Wie wirkt sich die Vermittlung von Unsicherheiten auf die Vertrauenswürdigkeit von Forschenden aus? Das hat ein Forschungsteam der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster untersucht. Im Interview sprechen Inse Janssen und Friederike Hendriks über ihre kürzlich erhobenen Daten und deren Bedeutung.
Kommunikation von Unsicherheit im Spannungsfeld von Wissenschaft und Politik
Frau Janssen, Frau Hendriks, wie sind Sie der Frage nach der Vertrauenswürdigkeit von Forschenden nachgegangen?
Janssen: Im Rahmen meiner Promotionsarbeit haben Friederike Hendriks, unsere Arbeitsgruppenleiterin Regina Jucks und ich dazu eine experimentelle Studie durchgeführt. Wir wollten wissen, wie es sich auf die wahrgenommene Vertrauenswürdigkeit des Kommunikators oder der Kommunikatorin auswirkt, wenn Unsicherheiten zu einem Thema kommuniziert werden oder nicht.
Dafür haben wir uns eine Situation ausgesucht, in der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ein politisch aktuell diskutiertes Thema ansprechen und sich dabei mit einem wissenschaftlich fundierten Statement positionieren müssen. Dies ist bei einem Thema wie Corona der Fall. Es ist politisch relevant, weil Entscheidungen daraus abgeleitet werden oder sich gesellschaftliche Debatten darauf beziehen.
In unserem Beispiel geht es um die Unsicherheit bezüglich der Wirksamkeit von Alltagsmasken zum Schutz vor dem Corona-Virus.
Hendriks: Es war eine einzigartige Situation, da die bundesweite Maskenpflicht erst kurz vor dem Zeitpunkt der Datenerhebung Anfang Mai eingeführt worden war. Es gab nur wenige Studien mit eindeutigen Aussagen zu diesem Thema und die vorhandenen Einzelstudien enthielten viele Unsicherheiten.
Janssen: Als wir das Experiment geplant hatten, war noch viel unklar: Was bringen die Alltagsmasken? Und dann wurde sie bundesweit verabredet. Genau zu dem Zeitpunkt haben wir unsere Datenerhebung gestartet.
Die vermittelten Unsicherheiten waren demnach sehr aktuell und entscheidungsrelevant. Wie war Ihr Versuch konkret aufgebaut?
Janssen: In unserem Experiment bekamen Probandinnen und Probanden Texte, in denen die Einführung der Maskenpflicht auf der Grundlage von verschiedenen Forschungsergebnissen befürwortet wurde. In einem Fall wurden dabei Unsicherheiten mit kommuniziert, in dem anderen nicht. Das haben wir mithilfe von sogenannten sprachlichen Vorläufigkeitsmarkern umgesetzt, also mit Worten wie „vielleicht“ oder „vermutlich“. In unserer Arbeitsgruppe gibt es einige Vorarbeiten dazu, wie sogenannte Vorläufigkeitsmarkierungen auf die Einschätzung der Inhalte und des Kommunikators wirken. Zudem haben wir untersucht, ob die gleiche Information anders bewertet wird, wenn der Kommunikator ein Politiker oder ein Wissenschaftler war. Wir haben hier nur männliche Sprecher untersucht, weil die Variation des Geschlechts noch mal ein ganz anderes Thema ist.
Hendriks: Es ging uns um die Wahrnehmung der Kommunikation durch Forschende zu einem politischen Thema. Letztlich ist unsere Vermutung, dass das Ansprechen von Unsicherheit mit den Erwartungen an Verhalten von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern korrespondiert, aber nicht mit dem von Politikerinnen und Politikern.
Inwiefern werden Worte, mit denen Unsicherheiten beschrieben werden, von den jeweiligen Kommunikatorinnen und Kommunikatoren genutzt?
Hendriks: Unsicherheit ist eine elementare Eigenschaft von Wissenschaft, daher ist sie auch wichtiger Teil von Wissenschaftskommunikation durch Forschende. Vorläufigkeitsmarker gehören zum Jargon und werden gezielt genutzt, um zu beschreiben, dass das Wissen vorläufig ist. Daraus ergibt sich ein Spannungsfeld, weil die Gesellschaft nach klaren Handlungsempfehlungen verlangt. In der Politik geht es um verständliche und eindeutige Aussagen. Das ist genau die Kontrastierung, die wir hier experimentell abgebildet haben.
Wie haben Sie die Vertrauenswürdigkeit gemessen und was lässt sich aus Ihren Ergebnissen ableiten?
Janssen: Um eine Aussage über die Vertrauenswürdigkeit der jeweiligen Kommunikatorinnen und Kommunikatoren treffen zu können, haben wir die drei Dimensionen untersucht, die Vertrauenswürdigkeit ausmachen: Expertise, Integrität und Wohlwollen 1, 2.
So wurden die Probandinnen und Probanden beispielsweise gefragt, für wie kompetent oder inkompetent sie den jeweiligenKommunikator halten.
Die Auswertung zeigt, dass der Wissenschaftler tatsächlich als kompetenter und integrer wahrgenommen wurde, jedoch nicht als wohlwollender im Vergleich zum Politiker. Was überrascht hat, ist, dass die sprachlichen Vorläufigkeitsmarker die Einschätzung der Vertrauenswürdigkeit nicht beeinflusst hat. Dies ist ein beachtenswertes Ergebnis vor dem Hintergrund, dass es Bedenken bei Forschenden gibt, Unsicherheit auch außerhalb der Wissenschaft darzulegen.
Heißt das, dass sowohl Politikerinnen und Politiker als auch Forschende Unsicherheiten kommunizieren können, ohne dass dies einen Vertrauensverlust zur Folge hat?
Hendriks: Unsere Studie legt zumindest nahe, dass es per se nicht schädlich ist, Unsicherheiten zu kommunizieren3.
Janssen: Diese Daten werten wir aber gerade noch weiter aus, sodass die Ergebnisse noch einen vorläufigen Charakter haben.
Welche weiteren Erklärungen gibt es für Ihre Ergebnisse?
Hendriks: Die Unsicherheit in Bezug auf die Forschungserkenntnisse kann auf unterschiedliche Art und Weise kommuniziert werden und wir haben in unserem Experiment nur eine dieser Kommunikationsmöglichkeiten untersucht.
Zudem gibt es für nicht-signifikante Ergebnisse immer eine Vielzahl von Erklärungen. Hier gibt es verschiedene Faktoren, die eine Rolle spielen könnten. Einerseits kann es bedeuten, dass es tatsächlich keinen Unterschied gibt. Andererseits kann es heißen, dass diese sprachbasierten Vorläufigkeitsmarker nicht stark genug waren, um Unsicherheit zu transportieren. Also, dass die Probandinnen und Probanden es eher als normale Kommunikation gewertet haben und dadurch die Vorläufigkeit der Evidenz gar nicht so begreifbar war. Der dritte Punkt ist, dass wir in einer Situation waren, in der öffentlich viel diskutiert wurde, ob die Maskenpflicht sinnvoll ist oder nicht. Das kann heißen, dass die befragten Personen gegebenenfalls auf Unsicherheit vorbereitet waren. So könnten potenziell positive oder negative Effekte womöglich nicht gewirkt haben, weil es gar nicht zur Debatte stand, ob die Unsicherheit da ist oder nicht.
Janssen: Es zeigte sich auch, dass die themenbezogenen Einstellungen der Probandinnen und Probanden eine Wirkung auf die Einschätzung der Vertrauenswürdigkeit beider Quellen haben: Je größer die Wirksamkeit der Maskenpflicht eingeschätzt wurde, desto vertrauenswürdiger wurde auch der Kommunikator eingeschätzt.
Sie sagen der Forschender wurden als kompetenter und integrer wahrgenommen als der Politiker. Kann man daraus etwas ableiten?
Janssen: Verschiedene Studien haben gezeigt, dass Forschende gegenüber vielen anderen Berufsgruppen einen Vertrauensvorsprung in der Dimension der Expertise haben. Wir können für unserer Studie die Dimension Ehrlichkeit und Fairness hinzufügen. In diesem Kontext könnte man sagen, dass, sofern Evidenz klar kommuniziert wird, es gar nicht schlecht ist, wenn Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen diese Information transportieren. Das heißt aber nicht, dass die politischen Implikationen, die daraus entstehen, auch notwendigerweise von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern transportiert werden sollten.
Das war aber nicht Bestandteil unserer Untersuchungen.
Welche Fragen bleiben offen?
Janssen: Zum Beispiel die Frage, was die Gesellschaft von Wissenschaft und Politik erwartet. Darauf gibt unsere Studie keine Antworten.
Auch Untersuchungen, bei denen die jeweiligen Kommunikatorinnen und Kommunikatoren eine Positionierung einnehmen und sich beispielsweise für oder gegen eine Maskenpflicht aussprechen, haben wir auch nicht angestellt. Das wollten wir in diesem Kontext nicht machen, da wir es in der damaligen Situation ethisch nicht vertreten wollten, gegen eine Maskenpflicht zu argumentieren. Es wäre allerdings sehr spannend zu wissen, was es mit der Vertrauenswürdigkeit macht, wenn der Kommunikator oder die Kommunikatorin Partei ergreift – beispielsweise für den Klimawandel oder für genetisch modifizierte Nahrungsmittel. Dazu gibt es bisher noch sehr wenig Forschung.