Foto: Keep Cool GbR

Klimaschutz spielend lernen

Gesellschaftsspiele können dabei helfen, Erkenntnisse über den Klimawandel unmittelbar erlebbar zu machen. Der Klimawissenschaftler Sebastian Bathiany stellt drei Beispiele für gelungene spielerische Umsetzungen dieses Themas vor.

Am gesellschaftlichen Dialog über den Klimawandel teilzunehmen, gehört für mich als Klimawissenschaftler vielleicht zu den erfüllendsten Erfahrungen – und zugleich zu den frustrierendsten. Seit fast 200 Jahren kennen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler den Treibhauseffekt, seit 50 Jahren warnen sie vor einem ernsten Problem. Mittlerweile läuft die Zeit davon. Das als Reaktion darauf noch verstärkte Alarmschlagen führte zwar zu einer neuerlichen Zunahme von Klimademonstrationen, etwa im Rahmen der „Fridays for Future“, verhallt aber auf politischer Ebene nach wie vor weitestgehend ungehört. Natürlich ist dies darauf zurückzuführen, dass Klimaschutz letztlich unseren Lebensstil in Frage stellt und mächtige Gegner hat. Zum Teil aber könnte es auch damit zusammenhängen, dass es in der Klimakommunikation bisher allzu verbreitet war, entweder mit zu abstrakten Konzepten zu operieren oder bewusst negative Gefühle wie Angst zu schüren, indem beispielsweise das baldige Ende der Menschheit an die Wand gemalt wird.

„Es war in der Klimakommunikation bisher allzu verbreitet, entweder mit zu abstrakten Konzepten zu operieren oder bewusst negative Gefühle wie Angst zu schüren.“ Sebastian Bathiany
Glücklicherweise gibt es eine bessere Alternative. Denn was uns Menschen motiviert zu handeln, ist meist nicht die Angst. Es sind unsere Werte, es sind unsere Ideen, es ist unser Ehrgeiz, unsere Freude, unsere Neugier, und unser Kontakt mit dem, was wir an der Welt lieben. Eine positive Klimakommunikation arbeitet mit diesen Ressourcen. Ihr Arsenal ist daher viel größer als die Methodik eines Schulbuchs oder eines wissenschaftlichen Vortrags; sie ist so vielseitig wie unsere Kultur. Und die Beispiele werden immer zahlreicher. Klimadaten werden in Musik umgewandelt, in Museen werden Klimazonen und Wetterereignisse erlebbar gemacht, Ausstellungen mit Kunstwerken zum Klimawandel bereichern wissenschaftliche Konferenzen, auf der Bühne erfreuen sich Science-Slams und andere Edutainment-Formate riesiger Beliebtheit, und immer mehr Kinderbücher erscheinen zum Thema Klimawandel.

Das vielleicht am nachhaltigsten wirkende Merkmal positiver Klimakommunikation ist jedoch, dass wir nicht mehr nur zusehen oder zuhören, sondern dass wir selbst zu Handelnden werden und so Erfahrungen machen. In den letzten Jahren wurden erfreulicherweise einige Spiele rund um den Klimawandel entwickelt, in denen die Folgen klimarelevanten Handelns für die Spielenden unmittelbar erlebbar werden. Anstatt also einmal mehr den Zeigefinger zu heben und vor dem Klimawandel zu warnen, halte ich es an dieser Stelle für geboten, einen Blick auf ein paar hervorragende Beispiele positiver Klimakommunikation zu werfen.

„Keep Cool“: Wenn Egoismus allen schadet

Das Problem des Klimawandels ist wie geschaffen für eine Umsetzung als Spiel: Verschiedene Akteure befinden sich in einem Wettbewerb, bei dem allzu egoistische Handlungen jedoch allen gemeinsam schaden. Eine besonders stringente Umsetzung dieses Prinzips ist das Brettspiel „Keep Cool“, das von dem Klimaforscher Gerhard Petschel-Held (1964–2005) und dem Umweltökonomen Klaus Eisenack von der Berliner Humboldt-Universität konzipiert wurde. Die Mitspielenden repräsentieren je eine Staatengruppe und versuchen, bestimmte wirtschaftliche und politische Ziele zu erreichen. Durch das Betreiben von Kraftwerken verdient man Geld (passenderweise in Form von Kohlechips), welches man wieder in den Bau neuer Kraftwerke investieren kann. Die Einnahmen aus fossilen Kraftwerken entnimmt man dem so genannten Karbometer, welches die globale Temperatur anzeigt. Je höher die Temperatur steigt, desto schlimmer werden die Schäden durch extreme Wetterereignisse. Um sich zu schützen, kann man in Schutzmaßnahmen oder erneuerbare Energien investieren.

Kohle machen oder Klima schonen? Das „Karbometer“ und der Spielplan von „Keep Cool“. Foto: Sebastian Bathiany

Sowohl die Startbedingungen als auch die Ziele unterscheiden sich unter den Spielerinnen und Spielern, letztlich können aber zwei Arten von Strategien unterschieden werden, nämlich die fossile und die nachhaltige Strategie. Setzt man auf fossile Energien, hat man einen kurzfristigen Vorteil, riskiert jedoch, Schaden durch Extremereignisse zu nehmen oder die globale Temperatur so hochzutreiben, dass alle verlieren. Dank der vielfältigen Möglichkeiten der Interaktion zwischen den Spielerinnen und Spielern zum Beispiel durch Verhandeln, Geldverleihen, der Finanzierung gemeinsamer Projekte oder dem Investieren in andere Länder, verläuft das Spiel selten langweilig und nie gleich. Dem Spiel liegt zudem ein wissenschaftliches Begleitheft bei, welches die Hintergründe fachlich fundiert und verständlich erläutert. Das bestechend einfache und eng an die tatsächlichen physikalischen, wirtschaftlichen und politischen Mechanismen angelehnte Spielprinzip macht so vor, dass Lernen Spaß machen kann. Als einziges echtes Manko des Spiels ist, außer der etwas unpraktischen Handhabung des Karbometers, wohl das sehr schlichte Design zu nennen. Eine professionellere Gestaltung würde ihm vermutlich noch mehr der Aufmerksamkeit verschaffen, die es verdient.

„CO2“: Wo das Ideal schon Wirklichkeit ist

Wer es gern komplizierter haben möchte, ist mit dem Brettspiel „CO2 vermutlich gut bedient. Wie in „Keep Cool“konkurrieren die Spielerinnen und Spieler um Ressourcen, verlieren jedoch alle bei zu starkem Klimawandel. In diesem Fall jedoch spielt man internationale Energieunternehmen, die Projekte vorschlagen, planen und bauen, ihre Fachleute auf Energie-Konferenzen schicken und mit Emissionszertifikaten handeln. Das Regelwerk ist trotz des ähnlichen Grundprinzips deutlich komplexer als in „Keep Cool“, was es Neulingen schwerer macht, eine Strategie zu entwickeln. Nach einem ziemlich komplexen System werden Geld, Siegpunkte, fachliche Expertise, Emissionszertifikate, Technologiewürfel und verschiedene Typen von Karten eingeheimst und ineinander umgewandelt. Die verschiedenen Fabriken müssen stets in mehreren dieser Währungen bezahlt werden und müssen mehrere Phasen durchlaufen (Vorschlag, Installierung, Konstruktion), bis sie wirklich in Betrieb sind. Am Ende erhält man Punkte für die Regionen, die man mit seinen Fabriken kontrolliert.

In dem Brettspiel „CO₂“ konkurrieren die Spielerinnen und Spieler als Energieunternehmen um Aufträge. Foto: Chris Norwood, CC BY 3.0

Die Regeln beschreiben in diesem Spiel eine von der Wirklichkeit etwas abweichende Situation. So gibt es dort beispielsweise einen funktionierenden globalen Emissionshandel, der von der UN kontrolliert wird. Außerdem ist eine fossile Strategie für die Spielerinnen und Spieler gar nicht vorgesehen. Stattdessen sind alle Konzerne an Nachhaltigkeit orientiert. Emissionen entstehen lediglich aus Versehen, wenn die Spielenden nicht erfolgreich genug sind – angesichts der tatsächlichen Problematik eine etwas beschönigende Darstellung. Die Ziele, das Spiel zu gewinnen und das Klima zu retten, sind bei „CO2“ daher stets im Einklang. In einer alternativen Spielvariante lässt sich sogar rein kooperativ spielen: Alle gewinnen oder verlieren dann gemeinsam gegen den Klimawandel.

Trotz der hohen Komplexität ist das Grundprinzip des Spiels einigermaßen intuitiv, und die Elemente greifen gut ineinander. Hervorzuheben ist auch das schöne Design des Spielbretts. Es bleibt zu hoffen, dass „CO2“ noch den Weg in deutsche Geschäfte findet. Vertrieben wird es bislang nämlich nur in Italien und den USA.

„Evolution: Climate“: Evolutionäres Wettrüsten im Klimawandel

Bei „Evolution: Climate“ handelt es sich um eine um Klimaeffekte ergänzte Erweiterung der Vorgängerversion namens „Evolution“, welche von dem Ökologen Dmitry Knorre zum Zweck der spielerischen Wissensvermittlung erfunden wurde. An die Stelle der menschlichen Akteure in „Keep Cool“ oder „CO2“ treten hier miteinander konkurrierende Tierarten, die dank der Evolution stets neue Eigenschaften entwickeln. Durch das Ausspielen von entsprechenden „Trait-Karten“ lassen sich neue Arten generieren und Synergien zwischen ihnen schaffen. Die Interaktion zwischen den Spielenden besteht, wie in der Evolutionsbiologie üblich, im strategischen Wettstreit um ein limitiertes Nahrungsangebot, und im Fressen und Gefressenwerden. Besonders schön an diesem Spiel ist, wie sich ein evolutionäres Wettrüsten entspinnt, in dem die Summe der Reaktionen und Gegenreaktionen die bizarrsten Kreaturen hervorbringt – bis diese womöglich durch einen ungewollten Klimawandel plötzlich aussterben. Die Temperaturskala reicht hierbei von einer Eiszeit bis zu einem globalen Treibhaus.

Spielplan und Spezies mit den sogenannten Trait-Karten von „Evolution: Climate“. Foto: Sebastian Bathiany

Während die Beeinflussung des Klimas im Spiel etwas willkürlich abläuft (manche Trait-Karten verändern es, andere nicht), orientieren sich die Folgen der Klimaänderungen an (stark vereinfachten) biologischen Prinzipien: Tiere mit geringerer Körpermasse leiden schneller unter Kälte, Tiere mit großer Masse unter Hitze. Die Prinzipien des Spiels sind zwar Allgemeinwissen, durch das aktive Spielen bekommt man jedoch ganz nebenbei ein intuitiveres Verständnis für die Wirkungsweise der Evolution und die enge Verbindung zwischen dem Leben und dem Klima auf der Erde. Außerdem besticht das Spiel mit einem wunderschön gestalteten Design. Bereits der Vorgänger „Evolution“ wurde völlig zu Recht in der wissenschaftlichen Zeitschrift Nature hoch gelobt. Mittlerweile wurde es als „Education Edition“ mit expliziten Erläuterungen versehen und ist auf dem Computer spielbar. Weitere Varianten (zum Beispiel „Ozeane“) sind ebenfalls bereits erschienen. Für Klimainteressierte ist natürlich unstrittig: „Climate“ ist die beste Variante!

Ein Klima der Neugier fördern

Die ausgewählten Beispiele veranschaulichen nur einige der vielen kreativen Wege, um den Klimawandel erlebbar zu machen und die Spielerinnen und Spieler durch das Erleben selbst zu einer Verhaltensänderung zu motivieren. Es sind diese Impulse, die wir brauchen, um ein Klima der Kreativität und der Neugier zu schaffen, und so mit dem komplexen Problem des Klimawandels umgehen zu können. Nur indem wir Ideen ausprobieren, erkunden und experimentieren, können wir positive Zukunftsszenarien entwickeln, die uns ermutigen und das bisher Undenkbare möglich machen. Sobald wir uns selbst in die Rolle der Erfinderin oder des Entscheidungsträgers begeben, verblassen die von den wesentlichen Fragen ablenkenden Scheinargumente. Indem wir selbst Verantwortung übernehmen, verringert sich die Kluft zwischen Werten und Verhalten. Insofern ist der Klimawandel keine Bedrohung, der wir hilflos ausgeliefert sind. Der Klimawandel ist auch eine Chance: eine Chance, zu lernen.

 

Gastbeiträge spiegeln nicht zwangsläufig die Meinung unserer Redaktion wider.