Robert Arlinghaus erhielt jüngst den renommierten Communicator-Preis. Im Interview spricht er über seine Erfahrung mit der Wissenschaftskommunikation und darüber, wie dabei Praxis und Theorie Hand in Hand gehen sollten.
„Für mich gehört Kommunikation in die Gesellschaft zu meiner Jobbeschreibung dazu“
Herr Arlinghaus, weshalb finden Sie es wichtig, Ihre Forschung zu kommunizieren?
Das ergibt sich eigentlich schon aus dem Fachgebiet selbst. Ich bin am Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) und der Humboldt-Universität zu Berlin im Bereich der Fischereiwissenschaften beschäftigt. Fischereiwissenschaften ist per Definition anwendungsorientierte Forschung. Es geht darum, praxisrelevante Ergebnisse auch zu vermitteln. Meinem Arbeitsverständnis und meinem Ethos nach ist es nicht ausreichend, nur gute Forschung zu betreiben, sondern man sollte diese auch dorthin kommunizieren, wo das entsprechende Wissen gebraucht wird. Und wenn die Zielgruppe einen Fachaufsatz auf Englisch nicht beachtet, muss ich einen anderen Kommunikationsweg finden. Für mich gehört Kommunikation in die Gesellschaft zu meiner Jobbeschreibung dazu.
Wo wird Ihr Fachwissen denn gebraucht?
Vor allem bei denjenigen, die die Gewässer bewirtschaften. Ich möchte Gewässerbewirtschafterinnen und -bewirtschafter befähigen, nachhaltiger und wissensbasiert zu wirtschaften. Das sind Angelvereine, Verbände und Berufsfischereien, sowie all jene, die sich in den Behörden und der Verwaltung mit diesem Themenbereich befassen.
Was ist Ihre liebste Form der Kommunikation, ihr Lieblingskanal?
Am allerliebsten führe ich transdisziplinäre Experimente in der Praxis durch. Das hat sich vor allem bei der Zielgruppe der Gewässerbewirtschaftung bewährt. Da geht es um Themen wie nachhaltiges Fischereimanagement, ökologische Risiken und auch um die richtigen Maßnahmen zur Bewirtschaftung der Binnengewässer. Seit 2010 integrieren wir in diesem Bereich die Menschen, vor allem Anglerinnen und Angler und Gewässerbewirtschaftererinnen und -bewirtschafter in Angelvereinen, aktiv in die Forschung und führen gemeinsam Experimente zu unterschiedlichen Themen durch, die wir mit Workshops begleiten. Das ist zwar sehr aufwendig, aber es macht großen Spaß mit Praktikerinnen und Praktikern auf Augenhöhe zu sein und in den Dialog zu kommen. Man erfährt viel über die eigene Arbeit und bekommt ein Gefühl dafür, was die realen lokalen Probleme sind. Davon profitiert dann auch die Forschung. Und wir kommunizieren nebenbei wissenschaftliche Ergebnisse, von Angesicht zu Angesicht. Auch soziale Medien und klassische Vorträge machen mir viel Spaß. Ich rede und schreibe sehr gerne über Fische, Angeln und Forschung.
Sie kommunizieren ja aber nicht nur mit Anglerinnen und Anglern oder Bewirtschafterinnen und Bewirtschaftern, sondern bieten auch viele Aktivitäten für eine breite Öffentlichkeit an. Was motiviert Sie dazu?
Wir führen ein absolutes Nischendasein und selbst in der Wissenschaft wissen viele nicht, was wir eigentlich genau erforschen. Gleichzeitig befinden sich Fische in einer sehr starken Abhängigkeit von der Gesellschaft und der Art und Weise, wie wir leben. Parallel dazu befinden wir uns in einer Phase, in der Umweltbewusstsein und Naturschutz sich im Aufwind befinden. Das ist natürlich per se erst einmal gut, allerdings führt es teilweise auch zu falschen Annahmen. In unserem Bereich kommt es beispielsweise zu einer Stigmatisierung von Fischerei und Angelfischerei als etwas Bösem, weil Naturnutzung von einigen Interessensgruppen allgemein verurteilt wird. Nichte wenige in Naturschutzbehörden und -verbänden sind wirklich davon überzeugt, dass eine Anglerin oder ein Angler am Gewässer immer ein Störfaktor ist, dass alle Meere leergefischt sind oder dass Karpfen zum Umkippen von Seen führen. Was für ein Irrtum. Deshalb ist es mir ein Anliegen, mittels der Forschung darüber aufzuklären und zu zeigen, wie die reale Situation eigentlich aussieht. Dabei geht es auch darum, die Grenzen der Wissenschaft aufzuzeigen und Unsicherheiten transparent zu machen.
Wie gelingt es Ihnen, dies zu tun?
Man muss es einfach immer wieder probieren und die Unsicherheiten klar und sachlich offenlegen. Ein schönes Beispiel ist die Frage, ob Fische Schmerzen empfinden. Das ist ein emotional sehr aufgeladenes Thema und ich werde immer wieder dazu befragt. Ich versuche dann, den Stand der Dinge anhand von Forschungsergebnissen sachlich aufzuzeigen. Dabei betone ich aber auch, dass die Forschung darauf natürlich keine abschließende Antwort liefern kann und immer auch Unsicherheiten bestehen bleiben. Das gilt übrigens auch für viele andere Aspekte des Fischereiwesens. Was an Gewässer A klappt, muss an Gewässer B nicht zutreffen – zu unterschiedlich ist die Ökologie von Gewässer zu Gewässer. Fischereimanagement ist am Ende informierte Kunst, keine Wissenschaft. Sicherlich überzeugt man mit dieser Strategie nicht alle, aber hoffentlich eben doch einige.
Was bedeutet es Ihnen, für ihre Kommunikationsaktivitäten nun den Communicator Preis zu erhalten?
Ich habe mich darüber extrem gefreut und bekam beim Telefonanruf durch die DFG richtig Gänsehaut. Es freut mich insbesondere, weil das Thema Wissenschaftskommunikation in der Wissenschaft immer noch kontrovers gesehen wird. Als das Grundsatzpapier zur Wissenschaftskommunikation des Bundesministeriums für Bildung und Forschung herausgekommen ist, haben es viele Kolleginnen und Kollegen massiv kritisiert, weil sie der Meinung sind, dass ihre Aufgabe eben Forschung und nicht Kommunikation ist. Das ist ein Problem, das mich schon seit den frühen Tagen meiner Doktorarbeit begleitet. Kommunikation außerhalb des Elfenbeinturms hat einfach immer noch keinen sehr hohen Stellenwert unter Forscherinnen und Forschern und man kriegt nur selten Anerkennung für solche Aktivitäten. Im Gegenteil – nicht selten wird einem Schalanterie unterstellt. Da freut mich so ein Preis natürlich besonders und vor allem freut es mich auch für mein Team, das in diesem Bereich viel geleistet hat.
Ändert sich denn etwas an der Akzeptanz für Wissenschaftskommunikation in der Wissenschaft?
Ich denke schon, dass sich da etwas zum Positiven verändert. Ich glaube, dahinter steckt aber häufig weniger Überzeugung als die Annahme, dass man sich als steuerfinanzierte Organisation nach außen öffnen muss, um die Geldinvestition in Grundlagenforschung ein Stück weit zu rechtfertigen. Diese Art von Wissenschaftskommunikation ist dann eher extrinsisch motiviert und nicht wie bei mir Teil des Jobverständnisses. Aber dennoch bewegt sich etwas. Ich empfinde es auch insgesamt als positiv, dass es eine höhere Akzeptanz für Wissenschaftskommunikation gibt. Trotzdem bin ich nicht der Meinung, dass alle zur Wissenschafkommunikation „gezwungen“ werden sollten. Im Fokus sollte immer noch die Forschung stehen und es gibt eben auch Themen, die nicht so einfach zu kommunizieren sind. Außerdem verfügen nicht alle über diese Kompetenz, weshalb es aus meiner Sicht auch professionelle Unterstützung braucht für all diejenigen, die weniger Erfahrung mitbringen oder eben über geringere Fähigkeiten in diesem Bereich verfügen. Man tanzt als Wissenschaftlerin oder Wissenschaftler eh schon auf sehr vielen Hochzeiten. Natürlich ist es daher völlig nachvollziehbar, wenn nicht jeder Forschende einen Twitterkanal eröffnet.
Wie sind Sie zur Kommunikation gekommen?
Eigentlich aufgrund meiner persönlichen Vita. Ich habe schon als kleiner Junge geangelt und es gab keine Informationen darüber, außer in der Anglerzeitung und die war weniger wissenschaftlich als auf das „wie angele ich einen Fisch“ ausgerichtet. Als ich dann selbst das fischökologische Wissen hatte und anfing, in dem Bereich zu forschen, wollte ich dieses Wissen mit den jungen Anglerinnen und Anglern, denen es vielleicht ähnlich ging wie mir, teilen. Ich wollte ihnen helfen und die Informationen geben, an die ich selbst damals nicht herangekommen bin. Und ich möchte gerne die Gewässerbewirtschafterinnen und -bewirtschafter befähigen, auf Fakten basierende Entscheidungen zu fällen. Es geht also um Teilhabe und Kompetenzentwicklung. Als Professor ist es meine Aufgabe, und ich lebe das eben auch abseits von Studierenden.
Was würden Sie Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern raten, die kommunizieren möchten?
Erst einmal ist es wichtig, gute Forschung zu betreiben, denn sonst hat man ja keine Erkenntnisse, die man teilen kann und auch keine Substanz. Dann finde ich es sehr wichtig, sich Gedanken darüber zu machen, wer meine Zielgruppe ist und die richtige Kommunikationsaktivität und Ansprache für diese zu finden. Wenn ich mich an die Zielgruppe Gewässerbewirtschaftung richte, dann sind die sozialen Medien beispielsweise kein guter Kanal, weil sie dort schlichtweg nicht aktiv ist. Die Wahl des richtigen Kanals ist das A und O. Außerdem benötigt es der Bildung von Vertrauen in der Zielgruppe. Dazu gehört, auf Augenhöhe zu reden und nicht von oben herab. Und es benötigt Erfahrung oder zumindest die Beschäftigung mit möglichen Kontroversen, um nicht aufs Glatteis geführt zu werden. Denn Kontroversen gibt es auch in unserem Bereich und da muss man aufpassen und vorsichtig sein. Ein falsches Bild, ein fehlgeleiteter O-Ton in einer überregionalen Zeitung und die Akzeptanz kann auf Jahre im Keller sein. Hier würde ich den jungen Leuten also empfehlen, dass sie sich mit einer Mentorin oder einem erfahrenen Kommunikator aus dem eigenen Forschungsbereich unterhalten, um von diesen zu lernen. Auch sollten die jungen Menschen selbst beobachtend in der Praxis aktiv sein, auf lokale Tagungen gehen, Medien der Zielgruppe konsumieren und sich so das richtige Vokabular anlernen und mitnehmen: Um was geht es, was sind die Diskurse, was sind die Do’s und Dont’s? Mir hat es einfach geholfen, dass ich selbst Angler bin. Und dass ich bis heute Angelzeitungen und -medien verschlinge, auf Angelmessen gehe, die sozialen Medien lese und so am Puls der Zeit bin. Ein Mentor oder eine Mentorin hat mir allerdings gefehlt, so dass ich in der frühen Phase durchaus selbst Lehrgeld habe zahlen müssen. Generell ist es ein Problem unserer Profession, dass wir in nicht wenigen Bereichen viel „learning by doing“ machen – auch im Bereich Wissenschaftskommunikation.
Wie viel Zeit nimmt denn die Kommunikation in Ihrem Alltag ein?
Wenn wir die Experimente durchführen, dann sind es bis zu 50 Prozent oder mehr meiner Zeit, aber das läuft natürlich phasenweise und projektbezogen. Die begleitende Wissenschaftskommunikation, also Artikel für Anglerzeitungen zu schreiben, am Wochenende Vorträge in einem Angelverein zu halten oder soziale Medien zu bespielen, fällt nahezu komplett in meine Freizeit am Abend, so 1-2 Stunden pro Tag im Schnitt sind normal. Der Aufwand ist also phasenweise extrem hoch, doch es macht mir sehr viel Spaß.
Welche Art der Unterstützung würden Sie sich wünschen, um noch besser kommunizieren zu können?
Ich würde mir wünschen, dass ich die Stellen im Bereich der Wissenschaftskommunikation in meiner Arbeitsgruppe nicht immer über Drittmittel finanzieren müsste. Es würde schon helfen, wenn man hier langfristiger etwas aufbauen und gemeinsam entwickeln könnte. Eine zentrale PR-Stelle für ein ganzes Institut nützt wenig, ich benötige schon Menschen, die 100 Prozent ihrer Zeit in die Kommunikation mit Anglerinnen und Anglern investieren, sonst ist das ein Flickenteppich und wenig strukturiert. Gute Kommunikation kostet einfach viel Zeit und viel Kompetenz. Wenn man langfristig Menschen im Team hat, denen das Spaß macht und die gut in die Thematik eingearbeitet sind, wäre das von großem Vorteil. Ich beschäftige im Moment meine dritte drittmittelfinanzierte Assistenzstelle und hinzu kommen dutzende studentische Hilfskräfte, ohne die ich die Arbeit gar nicht leisten könnte. Und jede dieser Personen will angelernt werden. Hier wäre etwas mehr Kontinuität durchaus hilfreich.