Foto: Campus-TV

Jenseits des stillen Kämmerleins

Tesafilm als Datenspeicher? Im Jahr 1998 ein großartiges Thema für einen Wissenschaftsjournalisten wie Joachim Kaiser! Der nämlich hatte gerade ein Fernsehmagazin mit Forschungsthemen etabliert. Im Gespräch mit Wissenschaftskommunikation.de erzählt Kaiser darüber, was ihm beim Rückblick auf zwei Jahrzehnte „Campus-TV“ auffällt.

Vier bis fünf Minuten dauert ein Beitrag innerhalb einer Sendung von Campus-TV. Das Magazin berichtet seit 20 Jahren über die Forschungsarbeit an Hochschulen im Rhein-Neckar-Raum. Ein fünf Minuten langer Beitrag gilt heute als ziemlich lang, doch hat dies seinen Grund. Der Mannheimer Wissenschaftsjournalist Joachim Kaiser: „In anderen Wissenschaftsformaten im Fernsehen ist es üblich geworden, dass der Moderator bereits sehr viel Inhalt vorwegnimmt, bevor der eigentliche Beitrag beginnt.“ Er selbst verstehe seine Rolle als Moderator anders: „Ich möchte die Wissenschaftler als Person in den Mittelpunkt rücken. Ich bin nur derjenige, der sie motiviert, selbst über ihr Forschungsprojekt zu berichten. Authentisch und gut verständlich!“

In dieser Strategie sieht sich Kaiser als verantwortlicher Redakteur der Sendung immer wieder bestätigt, egal ob es Naturwissenschaftler, Mediziner, Ingenieure oder Geisteswissenschaftler sind, die in seiner Sendung über ihre Arbeit erzählen. Gerade bei Begegnungen mit Nobelpreisträgern hat er beobachtet: „Diese Menschen sind ungeachtet ihrer ungeheuren Spezialisierung immer auch Universalgelehrte. Menschen ohne Scheuklappen, mit denen man über Chemie, Literatur und Politik gleichermaßen diskutieren kann. Eigentlich ist dies ja auch eine wichtige Voraussetzung, denn erfolgreiche Wissenschaftler müssen ihre Forschung in einen gesellschaftlichen Gesamtzusammenhang einordnen können.“

„Die Wissenschaftler sind offener geworden“

Ob sich das Auftreten der Wissenschaftler im Verlauf der zwanzig Jahre verändert hat? „Oh ja,“ bestätigt der Redakteur, und er fasst seinen Eindruck so zusammen: „Die Wissenschaftler sind offener geworden. Sie haben eingesehen, dass man nicht immer nur im stillen Kämmerlein arbeiten kann.“ Neue technologische Möglichkeiten und der weltweite fachliche Austausch mittels einer Vielzahl neuer Kommunikationskanäle hätten diese Entwicklung natürlich begünstigt.

Und die Zuschauer, die Nicht-Spezialisten? Sind wir alle nicht immer oberflächlicher unterwegs? Kaiser hat das Gegenteil beobachtet: „Nach meinem Eindruck ist die Bereitschaft, sich mit wissenschaftlichen Themen auseinanderzusetzen, größer geworden.“ Was natürlich auch daran liegt, dass wissenschaftliche Themen nichts an Faszination eingebüßt haben.

Eindrucksvoller Themen-Mix

Atemberaubende Aufnahmen aus dem Weltraum brachte beispielsweise ein Astronaut mit ins Fernsehstudio, ein andermal steht der urzeitliche Lurch Axolotl im Fokus, dessen erfolgreich entschlüsseltes Genom sogar das Nachwachsen von Gliedmaßen veranlassen kann. Und immer wieder Medizin: Computermodelle simulieren Prozesse des menschlichen Gehirns, moderne Tomographiegeräte blicken so präzise in das Innere des Menschen, wie es sich ein Conrad Röntgen nie hätte träumen lassen. „Die Vielfalt der Themen ist superspannend,“ freut sich Kaiser, der sich die Neugier als zentrale journalistische Tugend bis heute erhalten hat.

Ausgestrahlt wird „Campus-TV“ auf dem im Rhein-Neckar-Raum beliebten privaten Kanal RNF plus. Alle vier Wochen entsteht eine neue Folge. In deren Mittelpunkt stehen vier längere Beiträge aus der Hochschul- und Forschungslandschaft sowie aktuelle Nachrichten aus der Wissenschaftsregion. Zu festen Zeiten wird jede Folge 16 mal wiederholt und erreicht dabei nach Schätzung von Joachim Kaiser rund 200.000 Zuschauer.

„Unsere Sendung wird von Profis gemacht,“ betont Kaiser, „das ist für Hochschul-TV ziemlich einzigartig.“ Gefördert wird die Sendung von der baden-württembergischen Landesanstalt für Kommunikation, der SRH Holding Heidelberg und der Klaus-Tschira-Stiftung. Außerdem unterstützt das Rhein-Neckar-Fernsehen (RNF) das Wissenschaftsmagazin, beispielsweise indem es Technik und Kameraleute bereitstellt. Dessen Geschäftsführer und langjähriger Chefredakteur Bert Siegelmann war übrigens vor 20 Jahren einer der Ideengeber für die Gründung von Campus-TV.

Nun möchten Sie zum guten Schluss noch wissen, was eigentlich aus dem Tesafilm als Datenspeicher geworden ist? Ein Informatiker der Universität Mannheim legte 1998 die damals fast unvorstellbare Menge von zehn Gigabyte auf einer Rolle des Klebebands ab. Doch rollte die technische Entwicklung mit ihren praktischen USB-Sticks darüber hinweg.