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„Esoterik und Homöopathie haben keinen Platz in der Medizin“

Husten, Schnupfen, Heiserkeit – die Hausarztmedizin hat mehr zu bieten, findet Karen von Mücke. Auf X und Bluesky erzählt die Internistin aus ihrem Praxisalltag und klärt über Krankheiten und Irrtümer auf. Mit dabei: viel Humor und ihre Hühner.

Frau von Mücke, Sie sind unter Ihrem Klarnamen auf Twitter und Bluesky unterwegs, berichten als Internistin aus Ihrem Praxisalltag und klären über Krankheiten auf. Wie sind Sie dazu gekommen?

Kolleg*innen haben mich dazu gebracht. Sie haben damals auf Twitter eine Aktion zum Thema Datenschutz in der Medizin organisiert. Ich hatte mich damals nur bei Twitter angemeldet, um diese Aktion zu unterstützen. Aber dann hat es mir Spaß gemacht und ich habe angefangen, mich dafür zu interessieren, wie Twitter funktioniert.

Ich habe einmal eine Begebenheit aus der Praxis gepostet und gemerkt: Das kommt gut an. Einen Plan hatte ich nicht, es hat sich einfach so ergeben.

Karen von Mücke ist Internistin und Diabetologin in München. Die promovierte Medizinerin klärt auf X und Bluesky über Krankheiten auf und berichtet über ihren Alltag als niedergelassene Ärztin. Foto: photogenika

Was erfahren die Menschen in ihren Social Media Posts?

Die Hausarztmedizin ist spannend und vielfältig und hat viel mehr zu bieten als Husten, Schnupfen und Heiserkeit. Die Menschen erfahren bei mir, wie Diagnostik funktioniert und wie ich zur richtigen Diagnose von Krankheiten komme.

Viele meiner Posts spiegeln die Gespräche mit meinen Patient*innen wider. Sie beginnen oft mit einem Zitat des Patienten aus diesem Gespräch, zum Beispiel: „Ich habe solche Bauchschmerzen“. Dann beschreibe ich, wie ich die Untersuchung durchführe und am Ende kommt die Auflösung, die Diagnose. Ich versuche, die Beiträge kurz zu halten, maximal fünf bis sieben Beiträge pro Thread. Ich wähle eine einfache Sprache, aber der Inhalt muss natürlich sachlich korrekt sein.

Manchmal schreibe ich zur Auflockerung auch lustige Anekdoten aus dem Praxisalltag. Zum Beispiel behandle ich regelmäßig Patienten in einem Altenheim. Viele Senioren dort sind sehr humorvoll, diese Geschichten erzähle ich gerne. Und ich habe drei Hühner im Garten. Von ihnen berichte ich immer sonntags mit Fotos und Wissenswertem. Die haben inzwischen auch ihre eigene Fangemeinde.

Warum denken Sie, lesen die Leute gerne Ihre Tweets über Krankheiten?

Es gibt eine Flut von Informationen zu Gesundheitsthemen im Internet, aber es gibt auch viel Müll. Entweder sind die Informationen schlicht falsch oder zu kompliziert.

Auch kursieren in der Bevölkerung viele Irrtümer über Krankheiten und medizinische Versorgung, zum Beispiel über die Wundversorgung. „Auf die Wunde gehört kein Pflaster, da muss Luft dran“, das hat wohl jede*r schon einmal gehört. Ich erkläre, wie Wunden heute versorgt werden sollten, damit sie sich nicht infizieren.

Meine Informationen sind authentisch und vertrauenswürdig. Außerdem gelingt es mir gut, komplizierte Sachverhalte verständlich darzustellen. Ich habe offenbar einen Nerv getroffen.

„Meine Informationen sind authentisch und vertrauenswürdig. Außerdem gelingt es mir gut, komplizierte Sachverhalte verständlich darzustellen. Ich habe offenbar einen Nerv getroffen." Karen von Mücke

Warum ist es Ihnen wichtig, Menschen über Gesundheitsthemen aufzuklären?

Ich wünsche mir, dass die Leute ein besseres Gefühl für ihren Körper und Krankheiten entwickeln. Wann muss ich zum Arzt? Was kann ich selber behandeln? Welche Krankheit könnte hinter diesen Symptomen stecken? Viele Menschen sind diesbezüglich sehr verunsichert.

Wenn ich die Leute dazu motivieren kann, für sich was Gutes zu tun, finde ich das toll. Vor kurzem schrieb mir jemand: „Sie haben neulich etwas über Impfungen geschrieben, da fiel mir ein, ich muss noch meine Tetanusimpfung auffrischen lassen“ oder „Jetzt weiß ich endlich, was Homöopathie ist“, dann weiß ich, warum ich das mache.

Wie gehen Sie mit kontroversen Themen wie Homöopathie um?

Was mir sehr wichtig ist: Esoterik und Homöopathie haben keinen Platz in der Medizin. Das thematisiere ich regelmäßig und versuche darüber aufzuklären. Manche Homöopath*innen sind unbelehrbar, die werde ich auch niemals umstimmen. Das ist auch gar nicht mein Ziel. Aber ich möchte verhindern, dass Menschen, die vielleicht zweifeln oder unsicher sind, in die Fänge dieser Leute geraten.

Ein weiterer Schwerpunkt ist die aktuelle Gesundheitspolitik, die ich regelmäßig kommentiere. Eine gute medizinische Versorgung der Bevölkerung ist mir ein wichtiges Anliegen. Ich setze mich zum Beispiel für eine gut funktionierende Digitalisierung ein. Derzeit läuft es noch nicht so gut, das versuche ich öffentlich zu machen, um so im besten Fall den Druck auf die Verantwortlichen zu erhöhen.

Der Ton auf X wird immer rauer. Werden Sie oft angefeindet, wenn Sie über diese kontroversen Themen schreiben?

Meine Kolleg*innen, die zum Beispiel über die Corona-Impfung oder die Post-Covid-Thematik posten, werden zum Teil sehr stark angefeindet und beleidigt. Das passiert mir nicht so oft, weil meine Themen nicht so viel Angriffsfläche bieten.

Aber auch ich habe das schon erlebt. Ich hatte mich damals, als die ersten Impfstoffe gegen Corona herauskamen, als Ärztin positioniert, die Impfungen durchführt. Daraufhin wurde ich so stark bedroht, dass ich sogar HateAid eingeschaltet habe. Damals musste ich meine Social-Media-Accounts ständig im Auge behalten, um sicher zu sein, das nichts aus dem Ruder läuft. Ich bin froh, dass ich das jetzt nicht mehr machen muss.

Manchmal werde ich auch beleidigt, dann versuche ich, gelassen und sachlich zu reagieren. Das führt dann oft dazu, dass die Leute plötzlich auch netter werden und manchmal sogar so etwas antworten wie „Ach, jetzt verstehe ich, wie Sie das meinen“. Toll ist auch, dass meine Follower*innen bei Beleidigungen einspringen und die Leute zurechtweisen.

Wen möchten Sie mit Ihren Beiträgen ansprechen?

Ich richte mich vor allem an Lai*innen, aber auch an Rettungssanitäter*innen, Pflege- und medizinisches Fachpersonal.

Ein Follower hat mir erzählt, dass sein Sohn Medizin studiert und er ihm immer die Krankheitsfälle aus meinen Posts vorliest. Der Sohn muss dann raten, um welche Krankheit es sich handelt. Das finde ich toll.

Wie entscheiden Sie, welche Themen Sie auf Ihren Kanälen behandeln?

Die Themen drängen sich mir einfach auf, weil sie mir jeden Tag in meiner täglichen Arbeit begegnen. Ich könnte noch viel mehr darüber schreiben. Wenn ich morgens mit dem Fahrrad in die Praxis fahre, kommen mir die Geschichten oft einfach in den Sinn und ich formuliere meine Tweets schon im Kopf. Die poste ich dann in der Mittagspause oder nach Feierabend.
Das fühlt sich für mich nicht wie Arbeit an und ich werde damit belohnt, dass die Leute das gerne lesen. Es ist sozusagen eine Win-Win-Situation. Ich versuche aber auch, nicht zu viel Zeit zu investieren.

Besteht die Gefahr, dass sich Menschen selbst diagnostizieren, wenn Sie über Krankheitsbilder berichten?

Natürlich kann ich das nicht ausschließen. Aber meine Botschaft ist immer: „Gehen Sie in eine Praxis!“ Ich sage nie, machen Sie eine Selbstdiagnose. Meine Beiträge sind dafür nicht geeignet, sondern nur zur Erweiterung des Wissens gedacht.

Wünschen sich Menschen manchmal eine Diagnose von Ihnen?

Das kommt hin und wieder vor. Ich sage dann immer, dass sich die Leute direkt an ihren behandelnden Arzt oder Ärztin wenden sollen. Ich darf auf X keine medizinische Beratung machen, das ist nicht zulässig und würde ich auch nie tun.

„Manchmal werde ich auch beleidigt, dann versuche ich, gelassen und sachlich zu reagieren. Das führt dann oft dazu, dass die Leute plötzlich auch netter werden und manchmal sogar so etwas antworten wie „Ach, jetzt verstehe ich, wie Sie das meinen“. " Karen von Mücke

Wie finden es Ihre Patient*innen, dass Sie in sozialen Medien aktiv sind?

Die meisten sind selbst nicht auf X und wissen es daher nicht. Es gibt ein paar Jüngere, die das toll finden. Neulich wurde ich zum ersten Mal auf der Straße erkannt. Zwei junge Männer haben mich gefragt, ob ich die Ärztin von X bin, das hat mich natürlich sehr gefreut.

Sie beschreiben ja konkrete Situationen oder auch Krankheiten. Inwieweit stimmen Sie das mit Ihren Patient*innen ab?

Natürlich nenne ich bei meinen Posts nie Namen und auch die Fotos lassen keine Rückschlüsse auf die Person zu. Trotzdem würde ich nie etwas posten, ohne bei meinen Patient*innen nachzufragen, ob das in Ordnung ist. Es sei denn, es ist so unspezifisch, dass es nicht auf eine Person zurückgeführt werden kann.

Wissenschaftler*innen bemängeln häufig, dass es für Wissenschaftskommunikation zu wenig Anerkennung gibt. Sie machen das auch in Ihrer Freizeit. Wie denken Ihre Kolleg*innen darüber?

Negative Kommentare habe ich noch nie bekommen. Aber neulich war ich mit einer Kollegin essen, die ich noch aus der Klinik kenne. Sie war ganz fassungslos, dass ich das alles umsonst mache und konnte nicht verstehen, warum ich das tue.

Wenn man so viele Follower*innen hat wie ich, könnte man damit sogar Geld verdienen. Aber das will ich nicht. Ich möchte jederzeit sagen können, jetzt höre ich auf. Ich bin niemandem etwas schuldig. Ich mache das als Belohnung, als Abwechslung zu meinem anstrengenden Praxisalltag. Es ist einfach mein Hobby.