Das Deutsche Museum können Besucherinnen und Besucher auch digital erkunden. Was sie dabei erleben, warum ein Museumsbesuch in München dennoch nicht zu ersetzen ist und was sich durch die Corona-Schließung verändert hat, erzählt Gerrit Faust, Leiter der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit.
„Digitale Kommunikation ist ein wichtiger Bestandteil unserer Wissensvermittlung“
Herr Faust, das Deutsche Museum können Besucherinnen und Besucher auch digital erkunden. Seit wann bieten Sie solche Einblicke beispielsweise in Form eines virtuellen Rundgangs an?
Die virtuellen Rundgänge durch das Deutsche Museum gibt es schon seit 2015. Sie sind damals als Pilotprojekt gemeinsam mit dem Münchener Start-up NavVis entstanden. Fast zeitgleich haben wir auch mit Google Inc. ein Projekt gestartet, mit dem man sich auch dort das Haus von innen ansehen kann. Über die Zeit und auch bedingt durch Corona haben wir die virtuellen Rundgänge erheblich erweitert. Es sind sehr viele Ausstellungen dazugekommen. Besucherinnen und Besucher können digital alles sehen, was im Museum gerade ausgestellt ist, und zusätzlich sogar Ausstellungen, die sich momentan in der Modernisierung befinden und dem Publikum vor Ort verborgen bleiben. Zudem haben wir die existierenden Rundgänge auch inhaltlich erweitert. Bei bestimmten Points of Interest gibt es nun beispielsweise ergänzende Audiofiles oder Youtube-Videos.
Warum ist so ein digitales Angebot aus Ihrer Sicht wichtig?
Es ist wichtig, um eine weltweite Sichtbarkeit zu haben. Natürlich freuen wir uns nach wie vor über alle Besucherinnen und Besucher vor Ort – nicht zuletzt, weil sie Tickets kaufen und damit eine wichtige Säule unserer Finanzierung sind. Aber wir wollen auch denjenigen, die weit weg wohnen und sich für Naturwissenschaften und Technik interessieren, die Möglichkeit bieten, unsere Sammlungen zu sehen. Wir haben einen riesigen Schatz an Wissen. Es wäre schade, den nur Menschen anzubieten, die persönlich herkommen können.
Bieten Sie die Angebote dann auch auf Englisch an?
Große Teile unserer Sammlung und auch die virtuellen Museumsrundgänge sind so selbsterklärend, dass man nicht unbedingt ein mehrsprachiges Angebot braucht. Prinzipiell hätte ich natürlich gern eines, aber wir müssen die Kosten gegen den Nutzen abwägen. Wie jedes Museum haben wir nur begrenzte finanzielle und personelle Kapazitäten. In unserem Fall lohnt sich ein mehrsprachiges Angebot kaum, wenn man die Herkunft unserer Besucherinnen und Besucher betrachtet – über 80 Prozent des digitalen Publikums kommen aus Deutschland, weitere zehn Prozent aus Österreich und der Schweiz. Ich kann momentan nicht erkennen, dass die Nutzerzahlen aus dem Ausland durch ein zweisprachiges Angebot so massiv nach oben gehen würden, dass es sich tatsächlich lohnen würde.
Durch die Corona-bedingten Schließungen der Museen haben auch Sie weitere Inhalte digital zur Verfügung gestellt. Welche sind das?
Während der Schließung sind wir dazu übergegangen, auch die Dinge, die wir normalerweise persönlich anbieten, digital umzusetzen. So zum Beispiel Führungen durch verschiedene Ausstellungen mit erfahrenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vom Ausstellungsdienst, mit einer Kuratorin oder einem Kurator. Dabei kann man gemeinsam per Livestream durch die Ausstellung gehen, sich Dinge erklären lassen und unter Umständen auch Rückfragen dazu stellen – so wie bei einer persönlichen Führung vor Ort. Damit sich die Besucherinnen und Besucher innerhalb der Ausstellung zusätzlich noch umschauen können, haben wir die Führungen auch mit 360°-Ansichten angeboten.
Welche digitalen Inhalte sind besonders gefragt?
Die Menschen interessieren sich zum Beispiel sehr stark für unsere großen Vorführungen, wie die der Hochspannungsanlage, oder Versuche mit flüssigem Stickstoff – Inhalte, bei denen sich etwas bewegt. Andere Hinweise darauf, was unser Publikum interessiert, erhalten wir durch die Analyse des Suchverhaltens im Internet. Als Beispiel: Wenn Sie den Begriff „Dampfmaschine“ bei Google eingeben, kommt als einer der ersten Einträge der Verweis auf die Dampfmaschinensammlung des Deutschen Museums. An einem aktuellen Beispiel lässt sich außerdem illustrieren, dass auch inhaltliche Vorträge sehr gefragt sind. Vor kurzem haben wir einen Vortrag von Harald Lesch zur Reihe „Wissenschaft für jedermann“ aus dem Deutschen Museum gestreamt. Bisher wurde das Video über 30.000 Mal aufgerufen. Für unsere Verhältnisse ist das schon ganz ordentlich.
Während der Beschränkungen haben wir in verschiedenen Bereichen ganz erhebliche Zuwachsraten bei der Nutzung der digitalen Inhalte verzeichnen können. Der Hunger nach digitalen Angeboten war sehr groß. So haben sich beispielsweise die Zugriffszahlen auf YouTube im Vergleich zum letzten Jahr mehr als verdoppelt – im letzten Jahr hatten wir im gleichen Zeitraum 150.000 Aufrufe, dieses Jahr waren es 350.000.
Können Sie abschätzen, ob sich Ihr digitales Publikum vom alltäglichen Museumspublikum unterscheidet?
Das ist schwer zu sagen. Aufgrund der Daten, die uns zur Verfügung stehen, gehe ich davon aus, dass sich das digitale Publikum größtenteils mit dem deckt, welches wir auch im Museum haben. Vor Ort besuchen uns mehr männliche als weibliche Besucher und eben dies spiegelt sich auch in den sozialen Medien wieder – unser typischer Social-Media-Fan ist um die 40 und männlich. Wir erhalten übrigens ganz rührende Zuschriften und Kommentare beispielsweise aus den USA. Sie stammen von Leuten, die aus verschiedenen Gründen seit Jahren nicht mehr ins Deutsche Museum kommen konnten und die sehr dankbar sind, dass sie unsere Ausstellungen dennoch digital besichtigen können.
Werden Sie diese Angebote auch nach Corona weiterhin zur Verfügung stellen oder gar weiter ausbauen?
Ja, natürlich. Wir werden das digitale Angebot auch in Zukunft weiter ausbauen. Zum einen werden wir Ende nächsten Jahres 19 neue Dauerausstellungen eröffnen, und natürlich wollen wir diese auch digital erschließen. Zum anderen wächst generell die Zahl der Inhalte, die wir im Rahmen unserer Digitalisierungsoffensive zur Verfügung stellen können. Die digitale Kommunikation ist nicht erst seit der Corona-Pandemie ein wichtiger Bestandteil unserer Wissensvermittlung. Diese Situation hat uns nur nochmal gezeigt, wie wichtig digitale Angebote sind. Sie haben uns während der Ausgangsbeschränkungen die Möglichkeit gegeben, die Relevanz des Museums aufrechtzuerhalten.
Können diese digitalen Angebote denn einen Besuch ersetzen?
Der Generaldirektor des Deutschen Museums, Wolfgang Heckl, hat es einmal sehr treffend beschrieben: Man sucht im Internet nicht nach einem Bild der Mona Lisa, druckt es sich aus und hängt es an die Wand. Man will ihr persönlich gegenüberstehen! Ein digitales Angebot kann daher das Erlebnis eines Museumsbesuchs wohl niemals ganz ersetzen, auch nicht in einem Technikmuseum. Hinzu kommt, dass der Besuch im Deutschen Museum in aller Regel in Gruppen erfolgt. Da kommen zum Beispiel Eltern mit ihren Kindern und zeigen ihnen den ersten Computer, den sie besessen haben. Es geht dabei um das gemeinsame Erleben. Das können digitale Angebote häufig nicht bieten. Natürlich gibt es auch Ausnahmen. So haben wir schon erlebt, dass sich Personen in einem Onlineportal dazu verabredet haben, gemeinsam eine digitale Führung durch unser Haus zu machen. Ein weiterer Punkt ist, dass die Kommunikation zwischen dem Museumspersonal und den Besucherinnen und Besuchern nur schwer digital abbildbar ist, und dass atmosphärische Komponenten kaum über ein Video übertragen werden können. Dass man viele der ausgestellten Maschinen noch in Bewegung setzen kann, lässt sich gut im Bild zeigen. Aber die Atmosphäre drumherum kann man letztlich nicht mit digitalen Mitteln nachbilden – den Geruch nach Öl, den kühlen Luftzug neben dem Mühlrad oder das etwas unheimlich anmutende Gefühl im Bergwerk.