Am neu gegründeten Munich Science Communication Lab wollen Wissenschaftler*innen und Praktiker*innen Wissenschaftskommunikation im Bereich „Planetary Health“ untersuchen. Warum er das für relevant und lohnend hält, erklärt der Kommunikationswissenschaftler Bernhard Goodwin.
„Ein sehr drängendes Thema“
Herr Goodwin, beim neu gegründeten Munich Science Communication Lab geht es um das Thema „Communicating Planetary Health“. Warum ist das Ihrer Ansicht nach ein wichtiges Thema für die Wissenschaftskommunikation?
Der erste Grund: Es ist ein sehr drängendes Thema, hat also eine hohe Relevanz. Der zweite Punkt ist: Es handelt sich um ein Thema, das mit komplizierten Problemen verbunden ist, für die es keine einfachen Lösungen gibt. Wir nennen das „Wicked Problems“. Deswegen ist auch die Wissenschaftskommunikation ein bisschen schwieriger als bei anderen Themen. Und drittens ist die Wissenschaftskommunikation eigentlich sogar Teil des Phänomens selbst. Denn wenn man über die Frage spricht, wie die Gesundheit und die Umwelt unseres Planeten miteinander zusammenhängen, spielt es eine wichtige Rolle, wie Menschen darüber nachdenken und ins Gespräch kommen.
Können Sie noch etwas genauer erklären, was Sie damit meinen, dass Wissenschaftskommunikation Teil des Phänomens ist?
Nimmt man beispielsweise ein Thema wie schwarze Löcher, hat die Gesellschaft nicht viel mit dem Thema zu tun und ist selbst keine Akteurin. Das Phänomen selbst wird nicht von der Wissenschaftskommunikation beeinflusst. In unseren Fall ist das anders. Denn man kann davon ausgehen, dass Bürger*innen ihr Verhalten ändern, wenn sie sich über Umwelt und Gesundheit informieren. Das hat dann wiederum eine Wirkung auf die Umwelt und die Gesundheit. Durch diese Wechselwirkung ist Wissenschaftskommunikation ein integraler Bestandteil des Phänomens, das wir betrachten.
Vier neue Zentren für Wissenschaftskommunikationsforschung
Die VolkswagenStiftung fördert mit insgesamt 15 Millionen Euro vier neue Zentren für Wissenschaftskommunikationsforschung. Auf die Ausschreibung „Wissenschaftskommunikation hoch drei“ konnten sich Projekte bewerben, in denen die Perspektiven Wissenschaftskommunikationsforschung, Fachwissenschaft und Kommunikationspraxis zusammenwirken. Der Förderzeitraum beträgt fünf Jahre und kann um maximal drei Jahre verlängert werden. Die Stiftung erreichten 27 Anträge von Konsortien verschiedener Institutionen aus 24 Ländern. Wie Ende Juni 2021 bekannt wurde, erhielten folgende Zentren den Zuschlag: The Munich Science Communication Lab zum Thema „Communicating Planetary Health“, das The Kiel Science Communication Network zum Thema „Evolving Visualizations for Evolving Health“, das Rhine-Ruhr Center for Science Communication Research und das Tübinger Center for Rhetorical Science Communication Research on Artificial Intelligence.
Planetary Health steht für die Gesundheit des Menschen und die seiner Umwelt, also für die Gesundheit des Planeten. Welche Fragen treiben Sie als Kommunikationswissenschaftler bei diesem Thema um?
Da gibt es mehrere Punkte. Das erste, was mir in den Kopf kommt, ist, dass Planetary Health eine neue Metapher im Bereich der öffentlichen Kommunikation ist. Sehr üblich ist die Metapher der Nachhaltigkeit, die ursprünglich aus der Forstwirtschaft stammt und eher technisch ist. Es geht um Ressourcen, die wieder zur Verfügung gestellt werden. Die Gesundheitsmetapher steht dem gegenüber, sie kommt aus der Medizin, ist holistischer und ein bisschen weniger rational geprägt. Deswegen können wir untersuchen, ob sie anders auf Emotionen wirkt. Gesundheit ist im Gegensatz zum Weltuntergang, den wir bei Klimawandelkommunikation häufig sehen, eine positive Metapher. Aus klimawissenschaftlicher Sicht wissen wir, dass wir mit der globalen Erderwärmung wirklich ein richtig großes Problem haben. Aber aus kommunikationswissenschaftlicher Sicht wissen wir, dass wir mit dem Thema Weltuntergang zwei Probleme haben. Das erste: Es handelt sich um einen „Loss Frame“, also ein negatives Ereignis, das wir versuchen zu vermeiden. Wir wissen aus Studien, dass eine solche Art der Betrachtungsweise nicht unbedingt zu Handlungen führt, während wir über die Erwähnung möglicher positiver Zustände sehr wohl etwas erreichen können. Aufs Rauchen übertragen hieße das: Über den drohenden Krebstod zu reden, bewirkt andere Verhaltensweisen, als wenn wir über Möglichkeiten sprechen, frei zu atmen, selten zu husten und Treppen steigen zu können.
Der zweite wichtige Punkt ist, dass Gesundheit etwas ist, was graduell erreicht wird. Der Weltuntergang kommt entweder nicht oder auf einen Schlag. Bei Gesundheit aber können wir mehr darüber reden: Welches sind die graduellen Schritte, um Gesundheit zu erreichen?
Beim Munich Science Communication Lab soll gemeinsam mit vielen Partner*innen die Praxis der Wissenschaftskommunikation in dem Themenfeld erforscht werden. Wer sitzt mit im Boot?
Themen rund um Gesundheit und Klimawandel werden gesellschaftlich kontrovers diskutiert. Rechnen Sie mit der Kritik, dass Sie sich als Wissenschaftler*innen politisch positionieren?
Als Wissenschaftler*in würde ich immer versuchen, eine Perspektive einzunehmen, in der das eigene Handeln nicht den Blick auf die Welt verstellt, um es mal sehr philosophisch auszudrücken. Aber ich bin schon der Meinung, dass Wissenschaft – und zwar auch Kommunikationsforschung – die Verantwortung hat, relevante Erkenntnisse so mitzuteilen, dass sie genutzt werden können. Wenn wir rauskriegen, wie wir besonders effektiv Menschen vermitteln können, wie sie besser mit ihrer eigenen Gesundheit, ihrem Ökosystem und beidem zusammen umgehen können, dann sollten wir das aus forschungsethischer Perspektive tun. Deswegen sehe ich dieser Debatte sehr gelassen entgegen. Ich glaube aber auch, dass es gut ist, darüber zu diskutieren.
Das Forschungszentrum wird erst einmal für fünf Jahre gefördert. Was sind Ihre ersten Schritte?
Die ersten Schritte sind wir schon gegangen. Wir haben im Rahmen der Exzellenzinitiative ein Seed-Funding von der Uni München bekommen, die unseren Antrag unterstützt hat. Außerdem hat die Universität eine Professur für Gesundheitskommunikation berufen, was ein toller Start für das Projekt ist. Als erstes haben wir einen Workshop organisiert, an dem 45 Teilnehmer*innen aus vier verschiedenen Ländern teilgenommen haben. Dort haben wir in Arbeitsgruppen mögliche Fragestellungen erarbeitet. Das zweite Event war ein öffentliches Symposium, bei dem wie das Ganze noch einmal größer aufgezogen haben. Es waren Leute dabei, die uns Input von außen gegeben haben, aber wir haben auch innerhalb der Gruppe gesprochen, wie wir das Thema anpacken können. Im Prinzip geht es erst einmal darum, das Phänomen zu verstehen. Also den Planetary-Health-Leuten verständlich zu machen, was öffentliche Kommunikation bedeutet, und uns Kommunikationswissenschaftler*innen deutlich zu machen: Was ist Planetary Health?
Und was planen Sie mit den Museen?
Wir fangen mit einem Workshop innerhalb unserer Community an. Es sind Leute dabei, die schon den Antrag mitgeschrieben haben. Aber wir wollen offen sein. Gerade in München gibt es viele Leute, die sich mit Wissenschaftskommunikation beschäftigen. In den Workshops können Vorschläge für Projekte generiert werden. Wichtig ist dabei, dass wir uns von Anfang an überlegen: Was wollen wir damit rauskriegen? Wir wollen, dass es ein konkretes Vorhaben gibt, dessen Wirkung wir prüfen können. Das Deutsche Museum hat jetzt eine Ausstellungsfläche für Wissenschaftskommunikation freigemacht, wo Sachen ausprobiert werden können.
Wir würden beispielsweise mit einer bunt gemischten Gruppe von Menschen, die sich mit Planetary Health auskennen, aber auch mit Leuten, die das Publikum sein sollen, eine Ausstellung konzipieren. Dann schauen wir: Wie wirkt sich allein das Erarbeiten der Ausstellung auf die Beteiligten aus? Was nehmen die Betrachter*innen davon mit? Ich glaube, dass gerade der erste Aspekt ein bisschen untererforscht ist. Im Prozess der Ausstellungsentwicklung werden Entscheidungen reflektiert und getroffen, die Wirkung zeigen. Für uns ist total interessant zu schauen, wie diese Wirkungen wieder auf die Kommunikator*innen zurückwirken. Aber gleichzeitig werden wir auch mit den klassischen kommunikationswissenschaftlichen und sozialpsychologischen Methoden untersuchen, was bei den Nutzer*innen ankommt.
Interviews mit weiteren geförderten Zentren der Ausschreibung „Wissenschaftskommunikation hoch drei“: