Von der Kinderzeitung bis zum Wissenschaftsblog, auf der Bühne oder vor dem Smartphone: Florian Aigner, vom Fach Physiker, kommuniziert querbeet und mag seinen bunten Arbeitsalltag. Wie er in der Wissenschaftskommunikation landete und warum diese endlich aus der „Streichelzoo-Ecke“ gehört, erklärt er im Profil.
Im Profil: Florian Aigner
Karriereleiter, Karrieresprungbrett oder Karrierekarussell – Wie war Ihr Weg in die Wissenschaftskommunikation?
Wenn ich sage, dass mein Weg ungewöhnlich war, dann ist das wohl alles andere als ungewöhnlich – in einer Branche, in der es den „gewöhnlichen Weg“ wohl gar nicht gibt.
Ich habe an der Technischen Universität Wien Physik studiert und dann eine Dissertation über theoretische Quantenphysik geschrieben. Das habe ich niemals bereut, es war eine spannende und lehrreiche Zeit. Allerdings wurden mir damals auch zwei wichtige Dinge klar: Erstens, dass ich schrecklich gerne erkläre und erst dann das Gefühl habe, etwas wirklich verstanden zu haben, wenn ich den Gedanken auf einfache Weise weitergeben kann. Und zweitens, dass akademische Forschung zwar etwas Wunderschönes ist, aber für meinen persönlichen Geschmack zu spezialisiert: Mir ist es lieber, über viele Dinge ein bisschen Bescheid zu wissen, als über wenige Dinge alles herauszufinden. So war für mich relativ früh klar, dass ich keine akademische Karriere anstrebe – und nachdem ich das Schreiben immer schon sehr reizvoll fand, war es naheliegend, meinen „Wissenschafts-Erklärdrang“ auf diese Weise auszuleben.
Im Lauf der Zeit brachte ich dann auch Texte in etablierteren Medien unter und kam schließlich in Kontakt mit der Presseabteilung meiner eigenen Universität – ein Berufsfeld, das ich vorher noch kaum wahrgenommen hatte. Durch eine Kombination glücklicher Zufälle gelang es mir, die TU Wien davon zu überzeugen, mich nach Abschluss meiner Dissertation zum universitätseigenen Wissenschaftsredakteur zu machen, um die Forschungsergebnisse des Hauses allgemeinverständlich aufzubereiten.
Mir war es immer wichtig, möglichst viele Formate und Kommunikationsmöglichkeiten auszuprobieren, und so blieb ich daneben immer aktiv als freier Journalist. Von der Kinderzeitung bis zur Hochglanz-Coverstory, vom Video bis zum Bühnenauftritt, vom Tweet bis zum Wissenschaftsbuch: Mittlerweile habe ich fast alles irgendwann gemacht, und genauso bunt möchte ich meine Arbeit auch in Zukunft halten.
Was sind die größten Herausforderungen in Ihrem Job und warum lohnt es sich trotzdem jeden Tag?
Manchmal muss man in meinem Beruf eher Diplomat sein als Journalist. Es kommt vor, dass Leute voller Begeisterung auf mich zukommen, mit wissenschaftlichen Ergebnissen, die in jahrelanger harter Arbeit errungen wurden. Diese Ergebnisse sind sicher korrekt, durchdacht und bewundernswert – aber das heißt leider noch nicht, dass sie auch wirklich für die breite Öffentlichkeit geeignet sind. Manche Dinge sind für Fachleute großartig spannend, für andere Menschen aber eher uninteressant. Manche geniale Ideen kann man nicht in einen Zeitungsartikel packen. Man muss also geschickt vermitteln, zwischen dem Bedürfnis von Forscherinnen und Forschern, den Bedürfnissen der Leserinnen und Leser, dem Bedürfnis der Medien und der Universitäten. Da kann es schon einmal passieren, dass am Ende irgendjemand nicht ganz glücklich ist.
Andererseits gibt es in der Wissenschaft auch kluge Leute, die mit ihrer Forschung auf die Titelseiten kommen könnten, aber keinen allzu großen Wert darauf legen – sei es aus falscher Bescheidenheit oder wegen einer falschen Einschätzung des öffentlichen Interesses. Da muss man dann Überredungskünste beweisen und diese Personen davon überzeugen, dass sie ihre tollen Leistungen auch stolz nach außen tragen sollten.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft der Wissenschaftskommunikation?
Ich habe das Gefühl, Wissenschaftskommunikation wird oft immer noch als ein nettes Zusatzextra wahrgenommen, wie die Sitzheizung und Zierfelgen beim Autokauf. Man fühlt sich gut, wenn man in Sonntagsreden darauf hinweist, dass Wissenschaftskommunikation ganz toll und wichtig ist, aber geistig schiebt man sie trotzdem immer noch in die Kategorie „erfreulicher Luxus, den man sich gönnt, wenn nichts dagegenspricht.“ Das muss sich ändern.
Politischer Journalismus muss sich niemals rechtfertigen. Niemand fragt, ob der politische Artikel es wirklich wert ist, einen Platz auf der Titelseite zu bekommen. Und das ist auch gut so – denn unsere Demokratie ist darauf angewiesen. Unsere Demokratie ist aber auch darauf angewiesen, dass wir in einer aufgeklärten, rationalen Gesellschaft leben, in der auf Basis von wissenschaftlichen Fakten diskutiert wird. Und das ist eine zentrale Aufgabe der Wissenschaftskommunikation. Ob in Zeitungen, in Fernsehsendungen, auf Youtube oder in Blogartikeln: Wir müssen gemeinsam daran arbeiten, dass Fakten leicht zugänglich sind, dass komplizierte Zusammenhänge verständlich dargestellt werden, dass Menschen auf der ganzen Welt die Möglichkeit haben, die Welt zu verstehen – so gut es eben geht.
Die Wissenschaftskommunikation muss raus aus der gesellschaftlichen Streichelzoo-Ecke. Wissenschaftliche Fakten sind keine nette Unterhaltung für nebenbei, sondern die Basis unseres modernen Lebens.
Bonusfrage: Sie haben in Ihrer Karriere Wissenschaft für sehr unterschiedliche Zielgruppen aufbereitet. Haben Sie dabei eine „Lieblingszielgruppe“, für die Sie am liebsten schreiben?
Ich genieße es, die Zielgruppen zu wechseln. Ich glaube, es ist wichtig, sich an unterschiedliche Bedürfnisse anpassen zu können. Aber wenn ich es mir aussuchen kann, dann wende ich mich an Leute, die zwar ein ehrliches Interesse mitbringen, aber nicht unbedingt eine einschlägige wissenschaftliche Ausbildung.
Wenn man überhaupt kein Grundlagenwissen voraussetzen kann und erst einmal erklären muss, was ein Proton ist, dann muss man sich auf sehr einfache Themen beschränken. Wenn man sich hingegen nur an eine enge Nische von Expertinnen und Experten wendet, dann wiederum bekommt man es nur mit sehr spezifischen akademischen Detailfragen zu tun, die ich meistens nicht so spannend finde. Irgendwo dazwischen liegt die goldene Mitte: Bei Leuten, denen man komplexe Gedankengänge zumuten kann, die sich aber noch mit einer gewissen überraschten Unbekümmertheit über die großen verrückten Ideen der Wissenschaft freuen. Jemandem das quantenphysikalische Doppelspaltexperiment zu erklären – und das Gefühl zu haben, dass es auch wirklich verstanden wird – das sind die Momente, für die man den Beruf liebt.
Florian Aigner ist Physiker, Wissenschaftspublizist und Buchautor und lebt in Wien. Er schreibt meist über Themen aus dem Bereich Naturwissenschaft und Technik, manchmal aber auch über esoterische und pseudowissenschaftliche Behauptungen, die sich allzu gerne als Wissenschaft tarnen.