Qualitätssicherung, Zusammenarbeit und Krisenfestigkeit – Das sind für Elisabeth Hoffmann die wichtigsten Punkte, die sie aus der diesjährige Diskussion im Siggener Kreis mitnimmt. Im Interview kommentiert sie die Tagung und das dabei entstandene Impulspapier zum Thema „Die Krise kommunizieren“.
Gemeinsam vorbereitet auf stürmische Zeiten
Frau Hoffmann, der Siggener Kreis hat in diesem Jahr zum Thema „Die Krise kommunizieren“ getagt und das Impulspapier dazu wurde heute veröffentlicht. Was waren dabei die wichtigsten Punkte?
Das Thema bezieht sich natürlich auf die Corona-Pandemie, eine Krise also, die alle Gesellschaftsbereiche betrifft. Das war für uns alle eine neue Situation und es gab viel Gesprächsbedarf. Zum einen die Rolle der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler angeschaut, die gerade sehr stark im Mittelpunkt stehen. Zum andern haben wir die Auswirkungen auf den Wissenschaftsjournalismus diskutiert und, welche operativen Konsequenzen die Pandemiesituation für die Wissenschaftskommunikation mit sich bringt. Außerdem ist dieses Mal ein drittes Thema stark in den Mittelpunkt gerückt: die wissenschaftliche Politikberatung. Die Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Politik ist beim Thema Corona ausgesprochen eng. Es gibt zwar etablierte Instrumente der Politikberatung, in den letzten Monaten sind diese Prozesse aber unheimlich beschleunigt worden. Insgesamt hat die Krise deutlich gemacht, dass wir noch einmal klarer die verschiedenen Rollen definieren müssen, die Wissenschaft, Politik, Kommunikation und Journalismus in dieser Situation einnehmen.
Gab es dabei Fragen, die alle beteiligten Gruppen gleichermaßen umtreiben? Und wenn ja, welche?
Qualitätssicherung ist ein ganz großes Thema. Wie kann man in einer Situation, in der alle gleichermaßen unter Druck stehen, die Kommunikation und die Berichterstattung qualitätsgesteuert organisieren? Von den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler werden in der Forschungsarbeit schnelle Resultate erwartet. Gleichzeitig werden aber auch öffentliche Stellungnahmen und Einordnung gefordert und man versucht, so klar und so schnell wie möglich, die eigenen Erkenntnisse nach außen darzustellen. Unter diesem Druck passieren natürlich viele verschiedene Dinge. Das Wissenschaftssystem zieht das Tempo an, indem Preprints in großer Zahl veröffentlicht werden, ohne dass es einen Peer-Review-Prozess gegeben hätte. Und diese Ergebnisse, wie auch die Kommentare dazu, sind online auch für Laien einsehbar. Dies wurde in einigen Fällen falsch eingeordnet und medial wirksam als Streit interpretiert. Da sollten wir uns fragen, wie wir damit umgehen wollen. Was bedeutet das, wenn jemand wissenschaftsintern kritisiert wird: Gehört das dann in die Öffentlichkeit oder ist das eigentlich eine normale wissenschaftsinterne Debatte? Und was machen wir als Kommunikatorinnen und Kommunikatoren oder auch Journalistinnen und Journalisten, wenn wir so einen Preprint auf den Schreibtisch bekommen. Wird sofort kommuniziert oder warten wir ab, bis offiziell publiziert wurde? Wer kann die Qualitätssicherung an dieser Stelle in aller Ruhe leisten? Kurz: Wann sollte was kommuniziert werden?
Welche Lösungen gibt es dafür?
Ein Lösungsansatz kommt aus Großbritannien. Das dortige Science Media Center hat davon abgeraten, mit Preprints an die Öffentlichkeit zu gehen, weil es sich dabei klar um innerwissenschaftliche Prozesse handelt, die noch nicht dafür taugen, nach außen kommuniziert zu werden. Ein anderer Punkt ist, dass viele von uns am Anfang der Pandemie den Impuls hatten, sich einzubringen. Wir haben aber nicht alle ein Institut für Virologie oder Immunologie an unseren Institutionen und haben deshalb die Ereignisse auch aus Sicht anderer Fachrichtungen einordnen lassen. Das hat dafür gesorgt, dass sehr viel Expertise im Raum stand, die dann aber nicht unbedingt abgefragt wurde. In so einer Situation muss man einen Schritt zurück gehen und sich fragen, ob es wirklich etwas Wichtiges zu sagen gibt und sich gegebenenfalls zurückhalten. Das gilt nicht nur für Kommunikationsabteilungen sondern auch für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler selbst. Zur selben Zeit, am Anfang der Krise ist es Medienschaffenden schwer gefallen, die inhaltlich richtigen Ansprechpersonen zu erreichen. Gleichzeitig sind andere sehr stark selbst in die Öffentlichkeit getreten und das auch zum Teil komplett, ohne sich mit den Pressestellen abzusprechen. Das ist natürlich grundsätzlich in Ordnung und kann auch punktuell sehr gut funktionieren. Trotzdem wäre es aus Sicht der Kommunikatorinnen und Kommunikatoren wünschenswert, dass wir enger mit den kommunizierenden Forschenden zusammenarbeiten, um uns gegenseitig zu unterstützen.
Wie kann so eine bessere Zusammenarbeit von Kommunikationsabteilung und Forschenden aussehen?
Was wünschen Sie sich von der Community der Wissenschaftskommunikation dafür?
Was nehmen Sie für sich persönlich aus den Gesprächen im Siggener Kreis noch mit?
Dass die Corona-Pandemie gar nicht alles auf den Kopf gestellt hat. Sie ist eher ein Brennglas für Prozesse, die ohnehin passieren. Zum Beispiel wird Wissenschaft in unserem Alltag immer wichtiger und wir sind sehr abhängig von wissenschaftlicher Expertise und dem Rat kluger Köpfe. Vielen Leuten ist das jetzt klar geworden und dadurch eben auch, wie wichtig Wissenschaftskommunikation ist.
Weitere Informationen zum Siggener Kreis
*Wissenschaft im Dialog ist einer der drei Träger der Plattform Wissenschaftskommunikation.de.