11 Millionen Menschen in Deutschland, Österreich und der Schweiz nutzen mittlerweile das Berufsnetzwerk LinkedIn. Yasmin Lindner-Dehghan Manchadi von der FOM Hochschule erklärt im Interview, welche Potenziale es für die Kommunikation von Wissenschaft und Forschungsthemen bietet und was es von anderen Sozialen Medien unterscheidet.
Hochschulkommunikation bei LinkedIn
Frau Lindner-Dehghan Manchadi, wieso ist LinkedIn aus Ihrer Sicht ein gutes Medium für die Wissenschaftskommunikation beziehungsweise die Kommunikation von Hochschulen?
Entscheidend ist, welche Medien die definierte Zielgruppe aktiv nutzt und welche Ziele man verfolgt. Für uns ist LinkedIn daher ein Medium der Wahl. Allgemein gesprochen: Ist eine der Zielgruppen der Hochschule an anwendungsorientierten Wissenschaftsthemen und -lösungen für Herausforderungen in der Praxis interessiert, dann kann die Wissenschaftskommunikation LinkedIn sehr gut für sich nutzen. Zudem bin ich der Auffassung, dass eine Aufgabe der Wissenschaft und ihrer Kommunikation ist, ihre Erkenntnisse auch mit der Wirtschaft und Gesellschaft zu teilen, was sich über dieses Medium sehr gut realisieren lässt.
Früher war LinkedIn eine reine Karriereplattform. Seit wann beobachten Sie einen Wandel und seit wann nutzen Sie LinkedIn auch verstärkt für die Kommunikation?
Die Wandlung hat meines Erachtens mit dem Kauf durch Microsoft im Jahr 2016 begonnen. Seitdem nutze ich es auch für die Wissenschaftskommunikation. Da die Plattform für viele Mitglieder schon jetzt Ergänzung zu oder auch Ersatz für Fachmedien ist, betrachte ich es als sinnvoll, dass wir auch dort mit unseren Inhalten stattfinden.
In Deutschland hat Xing immer noch mehr Mitglieder als LinkedIn. Was unterscheidet die beiden Kanäle aus Ihrer Sicht oder sehen Sie bei beiden deckungsgleiches Potenzial?
Ich sehe große Unterschiede. Während LinkedIn sich zu einem sozialen Netzwerk für berufliche Themen gemausert hat, fungiert Xing im Vergleich nur noch als eine Art statische Visitenkarte. Noch ist es für Hochschulen wie für Unternehmen in Deutschland wichtig, dort mit ihren Visitenkarten präsent zu sein. Aber aufgrund seiner Statik verliert das Netzwerk leider mehr und mehr seine ursprünglich starke Position in DACH – also Deutschland, Österreich, Schweiz. Und 11 Millionen LinkedIn-Mitglieder zu 13 Millionen Xing-Mitgliedern in DACH sind ja kein allzu großer Abstand mehr.
Da ich Xing bereits seit 2004 sehr aktiv nutze und mag, finde ich das persönlich sehr schade. Früher war es ein innovatives Unternehmen, es hat die Netzwerkkultur in DACH positiv mitgeprägt. Und es ist ein deutsches Unternehmen mit hiesigen Arbeitsplätzen und Datenschutzstandards. Das sind alles Gründe, aus denen ich das Unternehmen seit 14 Jahren gern mit meinem Mitgliedsbeitrag für den Premiumaccount „unterstütze“. Doch wenn sich da nichts Grundlegendes ändert, dann befürchte ich, dass viele den Premiumstatus nicht aufrechterhalten. Aus den genannten Gründen und im Sinne eines gesunden Wettbewerbs würde ich Xing allerdings wünschen, dass sich da noch etwas tut.
Wie nutzen Sie persönlich bzw. institutionell LinkedIn?
Wenn man ein soziales Medium wie LinkedIn beruflich nutzt und auch persönlich sehr an den Themen, die man beruflich vermittelt, interessiert ist, ist die Grenze zur privaten Nutzung schwer zu ziehen. Ich bin mit Haut und Haar Kommunikatorin und liebe es, die richtigen Inhalte in der richtigen Form den richtigen Personen zukommen zu lassen. Ich freue mich, wenn ich mit meiner Arbeit Nutzen stiften kann. Persönlich und beruflich nutze ich LinkedIn zur Vernetzung und zur Information. Vor allem beruflich nutze ich es zur Verbreitung von Inhalten.
Welche Art von Inhalten ist für diesen Kanal besonders geeignet?
Sinn machen auf LinkedIn vor allem anwendungsorientierte Lösungen aus der Forschung sowie Studien, deren Ergebnisse Praktikerinnen und Praktikern aus der Wirtschaft einen Mehrwert bieten. Bei uns kommt noch hinzu, dass unsere Studierenden in der Regel bereits vor und während ihrer Studienzeit – sei es im Bachelor- oder Masterstudium – beruflich tätig sind. Während Studierende klassischer Hochschulen zumeist keine Mitglieder beruflicher Netzwerke sind, sondern sich eher auf Facebook, Instagram, Snapchat & Co. tummeln, sind unsere Studierenden oftmals schon vor Beginn des Studiums auf LinkedIn vertreten.
Daher ist es für uns auch sinnvoll, auf LinkedIn zu posten, wie man sich beispielsweise als Studentin oder Student in unseren Instituten und Kompetenzzentren in Form eines Research Fellowships aktiv an der Forschung beteiligen kann. Oder wie man sich bei unserem „Master-Forschungsforum“ für die Abschlussarbeit über aktuelle Forschungsthemen aus den verschiedenen Hochschulbereichen informieren kann. Wir stellen dort zum Beispiel auch einzelne Research Fellows vor, die im Rahmen von Forschungsprojekten mit „ihrem“ Institut im Ausland waren oder deren Forschungsergebnisse bereits in Fachmagazinen veröffentlicht wurden.
Wie funktioniert gute Kommunikation über LinkedIn? Was muss man beachten?
Wer bereits mit der Arbeit mit Facebook vertraut ist, der hat rein technisch schon ein gesundes Basiswissen für die Arbeit mit LinkedIn. Förderlich ist, eine Freundin oder ein Freund beruflicher Netzwerke zu sein – sie also selbst auch zu nutzen. Denn so versteht man aus eigener Erfahrung, was die Leute hier wollen und wie es bestmöglich funktioniert. Sehr hilfreich sind darüber hinaus die richtigen Hashtags und Verlinkungen, gute Bilder oder Videos, ein aussagekräftiger Text. Der richtige Content, der – gern unterhaltsam – informiert und Mehrwert bringt, ist das A und O.
Zusätzlich gefällt mir persönlich an LinkedIn sehr gut, dass das Gros der Nutzenden mit vollem Namen und Profil vertreten ist. Daher geht es dort deutlich höflicher und respektvoller zu, als auf vielen anderen „sozialen“ Kanälen. Die Mitglieder verstecken sich nicht hinter Fakenamen und posten aus dessen Schutz heraus Beleidigungen. Zumindest habe ich das bislang noch nicht gesehen. Ich hoffe, dass Tiervideos und belanglose Posts, die meines Erachtens auf Facebook viel Zeit stehlen, auf LinkedIn nicht zunehmen – ab und zu sieht man schon Katzen …
Welche Zielgruppe erreicht man mit den Inhalten bei LinkedIn und wieso ist es wichtig, diese zu erreichen?
Zahlreiche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie Forschungskommunikatorinnen und -kommunikatoren sind dort vertreten und mir scheint, die Zahl nimmt derzeit deutlich zu. Wie eingangs erwähnt, erreicht man über dieses Medium vor allem Praktikerinnen und Praktiker, die an Lösungen für ihre fachlichen Herausforderungen interessiert sind. Natürlich ist es nicht für alle Forschenden oder Wissenschaftskommunizierenden wichtig, diese Personengruppe zu erreichen.
Bei der großen Bandbreite an Forschung, die an der FOM Hochschule betrieben wird, gilt das ebenso für uns. Bei der jüngsten Studie von Prof. Dr. Simone Chlosta ging es zum Beispiel um den Geschlechtervergleich bei der Innovations- und Forschungstätigkeit an Hochschulen und dessen Implikationen. Der Hinweis auf die Ergebnisse fand über Twitter eine gute Verbreitung, auf LinkedIn wäre er nicht gut platziert gewesen.
Eine „Edutainment-App“ für die Weiterbildung in der Logistik als Ergebnis eines Forschungsprojekts war hingegen auf LinkedIn perfekt aufgehoben. Oder auch das Werk eines unserer Professoren, der kürzlich Deutschlands erstes Buch zur Besteuerung von Kryptowährungen verfasst hat. Unter dem entsprechenden Post mit Verlinkung zum Beitrag in unserem Forschungsblog haben einige Follower Personen verlinkt, von denen sie offenbar wussten, dass diese bereits auf der Suche nach einer solchen Lektüre waren. Perfekt – für alle Beteiligten!
Droht man mit LinkedIn nicht auch Menschen zu verlieren, die man mit anderen Kanälen, wie etwa Facebook, erreicht?
Durch das Hinzuziehen eines geeigneten Kanals kann man meines Erachtens nur gewinnen. Wichtig ist, dass man sein Potenzial nicht erschöpft, indem man überall präsent sein will. Und es ist wichtig, den richtigen Kanal für eine bestimmte Botschaft zu wählen und nicht sein Pulver zu verschießen oder auch die Fans und Follower zu vergraulen, indem man überall alles streut – egal, ob es interessiert oder nicht.
Es ist auch wichtig, dass man sich auf allen Ebenen des Mediums, das man bedient, gut auskennt. Das bedeutet Manpower, mit der man haushalten muss. Man sollte also sein Medium und seinen Kanal oder seine Kanäle mit Bedacht auswählen. Wenn sich deine Zielgruppe zum Beispiel auf Facebook bewegt und du darüber deine Ziele erreichst, dann ist Facebook dein Medium. Und wenn dir oder deiner Institution Arbeitskapazitäten für ein weiteres Medium fehlen, dann konzentriere dich auf dieses.
Wo sehen Sie den Stellenwert des Netzwerks in der Zukunft?
LinkedIn liegt für Teile dessen, was wir in der Wissenschaftskommunikation transportieren und erreichen möchten, unter den sozialen Medien für mich schon jetzt gleich hinter Twitter auf dem zweiten Platz. Das muss nicht für jeden gelten – denn die Wahl des Mediums sollte ja immer in Abhängigkeit von der Zielgruppe, den Zielen und dem jeweiligen Content erfolgen. Ich denke, die Bedeutung von LinkedIn steigt weiter. Viele erkennen jetzt erst langsam sein Potenzial.
Die FOM Hochschule betreibt Social Media-Kanäle auf LinkedIn, Xing, Youtube, Facebook, Twitter und Instagram. Auf Twitter betreibt sie einen weiteren Kanal eigens für Forschungsmeldungen.