Klar, es gibt nicht diesen einen einzigen ganz besonderen Kniff, um gute Texte zu schreiben. Aber es gibt ein ganzes Bündel von sprachlichen Tipps, um Leserinnen und Leser für ein Thema zu begeistern. Für wissenschaftskommunikation.de geben Barbara Ritzert und Günter Haaf einen spannenden Einblick in ihren reichen Erfahrungsschatz im Wissenschaftsjournalismus.
„Für mich bedeutet Sprache Musik – und ich liebe Musik!“
Welche Bedeutung spielt eine gute, klare, anschauliche Sprache in Ihrer Arbeit?
Barbara Ritzert: Sie ist alles!
Günter Haaf: Es geht doch darum, etwas so zu erzählen, dass die Leute dranbleiben. Wie bei einem Vortrag. Beim geschriebenen Wort, also bei einem Text, möchte ich, dass die Leute zunächst einmal über die erste Zeile hinauskommen. Letztlich reden wir da über handwerkliche Tricks. Außerdem spielt ein gerüttelt Maß an Begabung eine Rolle, um die Leute bei der Stange zu halten. Denn ich kann als Autor niemanden dazu zwingen, etwas weiterzulesen, wozu er keinen Bezug hat, was er nicht versteht, was er als langweilig empfindet.
Außerdem stellt sich die Frage, ob meine Phantasie und mein Wissen ausreichen, mir meine Zielgruppe vorzustellen. Wen möchte ich erreichen, welche Zielgruppe habe ich? Diese Überlegung begrenzt oder erweitert dann die Frage, was eigentlich gute Sprache ausmacht. Zum Beispiel in Form von klaren Sätzen, eindeutigen Formulierungen, gut durchdachten Inhalten – das sind so klassische Beispiele.
Ritzert: Eine gute Sprache hat ein Text dann für mich, wenn mich der Autor oder die Autorin dazu bringt, ein Stück zu lesen, für dessen Thema ich mich eigentlich überhaupt nicht interessiere.
Ich möchte Sie bitten, abwechselnd jeweils ein Kriterium zu benennen, von dem Sie sagen: Das macht für mich gute Sprache aus!
Haaf: Ein Stil, mit dem ich die Leser oder Zuhörer halten kann. Die Überlegung muss lauten: Wie komme ich von A nach B, wie hole ich die Leute rein, was kann ich als bekannt voraussetzen?
Ritzert: Ganz banal geht es zunächst einmal um die Fähigkeit, einen geraden deutschen Satz zu formulieren, Subjekt – Prädikat – Objekt, das hat klare Vorteile [lacht]. Andererseits ist nichts so langweilig, wie ein gleichförmiges Aneinanderreihen von Hauptsätzen. Sprachmelodie ist unendlich wichtig. Für mich bedeutet Sprache Musik – und ich liebe Musik! Genau so, wie mich ein Musikstück packt, kann mich Sprache packen. Um zu merken, ob die Sprachmelodie stimmt, hilft: lautes Lesen. Dann merkt man sehr schnell, ob die Sprache schwingt und klingt.
Haaf: Am Anfang steht die Motivation, sich mit guter Sprache auseinanderzusetzen. Es gibt Texte, die man richtig gerne liest, und daran kann man dann auch etwas lernen. Meinen Hospitanten und Volontären habe ich immer den Tipp gegeben, sich beim Lesen die Frage zu stellen: Was gefällt Dir bei anderen? Warum gefällt es Dir? Das muss ja gar nicht immer aus demselben Bereich sein, in dem man selbst arbeitet. Es gibt eben Texte, die legt man einfach nicht mehr aus der Hand, und andere, die liest man, weil man sie lesen muss. Eine Folgefrage lautet: Dringe ich da durch, habe ich genug Begabung zum Schreiben, werde ich genug geschult? Beispielweise um in der Lage zu sein, einen logischen Faden inhaltlich mit in die Sprachmelodie einzuweben. Das sind Dinge, die einiger Überlegung bedürfen, aber das kann man lernen, das ist ja kein Hexenwerk.
Ritzert: Ich denke auch an die Abwechslung. Ganz banal beispielsweise: ein wörtliches Zitat eines Wissenschaftlers einzufügen. Zur Abwechslung gehören auch Metaphern, wenn sie denn hilfreich sind. Bilder, die etwas erklären, gerade wenn es beispielsweise molekular wird. Nicht jeder hat eine Vorstellung von einer molekularen Struktur, aber wer dann bei diesem Thema ein hilfreiches Gerüst oder ein anschauliches Bild hat, der versteht eben auch besser, worum es geht. Eine komplexe Situation mit Alltagsbildern zu belegen, kann gleichwohl schwierig sein und auch daneben gehen. Vorsicht ist da geboten.
Haaf: Ziel ist letztlich, die Menschen abzuholen in ihrer eigenen Welt. Dafür sind ja Metaphern, Sprachbilder da. Oder griffige Formulierungen. Das Problem ist halt im Wissenschaftsbereich immer: Passt das noch? Ist das noch stimmig? Oder ist es haarscharf daneben? Das habe ich immer als besondere Herausforderung empfunden. Wir berichten ja über Wissenschaftsthemen nicht in einer Sprache, in der sich die Leute unterhalten. Unsereins muss da unheimlich umdenken. Ich vergleiche das immer mit der Idee des Gewichthebens. Wir müssen das Ding ja erst einmal hochnehmen, und dann müssen wir es noch ganz nach oben stemmen. Das ist eine ganz schwierige Umsetzungsarbeit, über die man sich vorher viele Gedanken machen sollte. Oder man ist halt so begabt, dass man das ohne große Überlegung auch noch hinkriegt, aber die Begabung trägt dann auch nur so lange, bis Kollegen sagen: Das versteht man nicht. Oder bis Fachleute sagen: Das ist daneben.
Sie haben das Thema Begabung angesprochen. Ist erfolgreiche Wissenschaftskommunikation primär eine Frage der Begabung oder eine Frage dessen, was ich lernen kann?
Sie beschäftigen sich beide sehr viel mit Themen aus der Medizin. Führt das noch mal zu einer ganz besonderen Verantwortung, was Sprache angeht?
Ritzert: Absolut. Denn es geht häufig um wissenschaftliche Erkenntnisse, die noch gar nicht abschließend bewertet sind. Ich habe viel über molekularbiologische Forschung geschrieben. Forschende dort arbeiten häufig mit Labordaten. Da hat man als Autorin ganz schnell Kontakt zu Patienten, die fragen: Wo bekomme ich die Therapie? Und ich sage: Die gibt es noch nicht, es geht hier um Untersuchungen, die werden gerade erst bei Mäusen durchgeführt.
Um es salopp zu formulieren: Wenn ich einen Stern in Alpha Centauri falsch benenne, dann sind mir die Astrophysiker böse. Aber wenn ich in der Medizinkommunikation einen schlampigen Fehler mache, kann das Menschenleben kosten. Darüber müssen wir uns immer im Klaren sein, dass wir gerade in diesem Bereich eine besondere Verantwortung haben. Wir dürfen Patienten nicht verunsichern und keine falschen Hoffnungen wecken.
Haaf: Im Medizinjournalismus haben wir in der Tat eine enorme Verantwortung für das, was wir schreiben. In einem persönlichen Gespräch kann ich ja nachhaken, kann sagen: Meinst Du, Du hast das richtig verstanden? Wenn ich einen Artikel schreibe, kann ich das aber nicht. Bei der Wochenzeitung „Die Zeit“ habe ich einen Riesenrespekt vor Medizin gehabt. Später dann bei der Apotheken Umschau, potenziell 20 Millionen Leser, mein Gott, das ist ein Viertel Deutschlands! Da lässt sich eine allgemeine Zielgruppen-Ebene, die alle repräsentiert, gar nicht mehr finden. Um so mehr muss man seine Worte auf die Goldwaage legen.
Das ist schon eine heikle Geschichte. Ich habe ja über ein ganz breites Spektrum an Themen aus der Wissenschaft geschrieben, aber wo ich mich immer am lautesten gefragt habe, ob ich alles Wichtige berücksichtigt habe, das war stets der Gesundheitsbereich.
Zwei Tipps hätte ich abschließend gerne noch von jedem von Ihnen. Worauf achte ich, wenn ich gerne aus meiner Forschung kommuniziere?
Haaf: Im Aktiv schreiben und sprechen, also möglichst auf Passiv-Konstruktionen verzichten.
Ritzert: Wenn ich ein Fremdwort nicht vermeiden kann, erkläre ich es. Und sei es in einem Halbsatz.
Haaf: Meine zweite Empfehlung lautet, sich rechtzeitig Gedanken zu machen, wie ich eine Geschichte erzählen will. Heute, mit dem Computer, da schreiben wir alle drauf los. Früher, mit der Reise-Schreibmaschine auf dem Schoß in irgendeinem Zug oder Flugzeug, vielleicht nicht mal Tipp-Ex dabei – na ja, da haben wir vor dem Schreiben viel intensiver überlegt. Das war so gesehen gar nicht schlecht. Ich brauche ein Konzept: Wie komme ich rein in meinen Text, wie komme ich raus, was sind die Übergänge, was muss unbedingt rein, was kann möglicherweise rein. Sich so etwas vorher zu überlegen, das halte ich für ganz wichtig, wenn etwas Vernünftiges dabei herauskommen soll.
Ritzert: Und mein Tipp Nummer zwei: Nicht die Haltung einnehmen, die mein Diplom-Vater hatte. Wir stritten uns damals unendlich über meine Diplomarbeit, weil er aus meinen Sätzen Bandwurmsätze formulierte, die sich über eine Dreiviertel-Seite erstreckten. Als ich protestierte, sagte er zu mir: Deine Arbeit braucht außer Dir, mir und dem Zweitgutachter niemand zu verstehen. Damals habe ich beschlossen: Das ist nicht meine Welt. Ich möchte, dass die Menschen, die meine Texte lesen, meine Texte auch verstehen!