Sieben Tage Berichterstattung im Zeichen der globalen Erwärmung: Eine weltweite Medienaktion soll der Forderung nach besserem Klimaschutz öffentlichen Nachdruck verleihen. Ein Gespräch mit Daniel Lingenhöhl, Redaktionsleiter bei Spektrum.de.
Konzertierte Aktion für das Klima
Herr Lingenhöhl, heute beginnt die Aktion „Covering Climate Now“, bei der sich auch Spektrum.de beteiligt. Worum handelt es sich dabei?
In dieser Woche werden sich weltweit ungefähr 170 Magazine, Zeitungen, Nachrichtenagenturen und auch freie Journalistinnen und Journalisten besonders intensiv mit der Klima-Berichterstattung beschäftigen. Ziel ist es, jeden Tag einen Artikel zu den Themen Klimawandel, Klimapolitik oder Klimaschutz zu bringen. Die Aktion soll vor dem Weltklimagipfel der Vereinten Nationen, der am Samstag in New York beginnt, ein verstärktes öffentliches Interesse für das Thema wecken. Und zeigen, dass es dringlich ist, jetzt mehr für den Klimaschutz zu tun.
Von wem ging diese Initiative aus?
Ursprünglich von der Zeitschrift Columbia Journalism Review, einem Fachmagazin für Journalistinnen und Journalisten, der US-amerikanischen Wochenzeitschrift The Nation und dem britischen Guardian. Es haben sich dann schnell weitere prominente Mitstreiter gefunden, vor allem aus dem angloamerikanischen Raum. In den USA ist ja die Problematik der sogenannten Klimawandelleugner oder Klimaskeptiker deutlich größer als in Deutschland. Dort hat das noch eine ganz andere Brisanz.
Wie kam es dazu, dass Spektrum.de mitmacht?
Wir haben eine Nachricht von unseren Kolleginnen und Kollegen bei Scientific American und bei Nature bekommen, dass sie sich beteiligen. Daraufhin haben wir uns das angesehen und in der Redaktion beschlossen, mitzumachen.
Was haben Sie für diese Woche geplant?
Wir werden jeden Tag Beiträge zum Thema Klima bringen: Hintergrundartikel, Faktenchecks, auch den ein oder anderen Kommentar. Das begleiten wir natürlich auch auf unseren Social-Media-Kanälen. In den einzelnen Artikeln werden wir außerdem auf die Aktion hinweisen und den Leserinnen und Lesern somit den Hintergrund erklären.
Es herrscht derzeit eigentlich kein Mangel an Beiträgen über den Klimawandel. Ist es denn realistisch, dass man durch so eine Aktion plötzlich auch Menschen erreicht, die sich bisher nicht dafür interessiert haben?
Das heißt, die Leserinnen und Leser sind dieser Inhalte Ihrer Meinung nach nicht überdrüssig?
Man sieht schon, dass das Interesse in den letzten Jahren ein bisschen abgeflaut ist. Wenn man zum zweihundertsten Mal schreibt „Die Meeresspiegel steigen stärker“, ist das eben für niemanden mehr überraschend. Unser Ansatz ist es deshalb unter anderem, dieses doch sehr abstrakte Thema auf die regionale Ebene herunterzubrechen. Dadurch wird es konkreter und die Leute merken, dass es sie selbst betrifft. Aber natürlich rechnen wir auch mit der üblichen Kritik.
Inwiefern?
Wann immer man einen Artikel über das Klima auf Facebook postet, zieht das die üblichen Kommentare an: Stimmt doch alles nicht, es gibt keine menschengemachte Erwärmung, die Bürger sollen doch nur mehr Bahn fahren und dadurch abgezockt werden. Wir erhalten auch Zuschriften, in denen uns erklärt wird, dass es global ja kälter würde und nicht wärmer.
Darauf können wir keine Rücksicht nehmen. Wenn man alle journalistischen Medien in Deutschland für linken Einheitsbrei hält – inklusive der FAZ, der Welt oder der Bild –, wie weit rechts muss man dann stehen? Davon abgesehen übernehmen wir ja längst nicht alles, was aus der Wissenschaft kommt, unkritisch. Wir hinterfragen und berichten auch über die Probleme von Klimaschutzmaßnahmen, zum Beispiel bei der Windkraft. Da steht saubere Energieerzeugung mitunter in Konflikt mit dem Naturschutz. Aber in der Klimaforschung herrscht nun mal der starke Konsens: Der Mensch ist zum größten Teil verantwortlich für den aktuellen Klimawandel. Da braucht man dann keinen Pseudowissenschaftler zu zitieren, nur um eine Gegenstimme zu haben. Über bekannte Unsicherheiten berichten wir natürlich, etwa wenn es um Prognosen zum Anstieg des Meeresspiegels geht oder ob durch die Erderwärmung bereits jetzt häufiger Extremwetterereignisse auftreten.
Wie nehmen Sie die Berichterstattung über den Klimawandel in der deutschen Medienlandschaft insgesamt wahr?
Gelegentlich sieht man schon mal einen bizarren Artikel mit wissenschaftlich nicht haltbaren Aussagen, dann aber nicht im Wissenschaftsressort, sondern eher im Feuilleton oder dem Wirtschaftsteil. Das gehört zur Meinungsfreiheit. Aber prinzipiell ist die Wissenschaftsberichterstattung in Deutschland sehr gut und sehr fundiert. Natürlich wird eher in den Diskussionen der sozialen Medien vieles verkürzt oder übertrieben.
Wie zum Beispiel?
Aktuell sehen wir das bei den Waldbränden in Brasilien. Da werden dramatische Bilder gepaart mit der Aussage, Amazonien sei die „Lunge der Erde“, was übrigens auch Medien getan haben. Das ist aber ein schiefes Bild. Selbst wenn man Amazonien komplett abholzen würde, würde das den Sauerstoffgehalt in der Atmosphäre nicht eklatant verändern. Und zu Beginn dieses Jahrtausends haben wir regelmäßig viel schlimmere Waldbrände in der Region gesehen. Das ändert natürlich nichts daran, dass die aktuellen Feuer dennoch katastrophal sind – für die indigene Bevölkerung, für die Artenvielfalt und auch für das Klima.