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Im Profil: Jens Kube

Von der Sternwarte zur Arktis, von Welt der Physik in die freie Wissenschaftskommunikation: Jens Kube erzählt im Jobprofil von seinem persönlichen Weg in die Wisskomm, weshalb er schließlich die Stelle am DESY verließ und was ihn tagtäglich in seiner Arbeit motiviert.

Karriereleiter, Karrieresprung oder Karrierekarussell – Wie war Ihr Weg in die Wissenschafts­kommunikation?

Ich habe schon Wissenschaftskommunikation betrieben, bevor ich Wissenschaftler wurde: an einer Volkssternwarte nahe meines Heimatortes. Auch während meines Physikstudiums konnte ich dieser Leidenschaft – dem Erzählen über das Weltall – nachgehen: mit Sternführungen im Garten des Studentenwohnheims in Erlangen (damals stand der Komet Hyakutake hoch und hell am Himmel), später dann in der alten Sternwarte in Göttingen. Zusätzlich war ich, seit ich schreiben konnte, aktiv in Schüler- und Studierendenzeitungen.

Der Sprung raus aus der eigenen Forschung (über magnetische Doppelsterne, sogenannte „Polare“) führte mich nach der Promotion zur irdischen Polarforschung. Für das Alfred-Wegener-Institut (AWI) war ich ein Jahr lang Stationsleiter der AWIPEV-Forschungsstation in Ny-Ålesund auf Spitzbergen, die damals noch Koldewey-Station hieß – als Überwinterer in der Arktis. Anders als bei den Kolleginnen und Kollegen auf der Neumayer-Station in der Antarktis war dies allerdings nicht mit einem halben Jahr ohne Austausch mit der Außenwelt verbunden. Im Gegenteil: Da der kleine Forschungsort immer gut zu erreichen ist, waren zahlreiche politische Delegationen zu Gast, daher war die Kommunikation über wissenschaftliche Ergebnisse und Fragestellungen ein wichtiger Teil meiner Aufgaben.

Im Anschluss hatte ich die Gelegenheit, im Postdoc-Qualifikationsprogramm für Wissenschaftskommunikatorinnen und -kommunikatoren am AWI zu bleiben – quasi für ein Volontariat. Leider war dies – wie so oft im öffentlichen Dienst – ohne Aussicht auf eine Dauerstelle angelegt, sodass ich nach etwas mehr als zwei Jahren die nächste Stelle antrat: als Chefredakteur von Welt der Physik am DESY in Hamburg. Im Laufe der Jahre erweiterte ich beim dortigen Projektträger den Geschäftsbereich der Wissenschaftskommunikation vom Einzelkämpferdasein auf eine kleine Gruppe von bis zu sechs Personen. Außerdem waren mehr als ein Dutzend Praktikantinnen und Praktikanten im Laufe der Zeit zu Gast. Für einige von ihnen war dies der Einstieg in eine erfolgreiche Karriere in der Wissenschaftskommunikation.

Für mich selbst war das DESY noch nicht das Ende des Karrierekarussells: Ich kündigte nach acht Jahren, um seit dem 1. Januar 2016 als freier Wissenschaftskommunikator von Bremen aus selbständig tätig zu sein. Seitdem läuft dieses Wagnis wirtschaftlich solide und ausreichend erfolgreich.

„Als Freelancer kann ich schneller als im großen Dampfer eines Helmholtz-Zentrums meine Arbeitsmittel und meine Schwerpunkte so einrichten, wie ich es für optimal halte.“ Jens Kube
Warum ich die Sicherheit der DESY-Stelle aufgegeben habe? Als Freelancer kann ich schneller als im großen Dampfer eines Helmholtz-Zentrums meine Arbeitsmittel und meine Schwerpunkte so einrichten, wie ich es für optimal halte. Für meine tägliche Zufriedenheit ist das ein wichtiger Punkt. Ich schreibe, spreche und filme (letzteres in Zukunft hoffentlich noch mehr) über physikalische Grundlagenforschung und verwandte Themen. Seit einigen Jahren gehöre ich zum Team des Wissenschaftsfestivals Highlights der Physik, welches jedes Jahr über 50.000 Besucherinnen und Besucher mit aktueller physikalischer Forschung konfrontiert. Außerdem gebe ich mehrmals im Jahr Seminare zur Wissenschaftskommunikation und zum wirksamen Präsentieren für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.

Was sind die größten Herausforderungen in Ihrem Job und warum lohnt es sich trotzdem jeden Tag?

„Als freier Wissenschaftskommunikator sind die richtige Balance zwischen vorhandener und verkaufter Arbeitszeit und die Selbstmotivation die größten organisatorischen Herausforderungen.“ Jens Kube
Als freier Wissenschaftskommunikator (noch) ohne feste Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind die richtige Balance zwischen vorhandener und verkaufter Arbeitszeit und die Selbstmotivation die größten organisatorischen Herausforderungen: Soll ich jeden Auftrag annehmen, jede Anfrage für ein Angebot beantworten? Haben die anfragenden (öffentlichen) Auftraggeber vielleicht schon einen Partner, der den Job machen soll, und brauchen nur ein Vergleichsangebot? Ich war ja lange genug auf der anderen Seite der Auftragsvergabe… Reicht es, hundert Tage im Jahr zu verkaufen? Und was passiert, wenn ich hundert Tage im Quartal verkauft habe? Lieber heute noch was fertigbekommen, wenn der Abgabetermin doch noch so weit entfernt ist, oder mit neuen Möglichkeiten unbezahlt experimentieren?

Auch auf inhaltlicher Ebene gibt es immer wieder Herausforderungen. Dabei geht es weniger darum, wie man eine besonders nerdige und für das tägliche Leben der nächsten 74 Jahre völlig irrelevante naturwissenschaftliche Erkenntnis für „die breite Öffentlichkeit“ erklärt. Manchmal gibt es in den Prozessen viele Akteurinnen und Akteure, die ihre eigenen Ideen haben und einbringen möchten. So kommt es vor, dass Dinge zwischen verschiedenen Entscheidungsstellen hin- und hergeschoben werden, bis sie am Ende nur noch anders werden – aber nicht mehr besser. Hier muss ich mich als Experte für die Kommunikationsbelange auch mal trauen, meinen Standpunkt zu vertreten und zu sagen: „Aus meiner Erfahrung ist diese Art der Darstellung für unseren Zweck gut genug – und damit auch fertig.“ Mit zunehmender Berufserfahrung vertrauen dann die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler immer häufiger auf diese Expertise. Wenn das Produkt am Ende bei der Zielgruppe auch noch gut ankommt und mir persönlich gefällt, dann ist das sehr befriedigend.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft der Wissenschafts­kommunikation?

Wissenschaftskommunikation ist (nach der von mir benutzten Definition) Teil der Wissenschaft. In ihr arbeiten auch viele Forscherinnen und Forscher, die nicht mehr selbst an der vordersten Erkenntnislinie stehen. Diese Kommunikatorinnen und Kommunikatoren sollten die Forschenden so gut es geht unterstützen und gleichzeitig selbst neugierig und beweglich bleiben. Sie sollen Mut haben, neue Formate auszuprobieren (das dürfte ihnen als Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ja gelegen kommen), Mut zum Dialog mit Menschen, die die Forschung für relevant halten und ihre eigenen Ideen einbringen möchten. Ich wünsche mir, dass möglichst viele Forschende ebenfalls die Energie aufbringen, ihre Arbeit und Ergebnisse verständlich darzustellen. In den letzten Jahren haben Science Slams oder die verschiedenen Formate für Wissenschaft in der Kneipe den Unterhaltungscharakter angenehm betont. In dieser Richtung sollten Forschende und Kommunikatorinnen und Kommunikatoren weitermachen: Wissenschaft als Kulturleistung dort sichtbar machen, wo auch andere Kulturschaffende ihre Arbeit präsentieren. Die Forschenden sollten sich trauen, in gesellschaftlich relevanten Punkten auf Basis ihrer Forschungsergebnisse Stellung zu beziehen. Sie sollen Handlungsvorschläge für die Politik aufbereiten – mit Unterstützung von den Kommunikatorinnen und Kommunikatoren.

Bonusfrage: Was ist momentan die spannendste Entwicklung in Ihrem Berufsfeld?

„Wenn der Kollege oder die Kollegin aus der Wisskomm deinen Text schon nicht versteht, wie soll dann erst Heinz/Lieschen Müller dahinterkommen?“ Jens Kube
Ich beobachte, dass immer mehr Wissenschaftskommunikatorinnen und -kommunikatoren ohne eine vertiefte fachwissenschaftliche Ausbildung in das Berufsfeld einsteigen. Das ist insofern spannend, als dass sie eher die Perspektive von außerhalb der Wissenschaft einnehmen können als ehemals selbst Forschende. Sie stellen Fragen, die Wissenschaftskommunikatorinnen und –kommunikatoren mit eigenem Forschungshintergrund vielleicht gar nicht stellen können. Die Produktion der Inhalte wird dadurch vielleicht anstrengender (da mehr Fragen gestellt werden), gleichzeitig gibt es so Rückendeckung, wenn man „einfachere“ Erklärungen von den Forschenden einfordert: „Wenn der Kollege oder die Kollegin aus der Wisskomm deinen Text schon nicht versteht, wie soll dann erst Heinz/Lieschen Müller von der Straße dahinterkommen?“ Von Physiker zu Physikerin ist das nicht immer überzeugend genug.


Foto: Gesine Born

Jens Kube (@jenskube) ist promovierter Astrophysiker. Nach einer Überwinterung in der Arktis stieg er am Alfred-Wegener-Institut in die Wissenschafts­kommunikation ein. Er war Chefredakteur von Welt der Physik und baute beim Projektträger DESY die Gruppe für Wissenschafts­kommunikation auf. Seit 2016 ist er freier Wissenschafts­kommunikator.