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Diese Herausforderungen erwarten uns 2025

Wie verteidigt Wissenschaftskommunikation demokratische Werte? Zwischen Populismus und Desinformation steht sie vor grundlegenden Herausforderungen. Die Redaktion von Wissenschaftskommunikation.de blickt auf das kommende Jahr – und hat Ideen, wie wir gemeinsam Antworten finden können.

Benedikt Fecher ist Geschäftsführer von Wissenschaft im Dialog*. Foto: WiD

Die Wissenschaftskommunikation befindet sich in einer Coming-of-Age-Phase. Dieser aus der Filmwelt bekannte Begriff beschreibt Geschichten, in denen zentrale Fragen des Heranwachsens verhandelt werden – Geschichten, in denen die Protagonist*innen durch Konflikte und Herausforderungen reifen. Dabei geht es mir nicht darum, der Wissenschaftskommunikation Unreife zu attestieren. Vielmehr verweist die Diagnose auf die fundamentalen Herausforderungen, vor denen wir als Gesellschaft stehen – und bei deren Bewältigung die Wissenschaftskommunikation eine Schlüsselrolle spielen sollte. Drei Aufgaben sehe ich auf diesem Weg zum Erwachsenwerden.

Die Krise der Faktizität

Die „Krise der Faktizität“ ist die vielleicht größte gesamtgesellschaftliche Herausforderung der kommenden Dekade. Der ideale Nährboden für diese Krisen sind der grassierende Populismus und polarisierende Debatten – auch in Deutschland im Wahljahr 2025. Damit gefährdet die Krise der Faktizität auch die effektive Behandlung aller anderen Krisen, von der Klimakrise über Biodiversitätsverlust bis hin zu militärischen Auseinandersetzungen.

Wissenschaftskommunikation muss sich dieser Herausforderung stellen. Sie muss wissenschaftliches Wissen klar vom plausiblen Unsinn abgrenzen und die Öffentlichkeit aktiv dabei unterstützen, zwischen (oftmals unsicherem) Wissen, Meinungen und Halbwahrheiten zu unterscheiden. Sie muss, wenn nötig, auch das “Backend“ der Forschung erklären, um zu verdeutlichen, dass Wissenschaft meist keine abschließenden Antworten auf die komplexen Fragen der Gesellschaft liefern kann. Ein Rückzug der Wissenschaft aus dem öffentlichen Diskurs ist dabei keine sinnvolle Option. Wissenschaftskommunikation leistet damit nicht nur einen unverzichtbaren Beitrag zu einer informierten Debattenkultur, sondern verteidigt zugleich die Freiheit der Wissenschaft in unruhigen Zeiten.

Künstliche Intelligenz 

Eine zweite Aufgabe ist der Umgang mit künstlicher Intelligenz. Die Entwicklungen um KI sind keine unkontrollierbaren Naturgewalten, sondern Prozesse, die wir gestalten können – und müssen.

Einerseits verschärft die generative KI die zuvor erwähnte Problematik von Desinformation, da man auf Knopfdruck plausible, aber falsche Inhalte erzeugen kann. Andererseits bietet sie enorme Potenziale für die Wissenschaftskommunikation: Angesichts des exponentiellen Wachstums wissenschaftlichen Wissens könnte KI dabei helfen, Wissen effizient zu filtern und zugänglicher zu machen. Um diese Chancen zu nutzen, braucht es Leitlinien und Experimentierfelder für die Wissenschaftskommunikation. Bei WiD* haben wir bereits 2023 eine erste Erhebung im Rahmen des Wissenschaftsbarometers durchgeführt und 2024 einen Multistakeholder-Dialog initiiert, dessen Ergebnisse im Frühjahr 2025 veröffentlicht werden sollen. Ziel sollte es sein, KI mutig und verantwortungsvoll für die Kommunikation mit und über wissenschaftliches Wissen zu nutzen – als Werkzeug, das nicht nur den Zugang zu Wissen erleichtert, sondern auch neue Wege der Kommunikation eröffnet. 

Wissenschaftskommunikation & Transfer

Schließlich dürfen wir uns in der Wissenschaftskommunikation trotz der allgegenwärtigen Krisenwahrnehmung, die auch 2025 nicht abnehmen dürfte, nicht nur von Problemen leiten lassen. Wissenschaftskommunikation sollte nicht nur reagieren, sondern auch aktiv zur Gestaltung von Zukünften beitragen. Eine stärkere Fokussierung auf die Schnittstellen zwischen den Wissenschaften und ihren Öffentlichkeiten kann innovationsfördernd sein. 

„Eine solche Wissenschaftskommunikation ist kein „Gedöns“, sondern ein unverzichtbarer Bestandteil einer offenen und zukunftsorientierten Gesellschaft, von der wir derzeit weit entfernt sind. ” Benedikt Fecher

Um dies zu erreichen, müssen wir die Vielfalt der Wissenschaft und der Öffentlichkeit ernst nehmen. Eine erwachsene Wissenschaftskommunikation unterstützt daher die Kommunikation an den Schnittstellen und zielt auf gesellschaftliche Relevanz ab, nicht auf öffentliche Aufmerksamkeit. Meiner Meinung nach gibt es keinen Transfer ohne Kommunikation – und ohne Transfer aus der Wissenschaft keinen vernünftigen Fortschritt.

Fazit: Wissenschaftskommunikation als unverzichtbarer Teil einer offenen Gesellschaft

Erwachsenwerden bedeutet für die Wissenschaftskommunikation, sich den großen Herausforderungen zu stellen – und Wissen sowie Kreativität produktiv für den gesellschaftlichen Fortschritt einzusetzen. Eine solche Wissenschaftskommunikation ist kein „Gedöns“, sondern ein unverzichtbarer Bestandteil einer offenen und zukunftsorientierten Gesellschaft, von der wir derzeit weit entfernt sind. In Zeiten knapper Budgets und bevorstehender politischer Entscheidungen müssen wir diesen Relevanzanspruch der Wissenschaftskommunikation klar artikulieren, leben und auch budgetär einfordern.

Auf Gemeinsamkeiten besinnen

Philipp Niemann ist Geschäftsführer des Nationalen Instituts für Wissenschafts-kommunikation (NaWik)*. Foto: Carmelo Fruscione

Das BMBF hat das Wissenschaftsjahr 2025 dem Thema Zukunftsenergie gewidmet. Das ist angesichts eines global steigenden Energiebedarfs, begrenzter Ressourcen und anhaltender Klimaveränderungen mehr als plausibel. Für die Wissenschaftskommunikation des Jahres 2025 geht dieser thematische Fokus mit einer großen Verantwortung einher: Die nachhaltige Transformation des Energiesystems kann nur gelingen, wenn der Dialog von Forschung und Wissenschaft mit Gesellschaft und Politik nicht nur aufrechterhalten, sondern zielorientiert ausgebaut und verstärkt wird. Das Projekt „Klimazukünfte“ des Exzellenzcluster „Climate, Climatic Change, and Society“ (CLICCS) an der Universität Hamburg ist da nur eine von vielen vielversprechenden Schnittstellen zwischen Umweltforschung und Gesellschaft. Das Jahr 2025 wird die Wissenschaftskommunikation aber auch jenseits der Klimaveränderungen vor neue Herausforderungen stellen.

Volatile Perspektiven auf globaler Ebene

Nicht nur in Deutschland bedeuten die anstehenden Neuwahlen eine neue Form politischer Volatilität. Auch der Blick über den Atlantik lässt erahnen, dass in diesem Jahr eine Reihe etablierter Strukturen und Funktionsmechanismen sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene neu verhandelt werden müssen. Mit Blick auf die Wissenschaftskommunikation sollten wir uns ohne übertriebene Schwarzmalerei ganz realistisch mit den bevorstehenden Veränderungen befassen. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass die Relevanz und – damit einhergehend – die Förderung von Wissenschaftskommunikation auf politischer Ebene zurückgehen kann, wenn es andere Brände zu löschen gilt. Damit ist 2025 mehr zu rechnen.

Daher ist es unsere Aufgabe, darüber nachzudenken, wie wir die Qualität und Funktionalität der Wissenschaftskommunikation in Deutschland erhalten, ausbauen und letztlich an die gesellschaftlichen Bedarfe des bevorstehenden Jahres anpassen können – auch mit veränderter Mittellage

Auf der Habenseite steht dabei eine Vielzahl an motivierten Akteur*innen, die sich das Thema Wissenschaftskommunikation auf die Fahnen geschrieben haben. Nicht nur die langjährig etablierten „Big Player“, sondern auch neue Akteur*innen, die von privaten Agenturen und gemeinnützigen Gesellschaften bis hin zu selbstorganisierten Vereinen ein breites Spektrum abdecken. 2025 ist es wichtiger denn je, nicht in Kleinstaaterei zu verfallen und zu viele individuelle Wisskomm-Süppchen zu kochen. Stattdessen sollten wir uns auf unsere gemeinsame Mission besinnen, die Wissenschaftskommunikation in Deutschland voranzutreiben.

Aus Wir ein „Wirks“ machen

In ihrem Buch „Wir können auch anders“ hat die Transformationsforscherin Maja Göpel für den Zusammenhang von Gesellschaft und Politik den Begriff „Wirks“ kreiert. Der Begriff, der auf die Pluralität der Ziele verschiedener Akteur:innen und damit einhergehende Wirkungspotenziale abzielt, lässt sich auch für die Wissenschaftskommunikation wenden: Wenn wir es schaffen, die oftmals ähnlichen Ziele der einzelnen Akteur*innen unserer Community zu bündeln und auf ein homogeneres „Wirks“ hinzuarbeiten, ist schon viel gewonnen.

„Mit Blick auf die Wissenschaftskommunikation sollten wir uns ohne übertriebene Schwarzmalerei ganz realistisch mit den bevorstehenden Veränderungen befassen.” Philipp Niemann

Ich würde es sehr begrüßen, wenn das Jahr 2025 ein Jahr der Kooperation der Akteur*innen der Wissenschaftskommunikation wird. Wir starten dabei nicht bei null, sondern blicken auf einen großen Fundus gemeinsamer Aktivitäten der letzten Jahre: Die #FactoryWisskomm, Konferenzen wie die Wisskomm Connected oder etwa die Plattform wissenschaftskommunikation.de sind hier nur Beispiele für das stabile Fundament künftiger Kooperationen. Daran sollten wir anknüpfen.

Angesichts zunehmender Nationalisierungstendenzen ist es darüber hinaus wichtig zu betonen, dass Wissenschaftskommunikation nicht an Landesgrenzen Halt macht: Initiativen wie EUSEA, COALESCE oder PCST stehen für das große Interesse an und die Bereitschaft zu internationaler Zusammenarbeit und Kooperation. Hieran sollten wir tatkräftig mitwirken und nicht zuletzt den europäischen Schulterschluss suchen. 

Mit Haltung gegen „Big Lies“

Annette Leßmöllmann hat am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) den Lehrstuhl für Wissenschaftskommunikation* mit dem Schwerpunkt Linguistik inne. Foto: Karlsruher Institut für Technologie

Ich habe für meinen Lehrstuhl 2025 das Motto „Resilienz“ ausgegeben, und das ist es, was wir alle brauchen werden, in der Wissenschaftskommunikation, in der Forschung und in unserer Gesellschaft: Die Fähigkeit, in Zeiten des Unfassbaren bei sich und seinen – zum Beispiel demokratischen – Werten zu bleiben. Nicht in Schockstarre zu verfallen, nicht im Doomscrolling stecken zu bleiben, sondern handlungsfähig und gut durch den Tag zu kommen.

Was bedeutet das für eine resiliente Wissenschaftskommunikation? Da sie im engen Austausch mit Öffentlichkeit, Gesellschaft und Politik steht, braucht sie einen stabilen Wertekompass. Dazu gehört, sich ihrer demokratischen Werte zu vergewissern. Und das bedeutet heute nicht nur für Pluralität, Deliberation, Teilhabe und einen gemeinsamen evidenzbasierten Wissenshorizont einzustehen und diese zu fördern. Sondern auch ein Sensorium für Demokratiefeinde zu entwickeln, die genau diese Werte und diese Haltungen zerstören wollen.

Übungsaufgabe für alle: Wenn es eine*n Wissenschaftsminister*in von einer in Teilen als rechtsextrem eingestuften Partei geben wird – wird man die Person zur Eröffnung eines Exzellenzclusters einladen, mit Foto, Jubel und allem Drum und Dran? Bitte schon mal darüber nachdenken, rein übungshalber.

Die Grenzen des Sag- und Denkbaren werden verschoben

Auf der anderen Seite des Atlantiks sind diese Gedankenspiele teilweise Realität geworden. Die geplante Berufung des Wissenschaftsleugners Robert F. Kennedy Jr. zum Secretary of Health and Human Services im neuen Trump-Kabinett ist nur einer der derzeit zahlreichen Angriffe auf die Forschung in den USA. Schon die ersten Stunden nach seiner Vereidigung zum 47. Präsidenten der Vereinigten Staaten haben einmal mehr gezeigt, dass Donald Trump die Grenzen des Sag- und Denkbaren verschiebt und schier beiläufig die Grundfesten unserer bisherigen Weltordnung hinterfragt.

Gleichsam wird die für die Wissenschaftskommunikation zentrale (und vielleicht schon immer etwas naive) Grundannahme, dass man durch die Kommunikation von faktenbasiertem Wissen die Welt besser macht und Demokratien stärkt, brutal herausgefordert. In anderen Worten: Uns geht gerade der „Common Ground“ gemeinsamer Grundsätze verloren, etwa, dass Lügen in der Öffentlichkeit einen Gesichtsverlust bedeuten könnte.

„Big Lies“ überfordern die Menschen

Diese „Big Lies“, wie sie der US-Historiker Timothy Snyder nennt, große Lügen, wie etwa die, Trump habe die Wahl 2020 gewonnen, überfordern den menschlichen Kognitionsappart auf perfide Weise. Große Lügen sind so groß, dass die Menschen glauben, es müsse etwas dran sein – denn so groß kann doch niemand lügen! Das heißt, die Lüge wird geglaubt und mit ihr alles, was sonst noch vom Lügner behauptet wird. Wenn die Lüge in die Gesellschaft einzieht, verliert diese ihr demokratisches Koordinatensystem. Dann gewinnt nicht mehr die Person, die faktentreu spricht, sondern die, die besonders gut performt – also so gut klingt, dass man ihr gerne glaubt. Wissenschaftskommunikation reagiert auf die Lüge gerne damit, dass man eben mehr Fakten in die Welt setzen müsse.

„Wenn die Lüge in die Gesellschaft einzieht, verliert diese ihr demokratisches Koordinatensystem. ” Annette Leßmöllmann

Ja, das stimmt, aber das reicht nicht: Es muss auch das Bewusstsein in die Welt gebracht werden, dass Lügen und Bullshit nicht nur die Wissensgesellschaft, sondern auch die Demokratie aushöhlen. Es wird also mehr denn je darauf ankommen, nicht nur dass, sondern auch wie wissenschaftliches Wissen in der Welt kommuniziert und diskutiert wird. Denn dabei müssen auch Grundannahmen mit vermittelt werden, da nicht alle Menschen den „Common Ground“ teilen, also die Grundannahme, dass Faktentreue und Tatsachenbezug etwas Gutes und Demokratieförderndes sind. Wissenschaftskommunikator*innen – und diejenigen, die sie ausbilden; ich fasse mich gleich an die eigene Nase – müssen also noch viel besser wissen, wie sie diesen „Common Ground“ schaffen. Das ist eine große Aufgabe, in allen Diskursen, online wie offline.

Mut haben, zu demokratischen Werten zu stehen

Ich sehe die Herausforderung für die Wissenschaftskommunikation im Jahr 2025 und darüber hinaus auf dieser ganz grundsätzlichen Ebene: Wissenschaftskommunikator*innen werden sich ihrer wichtigen Signalfunktion nach außen (seid demokratisch!), aber auch nach innen noch stärker bewusst werden müssen. Wissenschaftskommunikation hat lange dafür gekämpft, dass Wissenschaft doch Teil der Gesellschaft ist – jetzt muss sie zeigen, dass sie das auch ist, und zwar täglich: Mut, zu demokratischen Werten zu stehen und sich klarzumachen, was „demokratisch“ heißt. Ich wünsche mir Wissenschaftskommunikator*innen mit Haltung und weiß gleichzeitig, dass sie überlastet sind. Doch es hilft nichts – ohne Haltung können wir das Jahr 2025 und alles, was folgt, auch vergessen.