Frauen haben es in der Wissenschaft nach wie vor schwerer als Männer, zum Beispiel wenn sie eine Professur anstreben. Woran liegt das? Und wie ließe sich das ändern? Dazu forscht die Soziologin Paula-Irene Villa Braslavsky.
Frauen in der Wissenschaft – gleiche Chancen für alle?
26 Prozent der Professuren in Deutschland sind von Frauen besetzt. Das ist keine überraschende Zahl, aber sie zeigt, wie weit deutsche Hochschulen von einer Gender-Gleichberechtigung entfernt sind. Vor allem in Naturwissenschaften, Mathematik und Ingenieurswissenschaften gibt es deutlich weniger Frauen in Spitzenpositionen. Dabei ist die Lage auf den Ebenen unterhalb der Professuren relativ ausgeglichen: Unter den wissenschaftlichen Mitarbeitenden an Hochschulen sind beispielsweise 43 Prozent Frauen.
„Nachdem ein Kind geboren ist, ist die Versorgung in Deutschland immer noch wesentlich die Aufgabe der Mütter“, sagt Villa Braslavsky. „Wer sich aber gerade in der Postdoc-Phase Zeit dafür nimmt, fällt aus dem Wissenschaftssystem eher heraus.“ Das gelte zwar genauso für Männer, die während ihres Postdocs in Elternzeit gehen, aber das sei immer noch unüblicher. So sind vor allem Frauen benachteiligt, wenn sie Kinder möchten und in der Postdoc-Phase stecken. Diese Tatsache spiegelt sich auch in der Statistik: Wie bei einer Schere gehen die Anteile von Frauen und Männern in der Wissenschaft ab der Promotion immer weiter auseinander. Bis eben knapp 75 Prozent der Professuren von Männern besetzt sind.
Auch Stereotype beeinflussen, wer in einer wissenschaftlichen Karriere weiterkommt. Das Stereotyp eines Wissenschaftlers ist immer noch der männliche Professor im weißen Laborkittel. Und nicht nur das: Männern und Wissenschaftlern werden auch eher dieselben Attribute zugeschrieben: beispielsweise rational zu handeln, ehrgeizig zu sein und Karriere zu machen. „Eine Frau in der Wissenschaft wird schnell mit dem Problem konfrontiert, dass sie gar nicht mehr als richtig weiblich gilt“, sagt Villa Braslavsky. „Das prägt die Wissenschaft und auch die Laufbahnen an den Universitäten.“
Warum sollte Wissenschaft überhaupt diverser sein, als sie es heute ist? Ist Gleichberechtigung der einzige Grund? Soziologin Villa Braslavsky sagt, hier gehe es für Forschungseinrichtungen eben auch darum, weiter exzellente Forschung zu betreiben. Wer nur aus männlicher Perspektive forscht, der erfasst einen großen Teil der Gesellschaft überhaupt nicht.
Diese Problematik ist in der Medizin schon recht bekannt. Medizinische Forschung wurde lange eher an Männern betrieben, männliche Körper galten lange Zeit als Standard in der Medizin. So haben Frauen bei einem Herzinfarkt andere Symptome als Männer – was der Grund ist, warum Frauen häufiger an Herzinfarkten sterben. Sie werden teilweise schlicht nicht rechtzeitig erkannt. Wenn Frauen bei einem Herzinfarkt von anderen Frauen behandelt werden, überleben sie deutlich öfter.
In den vergangenen Jahren ist in der Wissenschaft allerdings schon einiges passiert. Spätestens die erste Runde der Exzellenzinitiative hat viel Aufmerksamkeit auf das Thema Gleichberechtigung gelenkt, sagt Soziologin Villa Braslavsky. Nachdem die Bewerbungen der Universitäten an internationale Gutachter und Gutachterinnen gingen, kam von dort schnell die Frage: Wo sind denn die Frauen? Wo sind Maßnahmen zur Gleichstellung? „Ich glaube, das hat einen nachhaltigen Schock bewirkt“, sagt Villa Braslavsky. „Mit dieser Kritik ist eine echte Dynamik im deutschen Diskurs entstanden.“
Trotzdem müssten etwa die Strukturen in der Wissenschaft verändert werden, wenn gleiche Chancen für Frauen erreicht werden wollen. Diese sollten es ermöglichen, Wissenschaft zu betreiben und Care-Aufgaben nachzugehen, wie Kinder aufzuziehen oder Angehörige zu pflegen. Professuren in Teilzeit sind eine Idee, die Soziologin Villa Braslavsky vorschlägt. Aber sie kritisiert auch, wie Leistung in der Wissenschaft gemessen wird – zu einem großen Teil nach Publikationsoutput. So zeigen Studien (1 und 2), dass der sogenannte h-Index bei Männern häufig höher ist als bei Frauen. Dieser misst, wie häufig Forschende zitiert werden und ist wichtig für die Reputation. Das ist zwar der Versuch, wissenschaftliche Leistung zu objektivieren. Aber Menschen, die sich neben dem Beruf viel um ihre kleinen Kinder oder Angehörige kümmern, können schlicht nicht so viele Paper schreiben und veröffentlichen wie kinderlose Personen. Und das sind statistisch gesehen öfter Frauen als Männer.
Solange der Professor im Laborkittel als exemplarischer Wissenschaftler wahrgenommen wird und solange Wissenschaftlern eher dieselben Attribute zugeschrieben werden wie Männern insgesamt, ist es schwieriger für Frauen, Erfolg bei Preisvergaben oder in Berufungskommissionen zu haben. Eine Studie zeigt: Ein männlicher Vorname macht einen Bewerber automatisch kompetenter in den Augen der Beurteilenden. Sie würden ihn eher einstellen und ihm sogar ein höheres Einstiegsgehalt bieten.
Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version wurde im Titel der Begriff „Feministische Wissenschaft“ verwendet. Dies haben wir korrigiert, weil es nicht zutreffend ist. Wir bitten diese Ungenauigkeit zu entschuldigen.