Foto: Christian Humm, CC BY-SA 4.0

Kurz vorgestellt: Neues aus der Forschung im August 2019

Passend zum aktuellen Schwerpunkt „Klimakommunikation“ beschäftigt uns in diesem Forschungsrückblick gleich zweimal die Vermittlung der globalen Erwärmung – und einmal geht es um zu viel Begeisterung von Kommunizierenden.

In dieser Rubrik besprechen wir regelmäßig neue Forschungsergebnisse zum Thema Wissenschaftskommunikation. Sollten Sie etwas vermissen, schreiben Sie uns gerne eine E-Mail oder hinterlassen Sie einen Kommentar.

Pro-Klima-Botschaften von Konservativen wirken überzeugender

Ein Drittel der Bevölkerung in den USA glaubt nicht daran, dass eine globale Erwärmung stattfindet, noch mehr bestreiten einen menschlichen Einfluss auf das Klima – entgegen einem starken wissenschaftlichen Konsens. Doch wem hören Klimaskeptiker überhaupt in dieser Frage noch zu? Das wollte ein Forschungsteam um den Politikwissenschaftler Toby Bolsen an der Georgia State University in einer aktuellen Studie herausfinden.

Methodik: Die Forschenden um Bolsen präsentierten 1850 Versuchspersonen eine Botschaft über den Klimawandel. Dabei wurde die Erderwärmung entweder als Gefahr für die Umwelt dargestellt oder als Bedrohung der nationalen Sicherheit (wegen zu befürchtender Dürren und Überschwemmungen). Absender der Nachricht waren angeblich entweder Klimaforschende, ranghohe Vertreter des Militärs, Mitglieder der Demokraten oder der Republikaner – oder keine erkennbare Quelle. Anschließend füllten die Probandinnen und Probanden verschiedene Fragebogen aus, unter anderem zu ihren Einstellungen in Bezug auf den Klimawandel.

Die stärkste Wirkung entfalteten Klimabotschaften, die vermeintlich von Abgeordneten der Republikaner oder von Mitgliedern der Armee kamen.

Ergebnisse: Die stärkste Wirkung entfalteten jene Botschaften, die vermeintlich von Abgeordneten der Republikaner oder von Mitgliedern der Armee kamen: Die Befragten sahen die globale Erwärmung anschließend eher als eine Bedrohung der nationalen Sicherheit an, sie hielten den Klimawandel seltener für einen „Hoax“ (also eine Erfindung) und die Botschaft erschien ihnen weniger politisch motiviert, als wenn dieselbe Information von einer unbekannten Quelle stammte. Politikerinnen und Politiker der Demokraten – und noch stärker Klimaforschende – hatten dagegen als Absender der Texte negative Effekte: Nach der Rezeption der vorgeblich von ihnen stammenden Texte waren die Versuchspersonen weniger davon überzeugt, dass der Klimawandel überhaupt stattfindet, sie hielten den wissenschaftlichen Konsens für weniger ausgeprägt und glaubten auch in geringerem Maße, dass die globale Erwärmung ein Umweltproblem sei. Diese Effekte zeigten sich im Durchschnitt über alle Teilnehmenden, waren aber bei jenen, die den Republikanern nahestanden, besonders ausgeprägt.

Schlussfolgerungen: Weisen Personen, von denen dies nicht erwartet wird, auf die negativen Folgen des Klimawandels hin, entfalten ihre Botschaften eine stärkere Wirkung, als wenn Klimaforschende oder Politikerinnen und Politikern aus dem linken Spektrum diese Information aussenden. Vermutlich sind solche Äußerungen aus dem Mund konservativer Personen überraschender, erzeugen deshalb mehr Aufmerksamkeit und werden für authentischer gehalten. Bringen sich dagegen Klimaforschende selbst in die Debatte ein – wie häufig gefordert –, kann das sogar negativ auf die Einstellungen des Publikums wirken, vermutlich, da unentschlossene oder neutrale Personen ihnen keine unabhängige Einschätzung zutrauen.

Einschränkungen: Ob die Ergebnisse auf ähnliche Botschaften generalisierbar sind, muss sich laut Bolsen und seinem Team in weiteren Studien zeigen. Da es sich nicht um eine längsschnittliche Untersuchung handelt, sind die unterschiedlichen Einstellungen der Befragten nicht zweifelsfrei auf die experimentelle Behandlung zurückzuführen. In der Tat erscheint es eher erstaunlich, dass eine so kurze Intervention bei einem Thema, das die Gesellschaft bereits stark polarisiert, so deutliche Effekte hatte. Sollten sich die Ergebnisse als belastbar erweisen, bleibt natürlich noch ein Problem: Dass „eine Gruppe von führenden Republikanerinnen und Republikanern“ im US-Kongress ein mahnendes Statement zum Thema Klimawandel abgibt, ist auf absehbare Zeit nur schwer vorstellbar.

Bolsen, T., Palm, R. & Kingsland, J. T. (2019). The impact of message source on the effectiveness of communications about climate change. Science Communication, 41, 464–487. https://doi.org/10.1177/1075547019863154

Erhalten Klimaleugner größere mediale Aufmerksamkeit?

Im Journalismus gibt es die Regel, bei unklarer Sachlage beide Seiten zu Wort kommen zu lassen. Erstreckt sich dieses Vorgehen auch auf eigentlich unstrittige Fakten, spricht man auch von „False Balance“, also einer falschen Ausgewogenheit. Diese lässt sich in angloamerikanischen Medien häufig beobachten, wenn etwa Leugner des menschengemachten Klimawandels genauso stark berücksichtigt werden wie seriöse Quellen. Alexander Petersen von der University of California hat nun zusammen mit zwei Kollegen versucht, zu quantifizieren, wer in US-Medien wie viel Aufmerksamkeit bei diesem Thema erhält.

Gedruckte Zeitungen
In den Beiträgen klassischer Redaktionen, etwa von Tageszeitungen, wurden Klimaforschende und Klimaskeptiker ungefähr gleich häufig erwähnt – aus der Studie geht allerdings nicht hervor, in welchem Kontext. Foto: AbsolutVision

Methodik: Die Forscher stellten zunächst zwei Namenslisten zusammen. Um prominente Leugner des Klimawandels zu finden, durchforsteten sie die Liste der Beitragenden zu einer einschlägigen Konferenz, die Autorinnen und Autoren der Berichte des NIPPC (einer Art „Gegenentwurf“ zum Weltklimarat) sowie die Zusammenstellung eines Watchblogs zum Thema. So erhielten sie eine Sammlung von 386 „klimaskeptischen“ Personen aus Wissenschaft, Politik und Wirtschaft. Diese kontrastierten sie mit einer Gruppe von 386 Klimawissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern, die gemäß einer großen Literaturdatenbank in ihrem Fach am häufigsten zitiert werden. Anschließend suchten sie in mehr als 100.000 englischsprachigen Medienberichten danach, wie oft Personen der beiden Gruppen genannt wurden. Darunter waren klassische Zeitungs- und Magazinartikel, aber auch Online-Nachrichten und Beiträge in privaten Blogs.

Ergebnisse: Insgesamt wurden Klimawandelskeptiker um 49 Prozent häufiger erwähnt als die wissenschaftlichen Expertinnen und Experten. Beschränkten Petersen und seine Kollegen die Auswertung nur auf klassische journalistische Redaktionen, war die Repräsentation dagegen ausgeglichen. Auch in einem Vergleich speziell jener Skeptiker, die selbst wissenschaftlich arbeiten, mit den fachlich einschlägigen Klimaforschenden kam es zum Patt.

Schlussfolgerungen: Personen, die eine Bedrohung durch den Klimawandel bestreiten, erhalten dieser Auswertung zufolge in US-Medien mindestens genauso viel Aufmerksamkeit wie angesehene Vertreterinnen und Vertreter der Klimawissenschaft. Nimmt man auch nicht-professionelle Medien wie Blogs hinzu, scheint ihre Präsenz sogar größer. In jedem Fall erhielten sie, vermutlich in einem falschen Bemühen um Neutralität, unverhältnismäßig viel Aufmerksamkeit, monieren die Forscher um Petersen. Dies trage dazu bei, wissenschaftlich nicht haltbare Positionen öffentlich zu legitimieren.

Einschränkungen: Die beiden untersuchten Gruppen sind nur schwer miteinander vergleichbar: Auf der einen Seite stehen fachlich profilierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, auf der anderen Seite Personen, die nicht unbedingt in der Forschung arbeiten, sondern durch publizistische Tätigkeiten aufgefallen sind und etwa im Bereich der politischen PR aktiv sind – weshalb sie schon von Berufs wegen bessere Chancen haben dürften, in den Medien wahrgenommen zu werden. Zudem wurde nicht erfasst, in welchem Kontext die Personen aus beiden Gruppen in den Artikeln auftauchen. So zeigen Studien etwa, dass in etablierten journalistischen Medien zwar Klimawandelleugner relativ häufig genannt werden, sie aber nur selten als gleichberechtigte Quelle neben Forschenden präsentiert werden.

Petersen, A. M., Vincent, E. M. & Westerling, A. L. (2019). Discrepancy in scientific authority and media visibility of climate change scientists and contrarians. Nature Communications, 10,3502. https://doi.org/10.1038/s41467-019-09959-4

Zu viel Begeisterung macht Forschende unglaubwürdig

Auf wessen Aussagen kann man sich im Internet verlassen? Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler genießen in der Bevölkerung nach wie vor einen Vertrauensbonus – es kommt jedoch auch darauf an, wie sie sich äußern. So hatten Lars König und Regina Jucks von der Universität Münster in einer Studie Anfang des Jahres gezeigt, dass Forschende für weniger glaubwürdig gehalten werden, wenn sie in Diskussionen aggressive und herabwürdigende Sprache verwenden. Nun widmeten sich König und Jucks in einer neuen Untersuchung der Frage, ob es auch schaden kann, wenn Forscherinnen und Forscher zu begeistert über ihre Arbeit reden.

Methodik: 270 Studierende lasen einen fingierten Beitrag aus einem Gesundheitsforum im Internet. Darin antwortete ein Mann auf die Frage einer Nutzerin; inhaltlich ging es um die Kombination von Hirnscans und künstlicher Intelligenz zur Diagnose psychischer Krankheiten. Anschließend bewerteten die Versuchspersonen die Vertrauenswürdigkeit des Autors und die Glaubwürdigkeit seiner Aussagen. Mal kam der Beitrag vermeintlich von einem Wissenschaftler, der an einer Universität arbeitet, mal von einem Vertreter einer Industrie-Organisation aus dem Bereich der medizinischen Bildgebung. Auch die Sprache wurde variiert: Der Beitrag war entweder in neutralem Duktus verfasst oder klang enthusiastisch, indem Dinge eingestreut waren wie: „Ich finde, das Thema ist faszinierend!“ oder „Das zweite Ergebnis – was ich super interessant finde – ist …“

Nur beim Wissenschaftler führte eine überschwängliche Ausdrucksweise dazu, dass er als weniger integer und aufrichtig wahrgenommen wurde sowie weniger um das Wohl der Gemeinschaft bemüht.

Ergebnisse: Äußerte sich der Autor des Forumsbeitrags enthusiastisch über sein Thema, schätzten die Teilnehmenden ihn generell als manipulativer und weniger kompetent ein, und sie hielten seine Informationen für weniger glaubwürdig. Zwar erschien der Forscher dabei grundsätzlich noch etwas weniger manipulativ als der Vertreter der Wirtschaft. Nur beim Wissenschaftler aber führte eine überschwängliche Ausdrucksweise dazu, dass er als weniger integer und aufrichtig wahrgenommen wurde sowie weniger um das Wohl der Gemeinschaft bemüht, zwei Facetten von Vertrauen.

Schlussfolgerungen: Wenn sich Forschende online mit fachlichen Informationen zu Wort melden, genießen sie gegenüber Fürsprechern der Industrie zunächst eine größere Glaubwürdigkeit. Zu deutlich ausgedrückte Begeisterung allerdings kann negativ auf sie zurückfallen und das Vertrauen in ihre Aussagen schmälern.

Einschränkungen: König und Jucks weisen darauf hin, dass diese Ergebnisse zunächst nur für den Diskurs in Deutschland gelten, währen etwas das Publikum in den USA eher an enthusiastische Sprache auch in fachlichen Fragen gewöhnt sein dürfte. Die Studie untersuchte auch nur Beiträge zu einem Thema. Ob die Erkenntnisse auf Themen übertragbar sind, die ohnehin emotionaler diskutiert werden (wie der Klimawandel oder Gentechnik), muss sich noch zeigen.

König, L. & Jucks, R. (2019). Influence of enthusiastic language on the credibility of health information and the trustworthiness of science communicators: Insights from a between-subject web-based experiment. Interactive Journal of Medical Research, 8,e13619. https://doi.org/10.2196/13619

Mehr Aktuelles aus der Forschung:

Nutzen Kommunikationswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler Twitter und wenn ja, wofür? Das haben Jakob Jünger und Birte Fähnrich in einer aktuellen Studie analysiert. Ergebnis: Der Austausch mit Kolleginnen und Kollegen aus dem Fachgebiet steht für die Forschenden im Vordergrund, aber sie twittern auch über politische und soziale Themen und erreichen damit ein allgemeineres Publikum.

Wie lässt sich bei Citizen-Science-Projekten eine größere Diversität bei der Zusammensetzung der Teilnehmenden erreichen? Zwei niederländische Forscher schreiben über ihre Erfahrungen damit, Einladungen an zufällig ausgewählte Haushalte in einer Gemeinde zu schicken, um so eine nach Alter und Bildung repräsentativere Gruppe von Teilnehmenden zu rekrutieren.

Eine aktuelle Masterarbeit an der Florida State University beschäftigt sich mit verschiedenen Projekten, in denen wissenschaftliche Daten in musikalische Klänge umgewandelt wurden – speziell am Beispiel der Klimawissenschaft (hier ein Höreindruck).

Viele Menschen unterschätzen laut einer Untersuchung in den USA, wie nah sie an Kernkraftwerken, Ölraffinerien oder Erdgas-Bohrstationen leben. Das gilt besonders für Personen, die diese Anlagen für riskant halten. Kontakt zu Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dieser Einrichtungen reduziert die wahrgenommene physische Distanz.

Fachjargon wie Fremdwörter und Abkürzungen führt nicht nur dazu, dass das Publikum eine Botschaft schlechter versteht: Diese Ausdrucksweise lässt einer neuen Studie zufolge auch die Unterstützung für neue Technologien (wie selbstfahrende Autos oder chirurgische Operationsroboter) sinken.

Die Kurzmeldungen zur Wissenschaftskommunikationsforschung erscheinen alle 14 Tage im Panoptikum.