Mücken einfrieren, Matschproben oder Brotrezepte sammeln: Unter den Citizen-Science-Projekten im deutschsprachigen Raum sind auch einige skurrile Vorhaben dabei. Wie funktionieren diese Projekte – und wie lautet die wissenschaftliche Fragestellung dahinter? Vier Kurzporträts
Gefrorene Mücken und Matsch – skurrile Citizen Science
Der Mückenatlas
Es juckt, es summt, es nervt. Vor allem nachts scheinen die Biester loszulegen und werden dann meist wütend zerquetscht oder mit Anti-Mücken-Spray gejagt. Wer sich aber beim Fangen der kleinen Übeltäter mehr Mühe gibt und sie nicht zerquetscht, kann damit der Forschung helfen. Denn Mückenfänger tragen dazu bei, dass „Detailinformationen über die Biodiversität, Ökologie und Biologie der blutsaugenden Insekten gesammelt werden können“, erklären die Macher des Citizen-Science-Projekts „Mückenatlas“.
Was muss ich tun?
Die Mücken in einem verschließbaren Becher fangen und in das Gefrierfach legen. Oder, falls sie schon tot sind, ebenfalls „quetschsicher“ verpacken und dann mit der Post an Wissenschaftler schicken. Helfen kann jede und jeder. Die Freude am Mückenfangen ist natürlich Voraussetzung.
Warum ist das gut?
Weil Forscher nicht an so vielen Orten gleichzeitig sein können, um herauszufinden, was da überall summt und piekst. Und weil sie der Frage nachgehen, wo welche Übeltäter unterwegs sind. Durch die Globalisierung und die Klimaveränderung leben nämlich manche Moskitos plötzlich auch in Deutschland, die hier bislang nicht beheimatet waren. Viele überstehen die inzwischen milderen Winter. Mit ihnen kommen auch potentielle Krankheitserreger, die sie in sich tragen, zu uns. Das ist der Anlass für den Mückenatlas: Wissen sammeln, bestimmen und kartieren, um bei Bedarf richtig reagieren zu können.
Weitere Information für alle Mückenjäger gibt es auf „Mückenatlas.de“.
Project Roadkill
Unsere Straßen sind eine Todeszone für Feldhasen, Füchse, Rehe und viele andere Arten: Täglich werden zahllose Tiere überfahren. Damit in Zukunft nicht mehr so viele von ihnen für unsere Mobilität ihr Leben lassen müssen, kann auf „Project Roadkill“ jeder etwas dagegen unternehmen. Es gibt bereits Meldungen von allen Kontinenten von den USA bis Australien.
Was muss ich tun?
Über die Webseite oder Apps des Projektes melden, wenn man ein überfahrenes Tier findet. Am besten mit Foto, auch wenn das sicher nicht schön anzusehen ist.
Warum ist das gut?
Die Forscher der Universität Wien wollen aufgrund der Meldungen von Bürgerinnen und Bürgern sogenannte Hotspots identifizieren, die für Tiere und Autofahrer besonders gefährlich sind, und diese zusammen mit lokalen Akteuren entschärfen. Darüber hinaus wollen sie herausfinden, welche Arten genau wann, wo und warum Opfer des motorisierten Individualverkehrs werden.
Weitere Informationen gibt es direkt bei „Project Roadkill“.
Sample das Saarland
Kennen Sie die Liedzeile von Rolf Zuckowski „Echte Kinder (…), die sich, wenn sie schmutzig sind, erst richtig glücklich fühlen“ aus eigener Erfahrung? Wohnen Sie im Saarland? Und wollen Sie zur Forschung beitragen? Dann bitte weiterlesen. Denn wenn das Sammeln von Erde und Schlammproben im Saarland dazu führt, dass in Zukunft ein neues Medikament entwickelt werden kann, dann handelt es sich um das Citizen-Science-Projekt „Sample das Saarland“.
Was muss ich tun?
Kurz gesagt: Dreck an verschiedenen Orten des Saarlands einsammeln, um diesen an das Helmholtz-Institut für Pharmazeutische Forschung Saarland, kurz HIPS, zu schicken.
Warum ist das gut?
In der Erde oder dem Schlamm, den die Forscher unter die Lupe nehmen, befinden sich viele bislang noch unbekannte Bodenbakterien. Die Hoffnung der Forscher ist, dass aus manchen dieser Mikroorganismen einst neue Medikamente entwickelt werden können.
Für alle, die Spaß am Buddeln und am Verschicken von Schlamm haben, gibt es hier die nötigen Informationen: „Sample das Saarland“.
BrotZeit
Schnell mal zum Bäcker, in den Supermarkt oder zum Kiosk rüber – und schon kann man duftende Brötchen oder Brot auf den Frühstückstisch stellen. Mit wenigen Zutaten wie Wasser, Mehl, Hefe, Salz und Zucker könnte man zwar auch selbst ein Brot backen. Aber mit Mehl aus welchem Korn backt es sich eigentlich am besten? Und was kann man noch alles in den Teig kneten? Das Citizen-Science-Projekt „BrotZeit“ aus dem österreichischen Lesachtal möchte die Kulturtechnik des Brotbackens bewahren und wieder verbreiten.
Was muss ich tun?
Die BrotZeit-Forscher sammeln Dokumente, Berichte, Foto- und Videodokumentationen rund um die Kulturtechnik der Brotherstellung – vornehmlich im Lesachtal. Die Bürger können selbst aktiv ihr Wissen über Brot und Backkunst verbreiten, indem sie an Erzählcafés teilnehmen oder sich für Zeitzeugen-Interviews zur Verfügung stellen.
Warum ist das gut?
Die Wissenschaftler der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt gehen bei dem Projekt von den Brotback-Traditionen im österreichischen Lesachtal aus, die bereits immaterielles UNESCO Weltkulturerbe sind. Diese möchten sie erhalten. In der ganzen Region gab und gibt es in vielen Familien eigene Backtraditionen. Dieses Wissen soll gesammelt und in Bildungsprojekten an die nächste Generation weitergegeben werden.
Mehr zu Brot- und Backtraditionen gibt es direkt beim Projekt „BrotZeit“.