Open Access ist in aller Munde, doch das Konzept fügt sich derzeit nurmehr schlecht ins vorherrschende Publikationssystem ein. Wieso dies so ist und was sich konkret ändern müsste, erzählt Tobias Pohlmann, Open-Access-Beauftragter der Universität Kassel, im Interview.
„Es braucht eine Änderung im System“
Herr Pohlmann, Open Access ist eines der großen Themen im System Wissenschaft derzeit. Weshalb ist es so wichtig?
Die Ursachen sind vielfältig, aber eine der wichtigsten Ursachen ist sicherlich die Zeitschriftenkrise, die in den 90er Jahren an Fahrt aufgenommen hat. Die Subskriptionszeitschriften sind für Universitäten und andere wissenschaftliche Einrichtungen sehr wichtig, doch sie sind immer teurer geworden. Das liegt auch daran, dass der Markt sich sehr stark auf etwa fünf große Verlage konzentriert. Für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ist das publizieren in diesen Zeitschriften kostenlos, aber die Einrichtungen zahlen hohe Summen mit Preissteigerungen von bis zu fünf Prozent jährlich. Publikationen werden also immer teurer. Open Access ist der Versuch, dem entgegenzuwirken. Hier wird versucht, wissenschaftliche Publikationen frei zugänglich zu machen und so die Kommunikation im wissenschaftlichen Bereich zu beschleunigen und zu unterstützen. Ein weiterer Grund, weshalb Open Access aus unserer Sicht erstrebenswert ist, ist die Förderungsstruktur in Deutschland.
Was meinen Sie damit konkret?
Die meiste Forschung in Deutschland ist öffentlich finanziert und deshalb gibt es eigentlich keine guten Gründe, die Ergebnisse der Forschung nicht kostenlos zur Verfügung zu stellen. Das ist ja im Prinzip der Zusammenhang zwischen Wissenschaftskommunikation und Open Access. Open Access verhindert, dass es eine Barriere zwischen der Gesellschaft und wissenschaftlichen Fakten gibt. Insofern ist die Open-Access-Bewegung auch eine Bewegung, die für eine Öffnung des Wissenschaftssystems steht.
Was bringt Open Access den Forscherinnen und Forschern?
Zum einen beschleunigt die freie Zugänglichkeit wie gesagt den wissenschaftlichen Austausch. Zum anderen gibt es Studien, die zeigen, dass Open-Access-Publikationen öfter zitiert werden als solche, die sich hinter Paywalls verbergen. Für Forschende lohnt sich Open Access also. Insgesamt finden die meisten Forschenden Open Access gut und befürworten diesen Wandel.
Wieso ist es trotzdem noch nicht flächendeckend etabliert?
Das große Problem ist das vorherrschende Publikationssystem. Die Wissenschaft orientiert sich sehr stark an dem Impact-Faktor und dieser ist eben in den klassischen Zeitschriften oftmals am höchsten. Viele Open-Access-Journals sind noch relativ jung und haben daher keine besonders hohen Impact-Faktoren. Der Drang also, sich über Impact-Faktoren zu identifizieren, ist eigentlich das größte Problem für die Open-Access-Bewegung. Auch das im letzten Jahr viel diskutierte Problem der Predatory Journals betrifft ausschließlich Open-Access-Journals und wirkt sich negativ auf deren Ruf aus und stellt insofern womöglich ein weiteres Hindernis dar. Am Willen der Leute scheitert es selten, eher scheitert es am etablierten System und an den bestehenden Traditionen.
Wie sehen Sie die derzeitigen Bestrebungen?
Ich glaube, es bewegt sich etwas in die richtige Richtung mit den aktuellen Verhandlungen über DEAL-Verträge. Das Ziel dieser Verhandlungen ist es, Open-Access-Transformationsverträge mit den großen Verlagen zu verabschieden, um sie zu mehr Open Access zu bewegen. Das ist aus meiner Sicht der richtige Weg, denn es braucht eine Änderung im System, wenn wir wirklich etwas erreichen wollen. Mit Appellen allein wird es nicht funktionieren. Trotz aller Kritik denke ich also, der eingeschlagene Weg ist der einzige mit Aussicht auf Erfolg.
Wie konkret sehen die Lösungsansätze aus?
Aktuell geht es vielfach um eine Hybrid-Lösung, bei der Forschende bei den großen Verlagen publizieren und den Beitrag für sie kostenlos als Open Access zur Verfügung stellen können. Die Gebühren übernehmen die wissenschaftlichen Einrichtungen. Hierdurch soll langfristig der Anteil der Open-Access-Beiträge in den Journals erhöht und die Subskription so quasi überflüssig gemacht werden. Der nächste Schritt ist ein System, in dem man nicht mehr allgemein alles abonniert, sondern nur für die Publikation von Open-Access-Beiträgen bezahlt. Ob dieser Wandel gelingt, liegt an den DEAL-Verhandlungen. Ich bin da insgesamt zuversichtlich, obwohl es hier unter meinen Kolleginnen und Kollegen auch kritische Stimmen gibt.