Unter der Corona-Krise leiden auch Veranstaltungen zur Wissenschaftsvermittlung, die normalerweise vor großem Publikum live stattfinden. Drei Organisationen erzählen, wie die Umstellung auf ein digitales Format bei ihnen geklappt hat.
„Effizienter, aber auch stromlinienförmiger“: Die Digitalisierung von Wisskomm-Events
„Mein erster Gedanke war: Na gut, dann halt bald wieder“, erinnert sich Tom Zimmermann. Die Ernüchterung folgte kurze Zeit später, als immer deutlicher wurde: Corona wird noch lange bleiben. Für Zimmermann bedeutete das eine ungeplante Pause für das Projekt, das er hauptberuflich betreibt. Gemeinsam mit seinem Kollegen Darren Grundorf organisiert er seit 2011 „Das Quiz“, einem Mitmachwettbewerb, den die beiden vor allem in Kneipen, aber auch in Museen oder anderen wissenschaftlichen Einrichtungen anbieten. Doch mit den Corona-Beschränkungen war es damit schlagartig vorbei.
„Bis wir aus dem ersten Tief herauskamen und uns ernsthaft mit digitalen Alternativen beschäftigt haben, hat es fast drei Wochen gedauert“, erzählt der studierte Kultur- und Medienmanager. Irgendwann fiel dann die Entscheidung: Das Quizformat wurde auf Social Media verlegt. Per Livestream bei Instagram führen die Moderatoren seitdem aus ihrem Homeoffice durch die Veranstaltung und stellen knifflige Fragen. Die Antworten müssen die teilnehmenden Teams per Google-Formular abgeben. Am Ende rechnen die beiden Quizmaster aus, wer gewonnen hat. Zwischen 70 und 250 Teilnehmende schalten sich zu, ähnlich viele wie bei einem Abend in der Kneipe.
Vor denselben Herausforderungen wie „Das Quiz“ stehen seit dem März alle Live-Veranstaltungen in der Wissenschaftskommunikation: Sie wollen viele Menschen gleichzeitig mit Forschungsthemen erreichen und ein Gemeinschaftserlebnis schaffen, wo keine größeren Zusammenkünfte erlaubt sind. Dafür braucht es digitale Formate. So sind beispielsweise viele Science-Slams und der FameLab-Wettbewerb ebenfalls in den digitalen Raum emigriert.
Das FameLab, das unter der Schirmherrschaft des British Council in Deutschland stattfindet und dessen Finale vom Wissenschaftsbüro der Bielefeld Marketing GmbH organisiert wird, musste sich ebenfalls plötzlich umstellen. Ailsa Kienberger, die den jährlichen, mehrstufigen Wettbewerb beim British Council betreut, bedauert vor allem die vertane Chance für manche Forschenden, ihre Arbeiten persönlich der Öffentlichkeit zu präsentieren und dabei ein wenig Bühnenluft zu schnuppern. Drei regionale Vorentscheide – in Dresden, Potsdam und Regensburg – konnten zwar vor der Pandemie noch live stattfinden. In Karlsruhe und Bielefeld mussten die Teilnehmenden jedoch ein Video ihres Kurzvortrags drehen und bei den jeweiligen Wissenschaftsbüros einreichen. Die Clips wurden wie auch beim regulären Wettbewerb von einer Fachjury begutachtet. Das Deutschlandfinale fand dann als Livestream bei Facebook und Youtube statt, mit Hilfe eines Umfragetools konnten die Zuschauerinnen und Zuschauer auch hier über den Publikumspreis abstimmen.
Beim FameLab haben alle Teilnehmenden nur drei Minuten Zeit, um dem Publikum ein Wissenschaftsthema möglichst unterhaltsam näherzubringen. Die einzelnen Vorträge wurden diesmal vor dem Livestream des Bundesfinales aufgezeichnet, um das Risiko für technische Pannen zu reduzieren.
Gemein war allen Umstellungen auf digitale Formate, dass den Verantwortlichen kaum Zeit blieb, sich ausführlicher mit technischen oder konzeptionellen Details zu befassen. „Wir hätten gern erst mal intensiv recherchiert, wie wir ein Science-Slam-Event auf Social Media so umsetzen können, dass es der Community nicht nur während der Krise, sondern auch langfristig Freude bereitet“, sagt Sveda Gettys von Science-Slam.com. Stattdessen mussten er und das Team die Umsetzung spontan beginnen und in einem kreativen Prozess nachjustieren. „Vieles war Learning-by-doing und ist im laufenden Betrieb durch die Zusammenarbeit mit Filmemachern und Youtube-Experten entstanden“, so Gettys.
Insgesamt müsse man für die Digitalisierung einiges an Flexibilität mitbringen, sagt Gettys. So hätte allein Facebook in den letzten Monaten immer wieder Änderungen am System vorgenommen, auf die sein Team kurzfristig reagieren musste, sagt er. Zudem sei die Fehleranfälligkeit bei einem Livestream viel größer als bei einer Veranstaltung an einem Ort.
Das war auch der Grund, warum man beim FameLab-Finale auf Nummer sicher gehen wollte: Der Wettbewerb und die Abstimmung waren zwar live, aber die einzelnen Vorträge wurden vorab aufgezeichnet. „So konnten wir für einen wesentlichen Teil des Wettbewerbs das Risiko minimieren, dass die Verbindung abreißt und die Vortragenden ihre Präsentation nicht zu Ende bringen können“, sagt Ailsa Kienberger vom British Council. Zu der Entscheidung habe auch beigetragen, dass sie selbst schon miterleben musste, wie Online-Veranstaltungen durch eine technische Panne ganz abgebrochen und auf einen anderen Termin verschoben werden mussten. Bei der technischen Umsetzung konnte man hier auf das Know-how der Kolleginnen und Kollegen aus Irland zurückgreifen, die ihren Wettbewerb schon kurz davor auf ein digitales Format umgestellt hatten. Für das Finale engagierte Bielefeld Marketing zudem einen Partner, der Erfahrung mit Livestreams mitbrachte.
Das Resümee der drei Veranstaltenden zur Ad-hoc-Digitalisierung fällt unterschiedlich aus. „Ich glaube, dass es für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer auch unter diesen seltsamen Umständen eine bereichernde Erfahrung war, ihre Forschung auf drei Minuten ‚einzudampfen‘“, sagt Kienberger. „Von daher bin ich schon sehr froh, dass das FameLab dieses Jahr trotz Corona stattfinden konnte.“
„Das Produzieren der Videos mit den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern war unglaublich kreativ“, sagt Sveda Gettys. Das Science-Slam-Team sei durch die erzwungene Spontanität sogar auf neue Ideen gekommen: „Jenseits des klassischen Vortrags haben wir Interviews gemacht und dadurch viel mehr die Personen und ihre Geschichten in den Vordergrund bringen können. Das ist etwas, was bei den Live-Events in großen Hallen oft zu kurz kommt“, sagt er. Außerdem habe das neue Format mehr Interaktion mit den Moderatorinnen und Moderatoren und auch mehr Partizipationsmöglichkeiten für das Publikum geschaffen.
Werden die Veranstaltenden dennoch die digitalen Varianten auch nach der Corona-Phase noch weiterverfolgen? Bei Science-Slam.com ist das auf jeden Fall geplant. Manche neuen Formate sollen neben den Live-Events weiterhin angeboten werden, vermutlich kommen auch noch neue hinzu. „Man könnte sogar sagen, die Corona-Krise ist ein echter Ideeninkubator für uns“, sagt Sveda Gettys. So will das Team in der Zukunft etwa kürzere Formate schaffen für unterschiedliche Kanäle wie Instagram, Facebook, Youtube oder LinkedIn, in denen mehr Geschichten hinter den Kulissen der Forschung thematisiert werden.
Die Quizmaster Zimmermann und Grundorf haben die bisherige Zeit genutzt, um an einer neuen technischen Lösung für ihr Online-Event zu arbeitet. Statt auf Instagram zu streamen, soll ab Herbst über die Website des Quiz ein neues Portal erreichbar sein, über das regelmäßig Wettbewerbe zu verschiedenen Themen stattfinden. Parallel dazu laufen auch die Termine vor Ort wieder an – im September zunächst in Form von Open-Air-Veranstaltungen, für November sind wieder die ersten Indoor-Quiz geplant.
Das FameLab dagegen, das aktuell ohnehin turnusgemäß pausiert, soll nach Wunsch von Ailsa Kienberger nächstes Jahr wieder live stattfinden, wenn auch die finale Absprache mit den Projektpartnern noch aussteht. „Am Ende hat die Digitalisierung zwar dann ganz wunderbar geklappt“, sagt Kienberger. „Aber trotzdem freuen wir uns darauf, wenn der Wettbewerb hoffentlich im nächsten Jahr wieder dort stattfinden kann, wo er hingehört: auf eine Bühne vor realem Publikum.“