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Geld oder Ideologie: Motiva­tionen für Fake News und Strategien dagegen

Warum verbreiten Menschen eigentlich Fake News? Und kann man etwas gegen sie tun, wenn sie einmal in Umlauf sind? Der Philosoph Nikil Mukerji beschäftigt sich mit dem Wesen von Fake News, um sie besser greifbar zu machen, und gibt Tipps für Argumentationsstrategien.

Herr Mukerji, sie haben sich in Ihrem Beitrag bei der Skepkon – eine Konferenz für Wissenschaft und kritisches Denken – mit der Frage beschäftigt, was man gegen Fake News tun kann. Warum setzen Menschen überhaupt falsche Informationen in die Welt?

Dafür gibt es im Wesentlichen zwei Gründe. Der eine ist, dass man damit Geld verdienen kann. Wenn man Fake News mit den richtigen Keywords herausgibt, kann man damit viele Klicks auf seiner Website und dementsprechend auch Werbeeinnahmen generieren. Eine Zeitlang hatten beispielsweise junge Leute in einem Dorf in Mazedonien die Fake News als Geschäftsmodell für sich entdeckt und mit der Verbreitung von Falschmeldungen über den US-amerikanischen Wahlkampf Geld verdient. Diese Seiten sind oft sehr kurzlebig und versuchen andere Seiten, zum Beispiel die von Fernsehsendern, zu imitieren. Hier werden oft politische oder emotionale Themen als Aufhänger genutzt, weil sie über die Sozialen Medien besonders gerne geteilt werden und dementsprechend gut funktionieren. Wenn diese Seiten dann entdeckt werden, sind sie meistens schnell wieder weg. Andere Fake News sind hingegen politisch oder ideologisch motiviert und werben für eine gewisse Weltsicht. Einige sind auch verschwörungstheoretisch unterwegs.

Das heißt, politische oder emotionsgeladene Fake News funktionieren eigentlich am besten. Trotzdem gibt es auch immer wieder gefälschte Meldungen zu wissenschaftlichen Themen. Wie kommt das?

Nikil Mukerji ist promovierter Philosoph und Geschäftsführer des Executive-Studiengangs „Philosophie Politik Wirtschaft“ der Ludwig-Maximilian-Universität München. Er schreibt Fach- und Sachbücher (u. a. „Die 10 Gebote des gesunden Menschenverstands“, 2017) und ist Gastautor für „Gehirn&Geist“ und „spektrum.de“. Foto: Jan Greune

Hier muss man zwischen dem Motiv und dem Inhalt unterscheiden. Man kann mit einem politischen Motiv einen Inhalt veröffentlichen, der selbst nichts mit Politik zu tun hat. Ein Beispiel: Die Frage, ob es eine menschengemachte Klimaerwärmung gibt, ist zunächst einmal rein wissenschaftlich. Es gibt aber Menschen für die diese Frage politisch aufgeladen ist. Sie betreiben dann mit diesem eigentlich apolitischen Thema politische Indoktrination. Und auch bei den monetär motivierten Fake News werden Themen politisiert oder emotionalisiert, weil sie dann besser funktionieren und sich damit mehr Geld verdienen lässt. Das Wesen der Fake News liegt aber einfach darin, dass der Person, die sie veröffentlicht, der Wahrheitsgehalt der Nachricht egal ist – unabhängig davon, um welches Thema es geht.

Was genau unterscheidet Fake News von einer bloßen Falschinformation oder Irrtümern?

Ein Problem in der Diskussion über Fake News ist, dass es viele verschiedene Definitionen gibt, die den Bereich eher vage einkreisen. Unstrittig ist, dass Fake News Informationen sind, die in Form einer Nachrichtenveröffentlichung präsentiert werden. Nach meiner Analyse von Fake News – die allerdings noch strittig ist – liegt es im Wesen von Fake News, dass sie mit einer Indifferenz der Wahrheit gegenüber kommuniziert werden. Bei einer Falschmeldung wird unabsichtlich eine falsche Information verbreitet und diese, wenn es auffällt, auch nach Möglichkeit korrigiert. Bei den Fake News ist der kommunizierenden Person die Wahrheit über einen Sachverhalt aber egal. Die Verfasser geben bewusst nur vor, eine Tatsache oder eine gut recherchierte Information zu verbreiten, obwohl überhaupt keine Absicht haben, dem Rezipienten eine valide Information mitzuteilen. Es handelt sich also um „Bullshit“ in der philosophischen Definition von Harry Frankfurt. Die Wahrheit spielt hier nur insofern eine Rolle, als sie für die Fake News instrumentalisiert werden kann.

Wie sieht diese Instrumentalisierung aus?

Man garniert die Fake News mit wahren Elementen, zum Beispiel mit Personen, die tatsächlich existieren. Oder man lässt die Geschichte in einer realen Pizzeria in Washington spielen. Das macht die Geschichten glaubwürdiger.

Welchen Unterschied macht es, ob man gegen Fake News angehen möchte oder einfach gegen fehlerhafte oder schlechte Berichterstattung?

Wenn es sich lediglich um unsaubere Recherche oder einen Fehler handelt, kann man die Urheber meist relativ leicht dazu bringen, diese richtigzustellen. Man kann bei einer Zeitung anrufen und darlegen, warum etwas falsch ist. Dann gibt es in der Regel eine Gegendarstellung. Vor allem im Netz kann die Information dann auch schnell korrigiert werden. Bei Fake News haben die Urheber aber kein Interesse an einer Richtigstellung und man kann nur versuchen, die Auswirkungen der Information möglichst klein zu halten und die Rezipienten aufzuklären.

Welche Strategien gibt es dafür?

Das kommt immer auf den Einzelfall an. Eine rein sachliche Aufklärung von falschen Informationen, die in Umlauf sind, funktioniert zum Beispiel besser, wenn das Thema nicht emotional oder politisch aufgeladen ist. Ein Beispiel: Sie gehen zum Arzt und der möchte Ihnen ein Medikament geben, über das sie schon mal Schlechtes gehört haben. Dann kann er Ihnen erklären, wie es funktioniert, und sie sind nicht persönlich beleidigt, das man sie korrigiert. Sie sind offen dafür. Schaut man sich aber zum Beispiel Diskussionen wie diejenige über die Homöopathie an, dann handelt es sich dabei eben nicht nur um den Austausch von Informationen über eine Therapieform. Die Personen, die Homöopathie nutzen, begreifen ihr Vertrauen in diese Heilmethode oft als identitätsstiftenden Teil ihrer Weltsicht, und deswegen ist Aufklärung hier sehr schwierig. Da gibt es auf der einen Seite die einfühlsamen Homöopathen, auf der anderen Seite die gewissenlose Chemie- und Pharmaindustrie. Deshalb werden oft Studien und Akteure der anderen Seite angegriffen, indem ihre Absichten infrage gestellt werden. In so einer emotionalen Gemengelage ist es schwierig, sachlich über Informationen zu kommunizieren.

Wenn die Grenzen von vorneherein so klar abgesteckt sind: Wie kann man da überhaupt eine sachliche Position einnehmen?

Man sollte zumindest in Kenntnis bestimmter psychologischer Mechanismen arbeiten. Wichtig ist zum Beispiel, dass man die Gegenseite nicht antagonisiert, also etwa in einer Homöopathie-Debatte einen Keil zwischen Kritiker und Befürworter treibt. Das tut man, indem man möglichst freundlich auftritt, sich offen für bestimmte Argumente zeigt und vermittelt, dass man die gleichen Werte teilt. Damit kann man erstmal versuchen, den Graben zwischen beiden Seiten zu verkleinern. Außerdem sollten diejenigen, die Aufklärungsarbeit leisten, ihre Zielvorstellungen an die Realität anpassen. Es ist meines Erachtens schlicht unmöglich, einen überzeugten Homöopathie-Fan davon überzeugen zu wollen, dass das, woran er glaubt, Quatsch ist. Es ist aber möglich, ein gutes Gespräch zu führen und Argumente vorzubringen, die eine langfristige Wirkung entfalten. Das sollte das Ziel sein – bei allen Themen, über die Fehlinformationen im Umlauf sind.

Was kann man denn in öffentlichen Kommunikationssituationen tun, beispielsweise wenn Fake News in Sozialen Medien verbreitet werden und damit eher anonym?

Dieser spezielle Bereich der Fake News, in dem Informationen ja unter besonderen Prämissen getauscht werden, ist im Augenblick noch Gegenstand intensiver Forschung. Der Psychologe Gordon Pennycook untersucht beispielsweise mit seinen Kollegen, wer besonders anfällig für Fake News ist oder warum Menschen eigentlich auf Bullshit hereinfallen. In einer Studie von 2015 hat er untersucht, wie Personen, die zu verschiedenen Denkmustern neigen, mit Falschinformationen umgehen. Das Ergebnis legt nahe, dass Menschen, die eine analytische Denkweise haben, also eine Argumentation Schritt für Schritt nachvollziehen und ihrem Bauchgefühl nicht blindlings vertrauen, es eher entdecken, wenn eine Information erfunden ist. Menschen, die hingegen eine stärker intuitive Denkweise haben, gehen solchen Falschinformationen mit höherer Wahrscheinlichkeit auf den Leim. In einer anderen Studie hat Pennycook untersucht, wie Menschen darauf reagieren, wenn Informationen bei Facebook als kritisch gekennzeichnet werden, also vermerkt wird, dass unabhängige Faktenchecker diese Information für falsch halten. Das hat in diesem Fall oft dazu geführt, dass die Testpersonen andere Informationen für glaubwürdiger hielten, obwohl manche davon gar nicht geprüft waren. Das heißt, hier führte die Kennzeichnung einzelner Nachrichten nicht zu einer generell kritischen Haltung, obwohl eigentlich klar sein sollte, dass gar nicht alles geprüft sein kann.

Was kann man als Einzelperson oder auch als wissenschaftliche Institution gegen falsche Informationen im Netz tun?

Das kommt wieder auf die Zielgruppe an. Wenn man eine Gruppe hat, die sehr fest vom eigenen Weltbild überzeugt ist, sind diese Personen oft immun gegen Fakten von außen. Bei der großen Gruppe der Unentschlossenen lohnt es sich aber durchaus, Informationen bereitzustellen und den offenen Dialog zu suchen. Und das kann man mit einer breiten Kommunikation erreichen, die auf eine Laienzielgruppe ausgerichtet ist. Statt bloßer Fakten helfen hier eher Anwendungsfälle, die sich auch im Alltag der Menschen wiederfinden. Wie bei anderen Kommunikationsformen auch, hilft hier eine Adressatenanalyse, die klärt, für welche Informationen sich die Menschen eigentlich interessieren und für welche Gedankengänge sie offen sind. Wenn sie dann auch ein wenig gesunden Menschenverstand mitbringen, können wir sie mit unseren Argumenten erreichen.