Foto: Maarten van den Heuvel, CC0 1.0

Kurz vorgestellt: Neues aus der Forschung im Dezember

Wir werfen einen Blick zurück auf neue Forschungsergebnisse im Bereich Wissenschaftskommunikation aus dem Dezember 2016. Diesmal mit einer Studie zu YouTube-Videos, Wissenschaftskommunikation in Afrika und dem Design von Postern.

In dieser Rubrik besprechen wir regelmäßig neue Forschungsergebnisse aus der „Science of Science Communication“. Wenn Sie etwas vermissen, dann schreiben Sie uns gerne eine Email oder hinterlassen Sie einen Kommentar.

„Online science videos: an exploratory study with major professional content providers in the United Kingdom”

von Mariá Carmen Erviti und Erik Stengler im Journal of Science Communication

Mariá Carmen Erviti (Universität Navarra) und Erik Stengler (University of the West of England) haben Produzenten von Wissenschaftsvideos auf YouTube interviewt und geben so einen ersten Einblick in ein bisher kaum erforschtes Format der Wissenschaftskommunikation.

Methode: Die Autoren führten Interviews mit fünf Produzenten von YouTube-Kanälen aus Großbritannien. Sie untersuchten folgende Kanäle, die sie auf Basis ihrer Beliebtheit und der dahinterstehenden Organisationsform auswählten:

Ergebnisse:

  1. Ziele und Zielgruppen der Kanäle
    Aus der Befragung geht hervor, dass alle Interviewpartner ein möglichst breites Publikum ansprechen wollen. Sie merken aber an, dass YouTube ihnen die Möglichkeit gibt, ein anderes Publikum zu erreichen als über ihre eigenen Webseiten bzw. Publikationen.
    Je nach Produzent variieren die weiteren Ziele: Nature und New Scientist sehen Onlinevideos als Ergänzung der externen Wissenschaftskommunikation in ihren Printprodukten, insbesondere da sich ihrer Meinung nach bestimmte Themen besser über Videos vermitteln lassen. Aber auch die Hoffnung auf zusätzliche Berichterstattung in anderen Medien durch die Videos und die Stärkung der eigenen Marke wurden genannt.
  2. Management der Kanäle
    Die Zahl der an der Videoproduktion beteiligten Personen unterscheidet sich je nach Kanal stark. Bei New Scientist, The Royal Institution und Brady Haran ist laut der Erhebung nur eine Person involviert, bei Nature immerhin vier und bei der BBC zeitweise sogar 25 Personen. Dennoch gaben alle Interviewten an, dass die Kosten geringer seien als bei TV-Produktionen, ohne aber ins Detail zu gehen.
    Wichtig ist insbesondere, dass regelmäßig neue Videos veröffentlicht werden – wobei der Rhythmus selbst weniger wichtig scheint – und die Kommentare der Nutzer. Falls möglich sollten diese aktiv begleitet werden, um so das Community Building zu fördern. Beispielsweise könne man Kommentare in Videos aufgreifen.
  3. Stil der Videos
    Eine kurze Dauer und interessante Themen – nach diesen beiden Kriterien richteten sich alle Produzenten. Darüber hinaus verfügten die meisten Kanäle über keine detaillierten Gestaltungsrichtlinien. Stattdessen nutzen die Befragten YouTube gezielt als Experimentierfeld. Eine Ausnahme bildet – wenig überraschend – die BBC, wo auf einen einheitlichen Aufbau und Stil gesetzt wird.
    Befragt nach ihrem Alleinstellungsmerkmal, gab es mehrere Antworten: Von Experteninterviews (Brady Haran), über die Präsentation neuester Ergebnisse unter Verwendung von Filmmaterial aus der Forschung (Nature und New Scientist) über den Zugriff auf umfangreiches Archivmaterial (The Royal Institution).
  4. Erfolgsfaktoren von Videos
    Laut der Studie wird zwar keine Erfolgsformel genannt, aber doch Faktoren, die für die „nachhaltige”, über ein einzelnes Video hinausgehende, Popularität  eines YouTube-Kanals wichtig sind, auch wenn diese oftmals reichlich unkonkret ausfallen:

    • Videos, die gerne von Zuschauern geteilt würden1;
    • kurze, neue und humorvolle Videos;
    • interessante und schrullige Themen;
    • visuell ansprechende Bilder;
    • Inhalte, die man vorher noch nicht gesehen hat;
    • Einbeziehung der Zuschauer;
    • gute Produktionsqualität;
    • regelmäßig neue Videos.
    • Ebenfalls notwendig und wichtig sei laut den Interviewten eine Social-Media-Strategie, um die Verbreitung der Videos über YouTube hinaus sicherzustellen. Dafür kann auch mit konkurrierenden Kanälen kooperiert werden.
  5. Onlinevideos als Format der Wissenschaftskommunikation
    Generell halten alle befragten Produzenten YouTube-Videos für ein geeignetes Format um wissenschaftliche Themen zu kommunizieren, auch wenn sich nicht jede Story eignete. Ein großer Vorteil: Die Befragten gehen davon aus, dass Videos auf Youtube ein relativ junges Publikum ansprechen, und dass dieses Publikum sowieso erwartet, zu jedem Thema online auch ein Video zu finden.

Schlussfolgerungen: Erviti und Stengler kommen zu dem Schluss, dass es sich bei Onlinevideos um ein heterogenes Format handelt – Ziele, Zielgruppen und Ausgestaltung unterscheiden sich von Produzent zu Produzent. Dennoch ließen sich gewisse Gemeinsamkeiten identifizieren. So sei es von der Mehrheit der Videoproduzenten als wichtig erkannt worden, Videos über Soziale Netzwerke zu verbreiten und neue oder überraschende Inhalte zu verwenden. Zudem nannten alle die Möglichkeit zu experimentieren als Merkmal der Onlinevideos. Auch die Interaktion mit dem Publikum sei von großer Bedeutung, aber nur die BBC mit ihrem vergleichsweise großen Team verwirkliche das auch durchgängig. Daraus schließen die Forscher, dass es schwerer als gedacht ist, das Potenzial eines YouTube-Kanals auszuschöpfen.

Einschränkungen: Wie die beiden Autoren selbst schreiben, handelt es sich um eine erste Annäherung an das Format. Die Fallzahl ist sehr gering und auf Großbritannien beschränkt. Die Verallgemeinerung der Ergebnisse ist deswegen nur eingeschränkt möglich und aufgrund der teilweise recht unkonkreten Formulierungen auch schwierig in die Praxis zu übertragen. Ein Abgleich der Behauptungen der Interviewpartner mit den Produkten – beispielsweise den Abrufzahlen – fehlt, genauso wie eine Untersuchung der Videos selbst oder der Zuschauer. Zudem erfolgte die Auswahl der YouTube-Kanäle bereits vor über zwei Jahren, Ende 2014.

Open Access LogoErviti, M.C., Stengler, E. (2016): Online science videos: an exploratory study with major professional content providers in the United Kingdom. Journal of Science Communication 15, S. 1–15.


„Public science communication in Africa: views and practices of academics at the National University of Science and Technology in Zimbabwe”

von Heather Ndlovu, Marina Joubert und Nelius Boshoff im Journal of Science Communication

Wissenschaftskommunikation in Afrika. Dieses Thema untersuchen Heather Ndlovu (National University of Science and Technology Zimbabwe), Marina Joubert und Nelius Boshoff (beide Stellenbosch University) exemplarisch anhand der Praktiken und Einstellungen zur Kommunikation von Wissenschaft mit der Öffentlichkeit an der National University of Science and Technology (NUST) in Zimbabwe.

Methode: Schriftliche Befragung der 418 akademischen Beschäftigten der NUST. Von den 198 Wissenschaftlern, die den Fragebogen ausfüllten, wurden 35 aktiv in der Forschung involvierte Wissenschaftler (d.h. solche, die nicht nur in der Lehre tätig sind) aus den sieben Fachbereichen der NUST und auf unterschiedlichen Karrierestufen für ein weiteres Interview zur Vertiefung ausgewählt.

Ergebnisse: Die Befragten scheinen sich besonders auf die Kommunikation innerhalb des Wissenschaftssystems zu konzentrieren – die Öffentlichkeit, Politiker und Massenmedien nannten sie eher selten und zwar unabhängig von der Fachdisziplin. 52 Prozent der Befragten gaben an, dass sie es bevorzugen, ihre Forschungsergebnisse nur innerhalb des Wissenschaftssystems zu kommunizieren und nicht nach außen zu tragen. Gleiches gilt für die genutzten Plattformen: Hier dominieren mit wissenschaftliche Zeitschriften und Konferenzen klassische Formate der internen Wissenschaftskommunikation. Bei den digitalen Medien hingegen werden Blogs (14 %) noch vor Facebook (7 %) und Twitter (2 %) genannt werden.

Die Unterstützung von externen Kommunikationsaktivitäten durch die Universitätsleitung schätzen die Befragten als gering ein. Eine große Mehrheit moniert, dass an ihrer Universität eine Kommunikationsstrategie fehle und die Leitung den Fokus ganz auf Publikationen in wissenschaftlichen Zeitschriften lege.

Weitere Faktoren, die einer externen Wissenschaftskommunikationen im Weg stehen, sind laut der Befragung die instabile Forschungsfinanzierung, politische Befindlichkeiten, das geringe Wissenschaftsverständnis der Bevölkerung2, die geringe Wertschätzung für öffentliche Kommunikationsaktivitäten, das Fehlen einer etablierten Kommunikationsplattform und Zeitmangel. Hinzu komme ein Mangel an entsprechenden Fortbildungsprogrammen, obwohl über 80 % der Befragten nach eigener Aussage Interesse daran hätten.

Schlussfolgerungen: Insgesamt gering ausgeprägte Kommunikationsaktivitäten und zwar über alle Fachbereiche hinweg, sowie die Rücksichtnahme auf politische Befindlichkeiten, darin unterscheiden sich die Ergebnisse von Studien in westlichen Industriestaaten. In vielen anderen Punkten sind sie aber sehr ähnlich: etwa darin, dass die Universitätsleitung sich auf Publikationen in Peer-Review Journals konzentriere, aber auch, dass Zeitmangel die Forscher an der Außenkommunikation hindere. Um die Situation zu ändern, brauche es ein neues Bewußtsein unter Wissenschaftlern und Universitätsleitungen:

Clearly, a new mind-set amongst university academics and management is needed in order to make research done at African universities more accessible to public and policy audiences, and to clarify the benefits that scientific research offers to society. (S. 19)

Konkret empfehlen die drei Forscher zur Stärkung der externen Wissenschaftskommunikation:

  • Unterstützung von externer Wissenschaftskommunikation durch die Führungsebenen
  • Entwicklung von Kommunikationsstrategien
  • Kommunikationsaktivitäten als fester Bestandteil des Anforderungskatalogs an Wissenschaftler
  • Regelmäßige Fortbildungsprogramme
  • Preise oder andere Belohnungen
  • Öffentliche Kommunikation parallel und Hand in Hand zu interner Kommunikation
  • Anpassung der Planung und Finanzierung von Forschungsprojekten
  • Nutzung von externen Finanzquellen

Einschränkungen: Der Umstand, dass nur ein Land und in diesem auch nur eine Universität untersucht wurde, schränkt die Übertragbarkeit erheblich ein. Die Untersuchung bietet zudem nur einen ersten Einblick aus der Perspektive der befragten Wissenschaftler. Spezifischere Fragen und eine Untersuchung der tatsächlich stattfindenden Wissenschaftskommunikation wären sinnvolle Ergänzungen.

Open Access LogoNdlovu, H., Joubert, M., Boshoff, N. (2016): Public science communication in Africa: views and practices of academics at the National University of Science and Technology in Zimbabwe. Journal of Science Communication 15, S. 1–29.


„Effective visual design and communication practices for research posters. Exemplars based on the theory and practice of multimedia learning and rhetoric”

von Rhianna K. Pedwell, James A. Hardy und Susan L. Rowland in Biochemistry and Molecular Biology Education

Poster sind aus der Wissenschaftskommunikation nicht weg zu denken, unabhängig davon ob Forscher ein Fach- oder ein Laienpublikum ansprechen wollen. Die drei Forscher der School of Chemistry & Molecular Biosciences an der Universität Queensland in Australien finden allerdings, dass die konkrete Gestaltung von Postern oft suboptimal ist. Um das zu ändern, stellen sie Gestaltungsrichtlinien auf.

Methode: Die Forscher entwickeln auf Basis von Kommunikationstheorie und den Grundlagen der Rhetorik sowie einer Sichtung anderen Leitfäden  zum Thema Gestaltungsrichtlinien für Poster.

Ergebnisse: Pedwell, Hardy und Rowland empfehlen Poster als hybrides, multimodales Format zu verstehen, das sowohl gestalterisch ansprechend („the poster must attract with artistic flair”, S. 4) sein muss, als auch eine verständliche wissenschaftliche Botschaft für ein Publikum mit unterschiedlichem Vorwissen und Interessen präsentieren soll.

In Anlehnung an Jean-Luc Doumonts „Drei Regeln für professionelle Kommunikation” und das rhetorische Dreieck von Aristoteles stellen sie  ein dreiteiliges Modell für Poster-Präsentationen vor und ergänzen ihre Publikation durch drei beispielhafte Posterdesigns (exzellent, mittelmäßig, schlecht) inklusive dreier erläuternder Tabellen mit den entsprechenden Gestaltungsmerkmalen.

Beispiel der Autoren für ein "exzellentes Poster". Das Thema ist bewußt absurd gewählt, um Diskussionen über die dargestellt Untersuchung und ihre Methodik zu vermeiden. (Quelle)
Beispiel der Autoren für ein „exzellentes Poster“. Das Thema ist bewußt absurd gewählt, um Diskussionen über die dargestellt Untersuchung und ihre Methodik zu vermeiden. (Quelle)

Schlussfolgerungen: Das Modell der Forscher besteht aus drei Prinzipien:

  1. Konzentration des Inhalts auf eine Botschaft
    Der schriftliche Inhalt des Posters soll präzise und fokussiert sein. Die Hauptbotschaft kann aus unterschiedlichen Blickwinkeln und anhand mehrerer Beispiele dargestellt werden.
  2. Ausrichtung von Grafik und Design auf Klarheit
    Die Autoren geben folgenden Rat hinsichtliche der grafischen Gestaltung:
    „Effective posters take advantage of the visual format; they are engaging and attract an audience. They are also easy to read, and messages in the graphics included are unambiguous.” (S. 7)
  3. Geplante Interaktion zwischen allen Elementen
    Die Interaktion zwischen schriftlichen und grafischen Elementen aber auch der mündlichen Vorstellung eines Posters ist ein essentielles Merkmal von Postern:
    „This principle asks designers to consider the poster as a whole, and take care in designing a poster where each type of communication mode works in synergy with the others.” (S. 7)

Einschränkung: Es handelt sich nicht um eine kommunikationswissenschaftliche Untersuchung. Wie einzelnen Modi (Text, Bild, etc.) genau zusammenspielen, wird beispielsweise nicht genauer beschrieben und auch nicht in der Forschung darüber verankert. Dass dies durchaus möglich ist, zeigen etwa Hans-Jürgen Bucher und Philipp Niemann in ihrer Untersuchung von wissenschaftlichen PowerPoint-Präsentationen3. Auch gibt es keine Überprüfung, ob das empfohlene Posterdesigns auch wirklich gut ist. Die theoretischen Grundlagen und die Verankerung in der empirischen Forschung sind nur gering ausgeprägt. Neuere technische Möglichkeiten, etwa interaktive Poster mithilfe entsprechender Displays, werden zudem nicht miteinbezogen.

Letztlich liegt hier eher ein Leitfaden aus der Praxis vor als eine wissenschaftliche Untersuchung. Trotzdem sind die allgemeinen Empfehlungen der Autoren nicht falsch und taugen als Hinweise bei der Gestaltung von Postern.

Closed Access LogoPedwell, R.K., Hardy, J.A., Rowland, S.L., 2016. Effective visual design and communication practices for research posters. Exemplars based on the theory and practice of multimedia learning and rhetoric. Biochemistry and Molecular Biology Education, S. 1–13.