Wo verstecken sich in unserem Alltag naturwissenschaftliche Phänomene? Das möchte Philipp Spitzer mit seinem Projekt SpottingScience zeigen. Im Interview berichtet der Chemiedidaktiker, wie das Projekt funktioniert, wo es überall Wissenschaft zu entdecken gibt und was Bierdeckel damit zu tun haben.
„Ich würde schon von Anfang an größer denken“
Herr Spitzer, Sie haben das Projekt SpottingScience ins Leben gerufen. Wie und wo machen Sie auf Wissenschaft aufmerksam?
Bei SpottingScience kann man Wissenschaft an unterschiedlichen Orten entdecken. Das geschieht mit Informations-Stationen, die auf dem Campusgelände der Universität Wien oder auch an verschiedenen Orten in Graz zu finden sind. Angefangen hat das Ganze in meiner Zeit in Wien als Campus-Projekt. Hier habe ich eine Reihe von Stationen etabliert, die einen Lehrpfad bilden. Die Stationen bestehen aus Holzpfosten mit einem QR-Code, den man scannen und mit dem man Information zu einzelnen Themen abrufen kann. Aktuell etabliere ich das Projekt auch in Graz, wo ich inzwischen lebe und arbeite. Hier wird das Konzept allerdings etwas anders sein: Die Stationen sollen in der ganzen Stadt verteilt werden, sodass die Büger*innen immer wieder über eine davon stolpern und dort etwas Spannendes über Naturwissenschaften entdecken.
So habe ich beispielsweise schon angefangen eine Station vor dem Corona-Testzentrum aufzubauen, bei der erklärt wird, wie der Schnelltest funktioniert. Weil die Stationen über ein großes Gebiet verteilt sind, werden sie nicht als Lehrpfad erkannt. Um trotzdem darauf aufmerksam zu machen und einen Wiedererkennungswert zu erlangen, nutzen wir immer das gleiche Design, einen gelben Punkt. Als Nächstes möchten wir als neuen Ansatz mit Bierdeckeln in die Gasthäuser gehen. Die habe ich gemeinsam mit dem Studenten Robin Gludovatz entwickelt. Auch auf den Bierdeckeln ist ein QR-Code zu finden, den man scannen und so etwas über die Wissenschaft, hier allerdings speziell zum Thema Bier, lernen kann. Außerdem arbeite ich gerade gemeinsam mit dem Team der Dachstein-Seilbahn an weiteren Stationen für unser Projekt an diesem Berg.
Welche Ziele verfolgen Sie mit dem Projekt?
Ich fand es immer spannend, naturwissenschaftliche Phänomene und Prozesse aufzuzeigen und auf Dinge hinzuweisen, die nicht sichtbar sind: Man trifft ja schon morgens beim Latte macchiato auf Chemie: Wenn man dabei zusieht, wie sich die Schichten vermischen, beobachtet man ein typisches Phänomen aus der Hydrodynamik. Aus dieser Motivation heraus entstand in meiner Zeit in Wien das Campus-Projekt an der Universität. Außerdem möchte ich so eine gewisse Entscheidungskompetenz vermitteln: Bei den Corona-Schnelltests zum Beispiel hat ein Politiker hier in Österreich den Test mit Cola gemacht, um zu zeigen, dass er positiv wird. Er wollte damit beweisen, dass die Tests angeblich nichts taugen. Hier möchte ich chemisch zeigen, warum es eine blöde Idee ist, so einen Test mit Cola zu machen (lacht). Wenn die Menschen mehr über die Funktionsweise der Tests wissen, können sie viel mehr mitreden.
Wen erreichen Sie denn mit dem Projekt?
Mit dem Lehrpfad in Wien erreichen wir alle möglichen Personen wie Besucher*innen des Campus und natürlich Studierende. Allgemein haben wir hier ein eher jüngeres Publikum. Da wir mit QR-Codes arbeiten, ist das für manche Menschen eine Hürde, weil sie das erst einmal kennen müssen. In der Corona-Pandemie sind QR-Codes nun aber viel verbreiteter, was für uns ein Vorteil ist. Die Stationen sind aber so gestaltet, dass man auch den Link eingeben könnte. Inzwischen nutzen wir Instagram als zusätzliches Medium. Hier erreichen wir momentan überwiegend Studierende und Lehrkräfte, teilweise aber auch interessierte Schüler*innen.
Wieso haben sie sich zusätzlich für einen Instagram-Account für Ihr SpottingScience-Projekt entschieden?
Ich habe diesen Account im Februar 2020 einfach mal angelegt, habe ihn aber nicht wirklich bespielt. Durch die Pandemie hat sich das geändert, weil der Lehrpfad im Lockdown weggefallen ist. Die Menschen waren weniger unterwegs und für mich war es schwierig, ihn zu betreuen. So wurde der Instagram-Kanal plötzlich relevant. Auch auf diesem Kanal geht es uns darum, chemische Phänomene aus dem Alltag zu zeigen. Anfangs war es sehr mühsam, weil das Medium völlig anders funktioniert. Bei Instagram liegt der Fokus ja auf Bildern, und so mussten wir lernen, unsere Inhalte visuell darzustellen.
Möchten Sie den Instagram-Account auch nach der Pandemie weiterführen?
Ja, eigentlich schon. Ich binde diesen Account sehr gern in die Lehre ein, dann erstellen Studierende Beiträge für den Kanal. Vielleicht wird der Account zukünftig nicht mehr in dem Umfang bespielt, aber ich finde, er bietet eine schöne Möglichkeit zur Kommunikation. Außerdem kann man auch Inhalte, die man für Instagram kreiert hat, später in das eigentliche SpottingScience-Projekt aufnehmen, also profitiert man doppelt davon.
Wie binden Sie Ihre Studierenden mit ein und inwiefern profitieren sie von einer Teilnahme am Projekt?
In einem meiner Seminare in Graz beschäftigen die Studierenden sich mit digitalen Medien und erstellen Posts für den Instagram-Account. In Wien haben sie an einem Lehrpfad auf dem örtlichen Weihnachtsmarkt mitgewirkt. Die Rückmeldungen sind bisher sehr positiv. Auch für den Unterricht an Schulen sollte man lernen, die Schüler*innen zu motivieren. Häufig denken die Studierenden, dass das sehr einfach geht. Mit diesem Projekt haben sie allerdings gelernt, dass man sich viele Gedanken um die Zielgruppe machen sollte: Was interessiert Besucher*innen auf dem Weihnachtsmarkt zum Thema Chemie? Wie kann ich die Inhalte präsentieren? Gerade aktuell ist die Frage, wie man Inhalte grafisch darstellen kann. Das ist auch für den normalen Unterricht wichtig – umso mehr während der Pandemie, wo der Unterricht online stattfindet und man mit digitalen Darstellungsformen gut arbeiten kann.
Welches Feedback bekommen Sie von Außenstehenden?
Der Lehrpfad in Wien ist sehr gut angekommen, auch vonseiten der Uni. Gerade von Lehrkräften bekomme ich positive Rückmeldungen, ob zum Lehrpfad oder zu den Instagram-Posts. Zu Instagram bekomme ich häufig das Feedback, dass es sehr einfache und anschauliche Grafiken sind. Hier erhalte ich auch hin und wieder Rückfragen zu bestimmten Inhalten. Ein Beispiel, das sehr gut angekommen ist, sind die Infografiken zum Corona-Schnelltest auf Instagram. Die allgemeine Reaktion ist meistens: „Aha, das wusste ich nicht, das ist ja spannend.“
Können wir SpottingScience bald auch in anderen Städten erwarten?
Das wäre das große Ziel. Die Stadt Wien hat den Lehrpfad jetzt übernommen und betreut ihn auch eigenständig. Es wäre natürlich super, wenn das an mehreren Standorten funktioniert. Ich fände es auch spannend, wenn es an Schulen umgesetzt werden würde.
Haben Sie Tipps für Menschen, die ein ähnliches Projekt planen?
Man sollte auf jeden Fall versuchen, Unterstützung zu bekommen. Ich habe das Projekt zunächst eher für mich gestartet. Erst als ich mich damit auf eine Finanzierung von der Universität beworben habe, merkte ich, dass ich damit in Wien offene Türen einrenne. Universitäten möchten ja Wissenschaft nach außen tragen und sichtbar machen.
Ein nächster Rat wäre, sich ein Team zu suchen.
Wenn Sie das Projekt heute noch mal neu anfangen würden, was würden Sie dann anders machen?
Ich würde mehr Zeit in ein Layout mit großem Wiedererkennungswert investieren, weil das sinnvoll ist, um sich zu etablieren. Deshalb hat sich auch das Layout der Instagram-Posts verändert – von den üblichen viereckigen Bildern zu den runden Darstellungen in Anlehnung an den gelben Punkt und auch die Bierdeckel haben dieses Design angeregt. Außerdem würde ich schneller an die Öffentlichkeit gehen und solche Ansätze schneller in die Lehre integrieren. Kurz gesagt: Ich würde schon von Anfang an größer denken.
Philipp Spitzer berichtet über sein Projekt „SpottingScience“ im Videointerview.