Mit einer Experimentiershow Menschen für die Wissenschaft begeistern: Zum Start unseres Schwerpunkts „Junge Zielgruppen“ spricht der Chemiker Eric Siemes über seine Motivation, Forschung und Kommunikation unter einen Hut zu bekommen.
„Ich habe schon immer gerne experimentiert“
Herr Siemes, Sie sind hauptberuflich in der physikalischen Chemie an der RWTH in Aachen als Forscher tätig. Wie sind Sie dazu gekommen, auch außerhalb der Uni weiter zu tüfteln und Experimenteshows zu entwickeln?
Das hat schon relativ früh in der Schule angefangen. Ich wollte einen Chemie Leistungskurs belegen, für den es aber zu wenig Leute gab. Das hat mich geärgert und so bin ich zum Schulleiter gegangen, um zu erfahren, was man machen kann. Er meinte drei Leute seien zu wenig, da müsse ich schon mehr Interessierte mitbringen. Ich fing an die Werbetrommeln zu rühren, mit Unterstützung und unter der Beobachtung eines Chemielehrers. Ich ging zum Fischmarkt, um Trockeneis und zur Fachhochschule, um flüssigen Stickstoff zu besorgen. Mit diesen Utensilien habe ich eine Chemieshow konzipiert und dabei gemerkt, dass man mit Wissenschaft auch gut begeistern kann. Diese Show hat sogar so gut funktioniert, dass ich dann auch eine vor der ganzen Stufe veranstaltete und 14 Leute für den Leistungskurs zusammen gekriegt habe. Dann kam der Zufall hinzu. Es gab eine Lehrerin, die Theo Schmitz sehr gut kannte und ihn als Kontakt empfahl.
Wer ist Theo Schmitz und was hat er mit den Experimentiershows zu tun?
Er ist Wissenschaftsberater beim WDR und ZDF. Ein Experimentator und Tüftler, der für Sendungen wie Kopfball, Quarks & Co, die Sendung mit der Maus und auch andere Formate Experimente zur Verfügung stellt und betreut. Es gibt vermutlich kaum ein Wissensformat im Fernsehen, das nicht von Theos Know-how und den Experimenten profitiert hat. Er hat auch selber viele Shows durchgeführt oder andere Showformate betreut.
Als ich damals bei ihm anrief, wusste ich gar nicht, dass er bei mir in der Stadt auch seine Werkstatt hat. Erst bei einem Bewerbungsgespräch bei ihm habe ich verstanden, wer er ist. Mich beeindruckte sein Fuhrpark an Experimenten und auch seine Werkstatt, in der er alles selber gebaut hat. So habe ich bereits in meiner Schulzeit bei ihm angefangen. Das hat mir so viel Spaß gemacht und so gut funktioniert, dass wir seither gemeinsam Experimente austüfteln.
Genau, das mache ich freiberuflich neben meiner Forschung. Es begann alles damit, dass ich irgendwann für Theo bei entsprechenden Veranstaltungen, wie einem Tag der offenen Tür bis hin zu einem Familienfest einer größeren Chemiefirma, oder eben auch an Schulen, auf der Bühne stand. Auch hinter oder manchmal vor der Kamera übernahm ich immer mehr die Aufgabe, Experimente zu betreuen oder vorzuführen. Beispielsweise bei Fernsehformaten wie Kopfball oder Beste Klasse Deutschlands.
Inzwischen leihe ich mir einige von Theos mehr als 1000 Experimenten, und präsentiere sie in meiner eigenen Show bundesweit und war auch schon öfters in Luxemburg bei einem Science Festival.
Zur Bewerbung nutze ich neben meiner Homepage vor allem Instagram als Kanal. Hier kann ich Bilder zeigen, die viel eindrücklicher sind als Worte und es ist ein Kanal, der an Beliebtheit vor allem bei jungen Leuten gewinnt. Werkzeuge wie die „Quiz“- oder „Frage“-Funktion bei Instagram ermöglichen darüber hinaus eine direkte Interaktion mit den Interessierten.
https://www.instagram.com/p/B91Q-M0KQcF/
Über seinen Instagramkanal zeigt Eric Siemes einige Experimente, die für Wissenschaft begeistern oder sie anschaulich erklären können. Hier visualisiert er mit dem Abstand zwischen Streichhölzern, dass sich eine Flamme nicht weiter ausbreiten kann – eine gern genutzte Analogie zur reduzierten Übertragung des Coronavirus, das durch einen Abstand zwischen den Menschen (social distancing), erreicht werden soll.
Die Shows finden weitgehend in meinem Privatleben statt. Meist sind die Aufträge ohnehin am Wochenende, da es oft Familienfeste oder Tage der offenen Tür sind. Das lässt sich dann relativ gut vereinbaren. Wenn es unter der Woche ist, nehme ich mir schon auch malUrlaub dafür. Ich habe zum Glück einen sehr kulanten Chef, der es sehr schätzt, wie ich Wissenschaft kommuniziere. Auf der anderen Seite ist esein sehr guter Ausgleich für mich, denn ich habe ja schon immer gerne experimentiert. Meine Eltern haben das ein oder andere intensive Geruchserlebnis in der heimischen Waschküche mir zu verdanken.
Und wie reagieren ihre Kollegen?
Viele wissen von meinen Shows gar nichts. Die, die davon erfahren sind ziemlich baff. Einmal wurde ich von meiner Hochschule angefragt, ob ich nicht eine Experimenteshow machen möchte. In der saßen dann natürlich auch unweigerlich Kollegen von mir im Publikum, die mich dadurch ganz anders kennengelernt haben.
Andere bekommen es in meinem wissenschaftlichen Alltag mit, wenn ich bei Experimenten Dinge entdecke und mich sehr dafür begeistere, oder wenn der Erklärbär in mir rauskommt, wenn ich Bachelorstudierende betreue.
Ich versuche es trotzdem ein bisschen zu trennen. Denn die Wissenschaft ist derzeit mein Hauptberuf, bei dem Ergebnisse geschaffen und Publikationen geschrieben und veröffentlicht werden müssen. Ich möchte natürlich nicht, dass das eine das andere behindert. In beiden Fällen ist mir die richtig adressierte Kommunikation wichtig: Sowohl bei wissenschaftlichem Fachpublikum auf Konferenzen, als auch bei interessierten Laien bei einer Wissenschaftsshow.
Als Chemiker verstehen Sie die Inhalte hinter den Experimenten gut, doch wie haben Sie sich das Kommunizieren angeeignet?
Die Inhalte wirklich verstanden zu haben, die physikalisch-chemischen Grundkenntnisse zu besitzen und dabei auch einen tieferen Einblick in den experimentellen Aufbau zu haben, ist wichtig. So bleibt es fachlich korrekt und ich weiß, was schief gehen kann.
Wie es verständlich wird, habe ich durch meine Erfahrungen mit Fernsehformaten wie zum Beispiel „Kopfball“ oder „Wissen vor 8“ gelernt. Dabei habe ich erfahren, wie viel gute Gedanken, Recherche und Aufwand hinter den präsentierten Inhalten steckt. Zudem wurde in diesen Formaten immer Wert darauf gelegt, es richtig rüberzubringen, soll heißen, dass es didaktisch runterzubrechen, aber trotzdem faktisch korrekt zu halten.
Auch Youtube Formate haben mir geholfen. Ein großes Vorbild ist der Chemiker Sir Martyn Poliakoff, der in seinem Kanal Periodic Videos,chemische Elementein einer sehr lockeren Art und Weise erklärt. Er ist irgendwie das Idealbild des Professoren mit struppigen Haaren, wie man ihn sich als Nicht-Akademiker vorstellen würde. Gleichzeitig erklärt er die Zusammenhänge richtig gut. Das fand ich faszinierend und da habe ich mir auch einiges von abgeschaut denke ich.
Was würden Sie sich wünschen, wenn die Wissenschaftskommunikation ihr Hauptberuf wäre?
Neugierde wecken war immer unser Hauptziel. Wir wollen immer zum Nachdenken anregen und hoffen, dass die Leute, die die Show oder ein Experiment gesehen haben und es gut fanden, diese Faszination der Naturwissenschaft auch überall in ihrem Alltag entdecken.
Und ich würde mir wünschen, mit Menschen unmittelbar und direkt zu sprechen. Bei manchen Veranstaltungen haben wir einen Tisch, bei dem ich die Experimente direkt erklären kann. Auge in Auge mit den Menschen zu interagieren, das mag ich sehr. Wichtig ist immer, dass ich Neugierde wecken kann. In welcher Form auch immer. Ich bin immer offen für Neues.
Weitere Information:
Eric Siemes berichtet über das Projekt „Experimenteshows“ im Videointerview.