„Öffentliche Talks werden oft als privater Spaß angesehen“
Daniel Angerhausen liebt es, öffentlich über seine Forschung zu sprechen. Seine Dienstreisen plant er so, dass er noch ein Event zur Wissenschaftskommunikation mitnehmen kann. Im Interview plädiert der promovierte Astrophysiker für mehr Wertschätzung für Kommunikationsanstrengungen von Seiten der Forschenden.
Ulrike Brandt-Bohne ist promovierte Biologin und seit mehr als 10 Jahren im Bereich Wissenschaftskommunikation aktiv. Sie arbeitet als Dozentin am NaWik und war von 2016 bis 2021 von Seiten des NaWik als Redakteurin des Portals Wissenschaftskommunikation.de tätig.
Herr Angerhausen, wie sind Sie zur Wissenschaftskommunikation gekommen?
Angefangen hat bei mir alles mit dem FameLab, einem weltweiten Wettbewerb der Wissenschaftskommunikation für Kommunikationswillige. Ich komme aus dem Rheinland und aus einer Karnevalistenfamilie – da stand ich schon als Kind auf der Bühne. Beim FameLab stand ich nun das erste Mal mit meiner Wissenschaft und einem Unterhaltungsauftrag vor einem breiten Publikum. Ich war sofort infiziert.
Im Moment ist die Wissenschaftskommunikation für mich eine Art Rettungsweste, die mich in der Academia über Wasser hält. Sie lässt mich aus der Menge der Wissenschaftler herausragen. So kann ich gut mitschwimmen, auch wenn ich nicht so viele Publikationen habe. Außerdem knüpfe ich dadurch viele Kontakte zur Wirtschaft.
Wie verbinden Sie Ihre Forschung und die Kommunikation?
Manche brüten über ihre Forschung im stillen Kämmerchen. Ich dagegen ziehe meine Ideen oft aus Gesprächen. Daher nutze ich jede Gelegenheit, öffentlich zu sprechen. Insbesondere weil die Forschung heutzutage immer interdisziplinärer wird, muss man raus gehen und sich mit anderen austauschen. Ich plane meine Dienstreisen so, dass ich noch Events zur Wissenschaftskommunikation mitnehmen kann und sage bei fast jeder Nachfrage für Science Slams oder öffentlichen Vorträgen zu. Wenn ich sowieso auf Reisen bin, dann ist es schön an einem fremden Ort abends auch noch ein Programm zu haben und einen Vortrag zu halten. Der Vorbereitungsaufwand hält sich dabei in Grenzen, sobald ein Thema ausgearbeitet und eingeübt ist.
Ich schaffe mir sogar meine eigenen Formate, wie zum Beispiel als Organisator von Astronomy on Tap(AoT) in Bern. Das Format gibt es seit 2013 in Amerika und besteht aus wissenschaftlichen Kurzvorträgen mit anschließender Diskussion rund um das Thema Astronomie und Weltraum. Das müssen aber nicht immer nur Naturwissenschaftler sein, bei AoT spricht auch zum Beispiel mal eine Ingenieurin über Satellitenmissionen oder ein Literaturwissenschaftler über die Verbindung von Science Fiction mit den realen Wissenschaften. Ich habe während meiner Forscherzeit in den USA bei einigen AoT Veranstaltungen selbst Vorträge gehalten. Als ich dann nach Bern kam, wollte ich das Format unbedingt hier etablieren. Inzwischen haben wir mit AoT Bern schon andere motiviert und eine Kollegin betreibt Astronomy on Tap nun auch in Lausanne.
Wie wird Ihre Kommunikation im Forschungsumfeld aufgenommen?
Eine große Herausforderung ist die Akzeptanz in der Community. Gerade ältere Professoren und sogar junge Kolleginnen und Kollegen in meinem Umfeld, die nur auf das akademische Leben fokussiert sind, schauen mich für meinen Einsatz in der Kommunikation oft schief an. Sie sagen auch gerne ganz offen, dass es eine Zeitverschwendung und schädlich für meine Karriere sei.
In der Wissenschaft dreht sich leider immer noch alles nur um Publikationen, Fördergelder und möglichst große Gruppen. Das ist das Einzige an dem wir Forschenden gemessen werden. Gibt man 10 oder sogar 20 öffentliche Talks im Jahr, ist das höchstens eine Fußnote und wird als „privater“ Spaß angesehen und nicht als Teil des Arbeitspaketes. Das muss sich ändern und ich glaube, dass sich viele Förderer dessen bewusst sind.
Warum kommunizieren Sie dann trotzdem?
Positive Rückmeldungen bekomme ich von außerhalb der wissenschaftlichen Community. Es lohnt sich wegen der Menschen, die ich dabei kennen lerne. Nicht nur die anderen kommunizierenden Forschenden, durch die ich einzigartige Einblicke in eine Vielzahl anderer Wissenschaftsgebiete gewinnen konnte, sondern auch die anderen Menschen, denen man dabei begegnet. Das Interesse und die Neugier der Zuhörerinnen und Zuhörer bringen oft ganz neue Fragen auf. Zusammen mit der Dankbarkeit der Zuhörenden, dass man sich dafür Zeit nimmt, wiegt es für mich immer noch die kritischen Blicke der Kolleginnen und Kollegen auf.
Eines meiner Lieblingszitate ist “Not explaining science seems to me perverse. When you’re in love, you want to tell the world.” Und mir geht es da genauso wie Carl Sagan und allen anderen die wirklich mit Leidenschaft etwas betreiben: Wenn man von irgendetwas wirklich begeistert ist, kann man gar nicht anders, als darüber reden zu wollen.
Was wünschen Sie sich für ihre Kommunikation?
Dass Kommunikation besser und mehr in akademischen Karrieren gewertet wird! Wenn jemand viele Vorträge im Jahr hält oder für populärwissenschaftliche Journale schreibt, sollte das auch in die Bewertung des Lebenslaufes einer Job-Kandidatin oder eines Job-Kandidaten einfließen. Und das nicht erst als Bonus, sondern auf gleicher Höhe wie Vorträge oder Publikationen innerhalb der Community. Förderer, Universitäten und Institute sollten es einfacher machen, Karrieren – zumindest teilweise – der Kommunikation zu widmen. Es scheint sich zumindest im Europäischen Raum im Moment vieles zu tun. Man darf also gespannt sein.
Ihr Lieblingsformat ist … ?
Grundsätzlich finde ich alle Formate gut, bei denen man sich nachher noch unterhalten kann. Daher mag ich Astronomy on tap oder Pint of Science, durch die Wissenschaft locker und unterhaltsam in einer Kneipenatmosphäre präsentiert werden kann.
Ich mag es auch, wenn das Publikum gemischt ist, wenn also Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und auch Laien da sind. Dann ergeben sich immer spannende Gespräche.
Etwas was mir allerdings tatsächlich nicht am Slam- oder auch am FameLab-format gefällt, ist der Wettbewerb. Zunächst einmal ist es praktisch unmöglich, objektiv einen Talk von jemandem der Großmutters Krebs heilt, mit dem einer Anderen zu vergleichen, die sich mit Statistik in der Teilchenphysik beschäftigt. Letztere sollten Bonuspunkte bekommen, weil es viel schwieriger ist ein solches Thema einem Publikum emotional zu vermitteln. Außerdem gewinnt meist einer der letzten Slammer, weil sie besser in Erinnerung bleiben.
Wir werden schon oft genug in unserem wissenschaftlichen Alltag bewertet und untereinander verglichen, da müssen wir das nicht auch noch in unserer Freizeit haben. Meiner Erfahrung nach hält das auch viele Forschende von der Kommunikation ab.
Welche Tipps würden Sie an andere kommunizierende Forschende weitergeben?
Einfach machen! Und keine Gelegenheit auslassen! Das heißt, wenn du für einen Vortrag angefragt wirst – zusagen. Und wenn es kein passendes Format gibt – einfach selbst loslegen. Man lernt am meisten durch die eigenen Erfahrungen. Ein großes Missverständnis ist auch, dass einige denken, man müsste unglaublich viel Kommunikationstalent haben. Meiner Erfahrung nach kann man Kommunikation lernen und sich mit der Zeit viele Fähigkeiten aneignen. Ich habe in den letzten Jahren an vielen Kursen, Workshops, Barcamps und ähnlichem teilgenommen und gebe dieses Wissen inzwischen selbst in Seminaren und Workshops weiter.