Julia Offe hat ein Faible für Wissenschaft in Kneipen. Die promovierte Biologin organisiert seit neun Jahren deutschlandweit Science Slams. Seit 2011 ist sie selbstständig und in Hamburg hat sie im vergangenen Jahr auch den March for Science mitorganisiert. Im Jobprofil erzählt sie, wie die arglose Frage einer Freundin sie zur Wissenschaftskommunikation gebracht hat.
Im Profil: Julia Offe
Karriereleiter, Karrieresprungbrett oder Karrierekarussell – Wie war Ihr Weg in die Wissenschaftskommunikation?
Schon während des Studiums hatte ich viele Freunde, die nicht Naturwissenschaftler waren. Ich habe es immer als schöne Herausforderung gesehen, ihnen nahezubringen, was das Tolle am Experimentieren ist. Dass man so viele Parameter kennt, und trotzdem nicht weiß, was „rauskommt.“ Und dann gab es ein Schlüsselerlebnis: Ich war damals Diplomandin am Max-Planck-Institut für Immunbiologie und erzählte einer Schulfreundin, die Schauspielerin geworden war, kurz von meiner Arbeit. Da sie fragten allen Ernstes: „Entwickelt ihr eigentlich auch biologische Waffen?“ In dem Moment wurde mir klar, dass Selbst- und Fremdwahrnehmung von Wissenschaftlern sehr, sehr weit auseinanderklaffen können. Und, dass es unsere Aufgabe ist zu erklären, was wir tun, was uns antreibt und welche Hoffnungen wir damit verbinden. Egal, ob es die Hoffnung auf Erkenntnis oder die auf einen Beitrag zu einer besseren Welt ist. Seitdem wusste ich, dass ich Wissenschaft kommunizieren möchte.
Schon während meiner Doktorarbeit habe ich angefangen, für das Laborjournal zu schreiben. Ich habe dann nach meiner Promotion zwei Praktika gemacht, eines am Robert-Koch-Institut, eines bei einer Fernsehproduktionsfirma. Und dann hörte ich vom Science Slam und war sofort begeistert: Wissenschaft in Clubs zu bringen, klang nach dem perfekten Format! Ich hatte das Glück, noch eine dreijährige Teilzeit-Postdoc-Stelle zu bekommen. So konnte ich selbst forschen und gleichzeitig meine freien Projekte verfolgen – und mich direkt im Anschluss selbstständig machen. Das bin ich jetzt seit 2011 und mache nach wie vor Science Slams, aber auch andere Veranstaltungsformate, die in verschiedener Weise Wissenschaft in Clubs und Kneipen bringt.
Was sind die größten Herausforderungen in Ihrem Job und warum lohnt es sich trotzdem jeden Tag?
Es ist über die Jahre viel besser geworden, aber es ist immer noch nicht leicht, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu finden, die sich auf neue Formate der Wissenschaftskommunikation einlassen. Da muss man selbst schon sehr überzeugt sein, um andere zu überzeugen! Und die Selbstständigkeit ist nichts für schwache Nerven – aber gerade deswegen freue ich mich über jede ausverkaufte Veranstaltung, jeden Auftrag und jede interessante Anfrage. Ich sehe, wie Hunderte von Menschen zu meinen Veranstaltungen kommen und während der Veranstaltung, dass 500 Leute mit ihren Sitznachbarn über Gene Editing oder Teilchenphysik diskutieren. Und ich weiß, dass ich es war, die dafür den Rahmen geschaffen hat.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft der Wissenschaftskommunikation?
Ich fände mehr niedrigschwellige Angebote gut, bei denen Leute wissenschaftliche Themen kennenlernen, ohne sich dafür eine Eintrittskarte kaufen und zu einer bestimmten Uhrzeit an einem bestimmten Ort sein zu müssen. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sollten mehr in Schulen gehen, und wir sollten mehr Wissenschaftskommunikation im öffentlichen Raum haben – Wissenschaft kommt dort noch zu wenig vor. Ich wünsche mir Leute, die an einem Samstag im Einkaufzentrum, an einem sonnigen Nachmittag im Park oder im Berufsverkehr in der U-Bahn Wissenschaft kommunizieren. Außerdem möchte ich alle Wissenschaftler bestärken, selbst ihr Thema zu kommunizieren, also über Blogs, Podcasts, Social Media, Science Slams etc. und das nicht den PR-Abteilungen ihrer Institute zu überlassen.
Bonusfrage: Wie wird es Ihrer Meinung nach mit der Bewegung zum March for Science weitergehen?
Ich habe 2017 den March for Science in Hamburg maßgeblich mitorganisiert und ich fand diese weltweiten Demonstrationen von Wissenschaftlern auch toll. Ich denke, dass die Aktion das Thema gut in die Öffentlichkeit gerückt hat. Dennoch glaube ich, dass sich Fake News, Wissenschaftsverdrossenheit und das „Hinbiegen“ des wissenschaftlichen Forschungsstandes durch interessengeleitete Politiker nicht mit einer jährlichen Demonstration bekämpfen lassen. Sie reicht auch nicht aus, um den Bürgern kritisch-wissenschaftliches Denken nahezubringen. Und wir alle sollten Behauptungen heute mehr denn je hinterfragen. Ich denke, dass regelmäßige, kleinere Veranstaltungen, bei denen Bürgerinnen und Bürger mit Forschenden in den Dialog treten können, wirkungsvoller sind und dass wir sie dringend brauchen.