Forschung im Strom – beziehungsweise im Livestream: An einem Donnerstag im Monat nutzen die Macherinnen und Macher des Forschungsstroms die Gaming-Plattform Twitch für die Wissenschaftskommunikation. Im Interview erklärt Mitinitiatorin Claudia Frick, weshalb.
Ein neues, interaktives
Live-Erlebnis
Was ist Twitch und wie ist es dazu gekommen, dass Sie dort den Forschungsstrom produzieren?
Twitch ist eigentlich ein Live-Streaming-Videoportal, das hauptsächlich von Gamerinnen und Gamern genutzt wird. Ich bin selbst Gamerin und dort schon länger aktiv. Die Idee, die Plattform auch für die Wissenschaftskommunikation zu nutzen, entstand, weil es bei Twitch die Kategorie Wissenschaft und Technik gibt. Ich habe mir das mal angesehen und festgestellt, dass es dort zwar viel um Technik und Anleitungen zum Selberbauen geht, aber eben nicht um Wissenschaftskommunikation. Deshalb habe ich überlegt, dass ich das gerne ausprobieren würde.
Wie funktioniert der Forschungsstrom genau?
Wir treffen uns virtuell zu dritt und bringen jeweils ein Thema mit, über das wir reden. Im Prinzip sitzen wir also vor unseren Webcams zuhause und schalten uns dann zusammen. Von den Themen der anderen ist uns vorher nur ein Titel bekannt. Ich hatte beispielsweise beim ersten Mal den Titel „Safe into Space“ in unser Vorbereitungsdokument eingetragen. So hat man eine ungefähre Vorstellung, aber eben keine ganz genaue. Wir stellen dann je ein Thema, ein Format oder irgendwas aus dem Bereich der Wissenschaft vor, das wir als spannend empfinden.
Nach zwei Sendungen ist es natürlich noch etwas früh, aber wie werden die Sendungen bisher angenommen?
Wir sind ganz zufrieden. Ich habe normalerweise so fünf Leute, die mir beim Spielen zugucken – und beim Forschungsstrom hatten wir direkt über 20. Das ist für Twitch eine ganz gute Zahl. Und vor allem ist toll, dass es viele Kommentare gibt und Leute auch eigene Beiträge einbringen, die zum Thema passen. Ich erlebe den Kanal als sehr viel interaktiver als viele andere. Und dieser Live-Charakter macht das Ganze auch aus.
Ist dieses Live-Element, das den Kanal demnach auszeichnet, nicht auch nervenaufreibend?
Beim ersten Mal war ich natürlich tierisch nervös, zumal die anderen beiden noch neuer in dem Metier sind, weil sie die Plattform vorher gar nicht genutzt haben und entsprechend auch nicht mit der Technik vertraut sind. Hinzu kommt, dass wir uns eigentlich gar nicht richtig kennen. Dadurch steigt die Spannung, zu dritt aufzutreten, natürlich nochmal.
Wenn Sie sich vorher nicht kannten, wie ist es dann zu der Zusammenarbeit gekommen?
Ich kannte Henning Krause von Twitter und Lambo (Anmerk. der Redaktion: Lambert Heller) von Veranstaltungen. Das erste Mal live gesehen habe ich Henning, als ich ihn angesprochen und gefragt habe, ob er beim Forschungsstrom mitmachen will. Deshalb stellte sich schon auch die Frage, ob wir uns überhaupt verstehen und auf einer Wellenlänge liegen. Das war dann aber sehr schnell klar und es macht echt Spaß. Ich finde ein Gespräch zwischen uns und den Zuschauerinnen und Zuschauern auch besser, als alleine über Wissenschaft zu reden.
Sie haben eben bereits erwähnt, dass die anderen beiden den Kanal und die Technik nicht kannten. Wie komplex ist die Bedienung von Twitch?
Es ist schon ein bisschen aufwendig. Ich mache es über einen Laptop, aber es handelt sich um einen Gaming-Laptop mit entsprechender Power. Man braucht also einen guten Rechner. Außerdem benötigt man Software. Dazu gehört ein lokales Broadcasting-System, das Videos und andere Quellen zu einem einzelnen Video zusammenfügt und dieses dann an Twitch schickt. Wir haben uns außerdem überlegt, dass man den Chat bei uns im Video selbst sehen sollte, damit man die Kommentare auch im Nachhinein nachvollziehen kann. Auch dafür braucht man ein bisschen Technik. Und eigentlich bräuchte man einen Designer oder eine Designerin und jemanden, der sich mit dem Layout auskennt. Bisher hat uns in diesem Bereich Britta Focke schon das Logo designt. Absolute Laien brauchen also idealerweise eine Anleitung, um die Plattform zu nutzen.
Wie wird entschieden, worüber gesprochen wird?
Im Moment machen einfach alle, wozu sie Lust haben. Beim zweiten Forschungsstrom wollten Henning und ich beispielsweise beide über Corona reden, haben uns aber ganz andere Aspekte rausgesucht. Das hat also trotzdem geklappt. Ich kann mir aber auch durchaus vorstellen, dass wir uns im Laufe der Zeit mal auf Themen einigen, eine Themensendung machen oder uns Gäste einladen. Wir haben auf jeden Fall unterschiedliche Herangehensweisen, wie wir zu unseren Themen kommen. Henning sucht sich einfach immer etwas aus, was ihn interessiert. Lambo guckt ein bisschen, was auf Social Media los ist und ich gucke, was mich beschäftigt und nehme die Leute mit auf mein Gedankenkarussell. Mal schauen, wie es sich weiterentwickelt. Erstmal lernen wir weiter die Plattform und die Community kennen.
Was zeichnet die Community bei Twitch aus?
Das Tolle an dieser Plattform im Gamingbereich ist, dass sich unterschiedliche Communities um die Spielerinnen und Spieler herausbilden. Es entstehen viele kleine Grüppchen, in denen man sich dann unterhält und gegenseitig beim Spielen zuschaut. Außerdem sind dort ganz andere Leute zu finden als beispielsweise auf Youtube, was die Plattform für die Wissenschaftskommunikation interessant macht. Die Gaming-Community ist sehr interessiert an Wissenschaft und Technik, aber auf ihrer größten Plattform ist die Wissenschaftskommunikation noch nicht vertreten. Deshalb finde ich, dass wir da unbedingt hinmüssen. Das Live-Element ist in dieser Form derzeit auf keiner anderen vergleichbaren Plattform gegeben.
Wie steht es um den Datenschutz bei Twitch?
Man kann die Streams ansehen, ohne sich einzuloggen, nur kommentieren kann man dann nicht. Allerdings kann man bei uns auch dies umgehen, indem man Kommentare und Fragen bei Twitter postet. Ansonsten ist der Kanal im Sinne des Datenschutzes genauso problematisch wie andere amerikanische Plattformen. Ich denke aber, dass wir trotzdem dorthin müssen, wo unsere Zielgruppen sind. Das gilt für alle Plattformen, nicht nur für Twitch.
Was erhoffen Sie sich langfristig vom Forschungsstrom?
Ich hoffe, dass es ein bisschen wie beim Tatort wird. Sprich: Leute schauen den Stream an und tauschen sich dann auf anderen Plattformen darüber aus. Das wäre meine Wunschvorstellung. Ganz allgemein, finde ich, sind Livestreams mit Interaktionsmöglichkeit wichtig für die Wissenschaftskommunikation und sollten eine größere Rolle spielen. Ich hoffe also, vielleicht auch ein paar andere Leute zu motivieren, sich mit der Plattform auseinanderzusetzen und dort aktiv zu werden.