Der Immunologe Gabriel Sollberger hat mit einigen Kolleg*innen den Instagramkanal @Immunstagram gestartet und dabei sehr viel gelernt. Im Interview spricht er über seine Motivation für die Wissenschaftskommunikation, die Arbeit, die dahinter steckt und warum etwas Mut und vor allem ein gutes Team helfen.
„Jetzt erst recht“
Herr Sollberger, wieso finden Sie es wichtig über Wissenschaft zu kommunizieren?
Durch Corona hat sich noch mal ganz deutlich gezeigt, dass es in meinem Bereich, den Lifesciences und der Immunologie, schon immer wichtig war und auch bleibt, das zu tun. Die Leute haben viele Fragen, teilweise sehr grundlegende und die betreffen auch unsere Arbeit in der Grundlagenforschung. Dabei geht es nicht nur um inhaltliche Fragen, sondern auch um die Einordnung und die Erklärung von Prozessen. Was bedeuten Wachstumskurven oder der R-Wert, In welchem Kontexten stehen diese Informationen und wie sind sie zu interpretieren? Das zu verstehen hilft auch über Corona hinaus, denn es gibt viele verschiedene Krankheiten des Immunsystems, von denen Leute direkt betroffen sind.
Zum anderen forschen wir mit öffentlichen Mitteln und haben damit aus meiner Sicht auch eine Verpflichtung, die Menschen zu informieren. Open Access ist eine wichtige und tolle Sache, aber damit allein spricht man das Lai*innenpublikum nicht an. Es reicht nicht, Daten einfach öffentlich zugänglich zu machen. Es muss auch erklärt werden, was Daten bedeuten.
In welchen Formaten sind Sie dabei konkret unterwegs?
Angefangen habe ich als Postdoktorand damit, bei der langen Nacht der Wissenschaft kurze Laborführungen zu machen. Als ich dann die Gruppenleiterposition in Dundee übernommen habe, gab es immer mehr Outreachprojekte am Institut, wie zum Beispiel Schulbesuche. Das hat dann für mich wegen Corona leider nicht mehr geklappt. Stattdessen habe ich mit Freund*innen vor einiger Zeit einen Instagramkanal gestartet, dem @immunstagram, auf dem wir Infos rund um das Immunsystem zum Beispiel zu Viren, Corona, Impfungen und so weiter posten. Davon gab es natürlich schon ein paar auf der Plattform, auf Deutsch waren es aber noch nicht viele. Diese Lücke wollten wir ausfüllen und da stecke ich im Moment recht viel Zeit rein.
Mit wem betreiben Sie den Kanal @immunstagram?
Wir sind drei Forschende, die alle am Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie gearbeitet haben. Mittlerweile bin nur noch ich dort, der zweite ist jetzt bei einem Start-up, der dritte macht Projektmanagement in der Impfstoffentwicklung. Dazu kommen aber noch drei Personen, die sich mit Social Media auskennen und damit das Team komplett machen. Das haben wir drei Forscher am Anfang auch unterschätzt und sind darum ganz froh über die Kombination. Wir wollen auf dem Kanal nämlich auch nicht dozierend daherkommen, sondern gemeinsam mit den Leuten einen Lernprozess durchlaufen.
Wie sieht das dann konkret aus?
Wie sieht dabei genau die Arbeit mit der Community aus?
Da stecken wir noch in einem Lernprozess und können bestimmt noch besser werden. Bisher versuchen wir, die Posts möglichst mit interaktiven Elementen zu versehen und auch meist mit Fragen abzuschließen. Es ist uns nämlich sehr wichtig, nicht nur Informationen bereitzustellen, sondern auch eine gewisse Scientific Literacy zu erreichen. Das Publikum soll nachher in der Lage sein, etwa beim Lesen eines Zeitungsartikels die darin gelieferten Informationen auch einzuordnen. Dafür haben wir uns ein Format ausgedacht, bei dem wir gemeinsam mit dem Publikum Grafiken interpretieren. Da hatten wir ein Beispiel, in dem wir einige Fehler versteckt hatten und die man dann suchen konnte. Das hat bisher tatsächlich sehr gut funktioniert und wir haben richtig gute Antworten bekommen. Um noch mehr Leute mit ins Gespräch zu holen, hilft es außerdem, solche Posts noch mal als Story zu posten, um ihnen mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen. Außerdem reagieren wir natürlich auch auf Fragen aus den Kommentaren und planen dazu bei Bedarf neue Inhalte.
View this post on Instagram
Hat dieser Austausch auch Auswirkungen auf Ihre Forschungsarbeit?
Nicht unbedingt in den Forschungsfragen, aber sehr wohl in der Art, wie ich sie präsentiere. Es hilft mir sehr dabei, meine Inhalte zielgruppengerecht aufzubereiten und das ist auch bei der Kommunikation mit anderen Forschenden sehr hilfreich. Die Forschungsfelder sind einfach zu kleinteilig und spezialisiert. Es hilft also auch bei der Kommunikation mit Kolleg*innen, Dinge so einfach wie möglich zu erklären und den Jargon wegzulassen. Natürlich soll es nicht blöd werden, aber das muss es auch nicht. Viele Leute können diese Dinge verstehen, wenn man sich in sie hineinversetzt. Insofern hat es mir sehr dabei geholfen, die unnötige Fachvokabelschlacht zu vermeiden. Man kann auch präzise sein, ohne dass jedes zweite Wort ein Fremdwort, eine Abkürzung oder ein Akronym ist.
Welche Kommunikationsformate möchten Sie in Zukunft noch ausprobieren?
Das klingt so, als könnte man sehr viel Zeit mit solchen Formaten verbringen. Wie passt das mit einem Vollzeit-Forschungsjob zusammen?
Das ist tatsächlich schwierig. Bei Immunstagram machen wir das komplett am Wochenende und abends und, ganz ehrlich gesagt, haben wir ziemlich unterschätzt, wie viel Arbeit das alles ist. Trotzdem wollten wir dann unbedingt weitermachen. Das war schon fast eine Trotzreaktion, zu sagen: Jetzt erst recht. Es macht aber auch einfach Spaß. Wir treffen uns abends per Zoom und diskutieren die nächsten Themen, haben aber auch eine ziemlich gute Aufgabenteilung und man merkt, dass einige der Beteiligten hauptberuflich Projektmanagement machen. Das hilft. Trotzdem ist es so eine Art Ehrenamt, das uns einfach allen ein Anliegen ist.
Welchen Tipp würden Sie anderen Wissenschaftler*innen geben, die mit der Kommunikation starten wollen?