Debatten geführt worden, etwa inwiefern die Rückholung eine Gefährdung für die spanische Bevölkerung darstellt.

Schlussfolgerungen: Laut Mondragon und seinen Kollegen lassen sich die Unterschiede zwischen Zeitungsartikeln und Tweets durch deren unterschiedliche Kommunikationszwecke erklären. Während die Berichterstattung der Presse sich auf Informationen von Wissenschaftlern und Behörden beziehe (Veranschaulichung), diene Twitter dem informellen Wissensaustausch und der Verständigung untereinander (Konsensbildung). Damit zeige sich auch, dass die Diskurse in Sozialen Medien mehr sind als die bloße Wiederholung der traditionellen Massenmedien. Stattdessen wählen die Nutzer gezielt aus den traditionellen Medien aus, stellen die Informationen in einen neuen Kontext, ziehen eigene Schlüsse daraus und verändern so die ursprünglichen Botschaften und Informationen. Krisenkommunikation und ihre Erforschung dürfe diese Transformationsprozesse nicht vernachlässigen, sondern müsse sie mit einbeziehen.

Einschränkungen: Die Studie hat nur die Situation in Spanien untersucht, eine Übertragung auf andere Länder ist also nicht ohne Weiteres möglich. Mit der gewählten Methode können zwar große Textmengen untersucht werden, es besteht dabei aber die Gefahr, Kontext und Sinnzusammenhänge zu verlieren. Außerdem gehen gegenseitige Bezüge verloren. Dies ist gerade bei einem Medium wie Twitter sehr schade, da dort Dialoge zwischen den Nutzern eine zentrale Rolle spielen.

 Mondragon, N.I., Gil de Montes, L., Valencia, J., 2017. Ebola in the Public Sphere: A Comparison Between Mass Media and Social Networks. Science Communication 39, 101–124. doi:10.1177/1075547016688908