Eine Bank auf der ein*e Wissenschaftler*in sitzt und mit Passanten zu Themen wie Künstliche Intelligenz und Energiewende ins Gespräch kommt – Wie das Konzept der „Science Bench“ in Deggendorf funktioniert, erklärt der Initiator Jörg Kunz und der teilnehmende Professor Patrick Glauner der TH Deggendorf im Interview.
„Forschende sind normale Leute wie du und ich“
Herr Kunz, Herr Glauner, Sie haben das Projekt „Science Bench“ an der TH-Deggendorf initiiert. Was ist der Grundgedanke des Projekts?
Jörg Kunz: Auf das Konzept der Science Bench sind wir durch ein Interview der ZEIT mit Katja Becker, der Präsidentin der Deutschen Forschungsgemeinschaft, aufmerksam geworden. Sie hatte längere Zeit in Afrika gelebt und dort saß in jedem kleinen Dorf eine Person auf einer Bank, die man immer zu einem Thema befragen konnte. So kam Katja Becker auf die Idee: Warum setzen sich Wissenschafter*innen nicht auf eine Bank in der Stadt oder in einem Park und reden mit Menschen über ein gesetztes Thema? Diesen Grundgedanken haben wir aufgegriffen und nun schon einige Male umgesetzt. Wir zeigen, Forschende sind normale Leute wie du und ich und wollen ein Gespräch auf Augenhöhe. Unser Anliegen ist es nicht, Leute zu belehren, sondern wir wollen durchaus die Meinung der Menschen zu Themen wie Künstliche Intelligenz (KI) oder Gesundheit erfahren – es soll ein Dialog sein.
Wie läuft das Projekt konkret in der Praxis ab? Wie sieht die Vorbereitung aus?
Patrick Glauner: Wir haben festgestellt, dass man eine Science Bench Veranstaltung nur bedingt vorbereiten kann, denn es kommen immer wieder Fragen vor, die man so nicht erwartet hätte. Beim Thema KI zum Beispiel ist es wichtig zu vermitteln, dass es keine Science Fiction, sondern etwas Greifbares ist. Ein Thema verständlich zu erklären, ist die Idee der Science Bench. Das soll eine Grundlage für einen Austausch schaffen.
Kunz: Wie läuft das Ganze ab? Das ist ganz einfach. Am Besten wählt man eine Bank mit regem Personenverkehr zum Beispiel in der Fußgängerzone. Außerdem ist noch ein*e Wissenschaftler*in nötig, der*die spezialisiert ist im jeweiligen Thema, und ein Promotion-Team, das die Leute anspricht und dazu motiviert, sich mit auf die Bank zu setzen. Natürlich gibt es Berührungsängste und man muss den Vorbeischlendernden erst erklären, was wir machen. Dennoch ist es wichtig, direkt auf die Leute zuzugehen. Es ist schließlich ein Unterschied, ob man einen Tag der offenen Tür organisiert und hofft, dass alle in den eigenen „Elfenbeinturm“ kommen. Oder ob man sagt: Wir kommen dahin, wo sich euer Lebensmittelpunkt befindet und wir sprechen spontan mit euch. Gerade passive Unterstützer*innen der Wissenschaft, die sonst nicht extra zu einer Veranstaltung kommen würden, setzen sich mit auf die Bank und beginnen über das Thema zu reden. Die Veranstaltung ist einfach zu organisieren. Das Ziel ist, zu signalisieren: Die Hochschule geht dorthin, wo die Leute sind.
Inwieweit unterscheidet sich ein Gespräch auf der Science Bench von einem Gespräch zum Beispiel bei einem Tag der offenen Tür?
Glauner: Bei einem Tag der offenen Tür sind Leute mit einem klaren Ziel. Sie wollen sich informieren: Wozu forscht man an der Hochschule oder welche Studiengänge gibt es? Bei der Science Bench ist das anders. Es kommen durch die Presseankündigung zwar auch informierte Personen, aber es sind mehrheitlich Leute, die sich zufällig dazu setzen und unvorbereitet sind. Die Gruppe an Menschen ist somit viel diverser.
Welche Fragen oder Aussagen von Passant*innen zu Ihrem Forschungsthema – Künstliche Intelligenz – haben Sie überrascht oder sind ihnen besonders in Erinnerung geblieben?
Glauner: Ein älterer Herr, der sich zufällig hingesetzt hatte, meinte: „KI, das betrifft mich doch gar nicht!“. Dann habe ich ihn gefragt, ob er ein Smartphone hat. Ja, das hatte er. Ich habe ihm dann gesagt, dass darin viel KI stecke, die Gesichts- und Spracherkennung beispielsweise. Auch in der Gesundheitsversorgung ist immer mehr KI dabei. Das hat er eingesehen.
Ein anderer Teilnehmer kam eher aus der Gruppe der Verschwörungsideologen, der meinte, KI könne genutzt werden, um Menschen mit Nanopartikeln zu infizieren. Das mag es vielleicht im Reich der Science Fiction geben. Jemand mit einer so vorgefassten Meinung würde nie an die Hochschule kommen. Das ist jetzt allerdings ein Extrembeispiel.
Kunz: Wir hatten eine andere Science Bench zum Thema Energiewende. Da hatte ich eine Frau angesprochen, die sich nicht mit auf die Bank setzen wollte, weil sie meinte, das Thema Energiewende sei etwas für ihren Mann. Wir versuchen an der Hochschule natürlich gerade auch Frauen für technische und Ingenieurberufe zu gewinnen. Wenn ich dann so einen Spruch höre, weiß ich, es ist noch ein weiter Weg, genügend Frauen für diesen Bereich zu begeistern.
Glauner: 2020 saßen überwiegend Männer auf der Science Bench als Gesprächspartner. Frauen haben sich dafür eher weniger interessiert. Man kann die Science Bench auch als Akquise sehen, um Studierende zu gewinnen und wenn sich junge Frauen gar nicht für diese Themen interessieren, dann wird es in Zukunft schwer, in die Nähe der Parität zu kommen, vor allem bei den technischen Studiengängen.
Hat das möglicherweise mit den Themen zu tun? Zu welchen Themen haben Sie die Science Bench bisher durchgeführt?
Kunz: Zweimal haben wir die Science Bench zum Thema Künstliche Intelligenz umgesetzt, wobei wir einmal KI mit Gesundheit verknüpft haben. Dann hatten wir noch die Themen Gesundheit an sich, Mobilität der Zukunft und Energiewende und wir haben 2021 noch eine zum Thema Gesundheit und Telemedizin veranstaltet. Das Thema KI ist natürlich für alle Geschlechter erst einmal fremdartig, weil die meisten zunächst wenig damit anfangen können.
Eine Science Bench dauert 90 Minuten – wie viele Personen setzen sich durchschnittlich zu ihnen und wie lange bleiben sie?
Glauner: Vielleicht sechs bis acht Personen in 90 Minuten, manche Gespräche sind nach drei Minuten zu Ende, manche gehen bis zu 30 Minuten. Wir sind nicht die ganze Zeit ausgebucht. Es ist auch immer eine Frage, zu welcher Uhrzeit die Veranstaltung stattfindet? Wir haben es immer wochentags zur Mittagszeit gemacht, weil die meisten Menschen dann Mittagspause machen und Lust und Zeit mitbringen. Ich glaube, man muss lange ausprobieren, bis man die richtige Zeit findet. Außerdem hängt es auch vom Wetter ab, aber mittags ist es ganz gut, weil dann viel Dynamik in der Stadt ist.
Sie haben das Projekt jetzt ein paar Mal durchgeführt, was haben Sie dabei gelernt?
Kunz: Wir haben die Science Bench sowohl als TH Deggendorf allein, als auch gemeinsam mit dem Hochschulverband TRIO durchgeführt. Angefangen haben wir mit drei Stunden Zeit, sind dann aber auf 90 Minuten heruntergegangen. Bezüglich des Veranstaltungsorts muss man darauf achten, dass möglichst viele Menschen an der Bank vorbeilaufen und dass die Bank nicht in der Sonne steht.
Glauner: Ja, 2020 war die Sonne das Problem und dieses Jahr (2021) hatten wir ein Problem mit einer Hochzeitsgesellschaft, die sich auf die Bank setzen wollte. Wir mussten uns die Bank erst wieder zurückerobern und zehn Meter weitertragen, um mit der Science Bench weitermachen zu können.
Kunz: Eine Vision von uns wäre, einen festen Ort zu haben. Was wir gerne mit der Stadt umsetzen würden, wäre ein Konzept, bei dem jede Woche jemand anderes auf der Bank sitzt – einmal ein Politiker, jemand aus der Wirtschaft, aus einem Geschäft in der Stadt und auch Forschende der Hochschule. Damit wüssten die Leute: „Ah okay, heute kann ich zur Bank gehen und mit der*demjenigen sprechen.“
Welche Tipps haben Sie für Menschen, die ein ähnliches Projekt wie Ihre Science Bench umsetzen möchten?
Glauner: Es muss ein knackiges Thema sein, etwas, das die Leute bewegt, sei es KI, Energiewende oder Quantencomputer. Der Ort sollte möglichst zentral sein, wie ein Marktplatz zum Beispiel. Es sollte in der Presse durch eine Pressemitteilung beworben und ein Sondernutzungsrecht sollte mit der Kommune abgeklärt werden. Außerdem benötigt man eine*n Professor*in, der*die offen für Gespräche ist und Mitarbeiter aus der Öffentlichkeitsarbeit, die die Leute ansprechen und auf das Event aufmerksam machen.
Ein Professor hat einmal mitgeholfen, Leute anzusprechen. Da meinte jemand zu ihm: „Wo ist denn jetzt der Professor?“ Das zeigt, die Menschen haben ein gewisses Bild, wie ein*e Professor*in auszusehen hat. Es geht also auch darum, Stereotype aufzulösen. Insgesamt ist die Science Bench etwas Simples, das jede Hochschule ausprobieren kann und bei dem man nichts zu verlieren hat, außer Zeit. Außerdem ist es eine schöne Abwechslung zum normalen Hochschulalltag.