Foto: Johanna Ruebel

Im Profil: Dominik Erhard

Für Dominik Erhard wurde ein „Philosophy Slam“ zum Sprungbrett in den Wissenschaftsjournalismus. Im Jobprofil spricht der leitende Redakteur des Philosophie Magazins über den zunehmenden Produktivitätsdruck und den „schmalen Grat“, Texte verständlich zu formulieren, ohne sie dabei zu sehr zu vereinfachen.

Karriereleiter, Karrieresprungbrett oder Karrierekarussell – Wie war Ihr Weg in den Wissenschaftsjournalismus?

In meinem Fall stand wohl ein Bühnenbrett so von den anderen ab, dass ich es direkt als Karrieresprungbrett nutzen konnte. Konkret bin ich 2015 auf einem „Philosophy Slam“ in Biel aufgetreten. Einem Format, das an den „Poetry Slam“ angelehnt ist, sich aber auf philosophische Texte konzentriert. Nachdem ich dort meine Performance abgeschlossen hatte, kam Wolfram Eilenberger auf mich zu, der damals Chefredakteur des Philosophie Magazin war, und bot mir eine Praktikumsstelle an. Ich begann also als Praktikant, bin heute Leitender Redakteur Online des Magazins und koordiniere die exklusiven Inhalte, die wir zweimal täglich auf philomag.de veröffentlichen. Kürzlich bin ich nochmals geplanter ins kalte Wasser gesprungen, indem ich einen Master of Business Administration an der HWR Berlin angefangen habe. Denn gerade im Online-Journalismus ist es ratsam, nicht nur inhaltlich immer weiter an seinen Kenntnissen zu arbeiten, sondern auch die Verlagsabläufe zu verstehen und zu wissen, was Marketingbegriffe wie etwa „Conversion Rate“ bedeuten. Um es auch direkt konkret und vielleicht auch für die Leser*innen hier lehrreich zu machen, bezeichnet diese den prozentualen Anteil von Website-Besucher*innen, die eine gewünschte Aktion ausführen, wie zum Beispiel einen Kauf tätigen oder sich für einen Newsletter anmelden.

Was sind die größten Herausforderungen in Ihrem Job und warum lohnt es sich trotzdem jeden Tag?

Ich habe das wirklich große Glück, einem Beruf nachgehen zu können, der Gedanken zulässt. Und dennoch ist auch in der Redaktion unseres Magazins spürbar, dass sich der Produktivitätsdruck erhöht. Ich versuche deshalb, meinem Team und auch mir selbst immer Räume zu schaffen, in denen es tatsächlich zu produktivem Leerlauf kommt. Auf die besten Ideen kommen wir oft im gemeinsamen Gespräch nach einer regulären Redaktionssitzung, wenn es einfach um die Themen geht, die uns gerade ganz persönlich umtreiben. Aber das ist Raum, den man schaffen und sich selbst nehmen muss. Denn wenn alles zur Verwaltung wird, kommen wirklich neue Perspektiven und Ansätze zu kurz.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft des Wissenschaftsjournalismus?

Der Gründer der Zeitschrift Daily Mail soll einer Anekdote von Roger Willemsen zufolge, eine kleine Holztafel über seinem Schreibtisch gehabt haben, die folgende Inschrift trug: „Es ist 10!“. Damit war allerdings nicht die Uhrzeit gemeint, sondern, dass die Inhalte seiner Zeitschrift prinzipiell auch für 10-jährige Kinder verständlich sein sollen. Ein Gedanke, den ich aus einer Perspektive sehr richtig finde, der aber auch seine Tücken hat. Sinnvoll finde ich die Idee, dass komplexe Inhalte sprachlich so verständlich vermittelt werden, dass sie für möglichst viele Menschen zugänglich sind. Kritisch sehe ich es allerdings, wenn man die Dinge nicht nur so einfach wie möglich macht, sondern noch einfacher. Denn dann verliert Journalismus nicht nur seine Funktion, sondern wird schädlich, indem er Halbwissen verbreitet. Für die Zukunft des Wissenschaftsjournalismus wünsche ich mir deshalb, dass wir uns dieses schmalen Grades weiter bewusst sind und ihn im Zweifelsfall eher in Richtung inhaltlicher als sprachlicher Überforderung überschreiten. Denn zumindest in meiner Erfahrung muten sich Leser*innen lieber einen tiefen Gedanken zu, als intellektuell zu plantschen, wenn es drauf ankommt.

Was ist Ihrer Meinung nach die Kernaufgabe von Wissenschaftsjournalismus im Bereich Philosophie?

Eine meiner fundamentalen Überzeugungen lautet: Wenn wir wissen, welches Problem wir haben, sind wir besser dran, als wenn wir einfach halbblind nach Lösungen suchen. Deshalb besteht für mich die Kernaufgabe des Wissenschaftsjournalismus im Bereich Philosophie darin, noch mehr Menschen deutlich zu machen, dass all diese großartigen Denker*innen in der Geschichte der Philosophie schon zu vielen Herausforderungen Ansätze gefunden haben, an denen wir heute anknüpfen können. Nehmen Sie beispielsweise diesen Textauszug aus Theodor W. Adornos Schrift „Studien zum autoritären Charakter“ aus dem Jahr 1950:

„Alle modernen faschistischen Bewegungen, einschließlich der Praktiken der gegenwärtigen amerikanischen Demagogen, haben es auf die Unwissenden abgesehen: sie stutzen die Tatsachen bewusst in einer Weise zurecht, die nur bei denen zum Erfolg führt, welche mit ihnen nicht vertraut sind. Die Unkenntnis von der heutigen komplexen Gesellschaft führt zu einem Zustand allgemeiner Unsicherheit und Unruhe, der den idealen Nährboden für reaktionäre Massenbewegungen modernen Typs bildet.“

Kommt einem das heute nicht bekannt vor?


Dominik Erhard ist Leitender Redakteur Online von Deutschlands größtem Philosophiemagazin „Philosophie Magazin“. Als Autor wendet er sich insbesondere Fragen der Technikphilosophie zu und führt Interviews mit den relevantesten Denkerinnen und Denkern unserer Zeit. Seit 2023 ist er Teil der Programmleitung des Philosophiefestivals „phil.COLOGNE“. Foto: Marvin Ruppert