Wie nehmen die Bürgerinnen und Bürger aktuell die Kommunikation aus der Forschung und das Krisenmanagement zu Corona wahr? Zahlen dazu gibt es im neuen Wissenschaftsbarometer, das heute erschienen ist. Wir haben Politikerinnen und Politiker aus dem Bundestag um ihre Einschätzung dazu gebeten.
„Dies ist ein Auftrag an alle Forschenden, aber auch an die Politik“
Die Ergebnisse des Wissenschaftsbarometers 2020 gibt es hier.
Stefan Kaufmann ist ordentliches Mitglied des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung und Mitglied der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag. Seit Juni 2020 ist er Innovationsbeauftragter „Grüner Wasserstoff“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung.
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind durch die Corona-Pandemie verstärkt ins Rampenlicht gerückt. Auch die wichtige Rolle der Wissenschaftskommunikation in unserer Gesellschaft wurde dadurch sichtbarer. Infolgedessen ist das Vertrauen in die Wissenschaft im Vergleich zu den Vorjahren deutlich gestiegen. Immer mehr Menschen vertrauen der Expertise von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern und sehen einen persönlichen Nutzen in wissenschaftlichen Erkenntnissen. Das freut mich als Forschungspolitiker besonders.
Erfreulich ist, dass die Menschen gerade in Bezug auf Corona eine wissenschaftsbasierte Politik im Umgang mit dem Virus schätzen. Die Bundesregierung geht dieser Aufgabe gewissenhaft nach und berücksichtigt Erkenntnisse aus der Wissenschaft in ihren politischen Entscheidungen. Hierbei spielt die Wissenschaftsakademie Leopoldina eine zentrale Rolle und berät Politikerinnen und Politiker zu Fragen der Pandemie-Bekämpfung. Dieser Dialog zwischen Politik und Wissenschaft muss über die Pandemie hinaus fortgesetzt werden.
Anna Christmann ist ordentliches Mitglied des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung und Sprecherin für Innovations- und Technologiepolitik der Grünen-Fraktion im Bundestag.
Die Menschen in Deutschland vertrauen mehrheitlich der Wissenschaft. Seit der Corona-Pandemie hat das Vertrauen sogar zugenommen. Das ist eine gute Grundlage für eine Politik auf der Basis von Fakten statt Fakes. Viele Menschen wissen um den Wert unabhängiger und glaubwürdiger Kommunikation durch die Wissenschaft. Sie wünschen sich ein noch stärkeres Engagement der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Dies ist ein Auftrag an alle Forschenden, aber auch an die Politik.
Ernst Dieter Rossmann ist Vorsitzender des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung im Bundestag und Mitglied der SPD-Fraktion
Das Wissenschaftsbarometer hat jetzt zum siebenten Mal vorgelegt. Wohl selten war es so spannend wie im Pandemie-Jahr 2020, was Corona mit der Wahrnehmung, dem Interesse und dem Zutrauen in der Bevölkerung gegenüber Wissenschaft und Forschung macht.
Ist es nun eine gute oder eine schlechte Nachricht, dass im Jahr 2020 das positive Interesse mit 60 Prozent genauso stabil geblieben ist wie das Desinteresse mit 14 Prozent? Wie überhaupt Stabilität in den Daten angesagt ist, auch im größeren Interesse der Männer1 wie der formal Gebildeten2. Auch das Vertrauen in Wissenschaft und Forschung und die allgemeine wie persönliche Nutzenbewertung bleiben mit 60% weitgehend stabil. Angesichts von Querdenkertum, Gerüchtemacherei und Fake News kann diese Stabilität beruhigen. Die größere Anerkennung von Wissenschaft gegenüber Gefühlen und Glauben macht sogar Hoffnung. Nicht zuletzt sind Wissenschaft und Forschung ja in Corona-Zeiten auch selbst Hoffnungsträger.
Auf der anderen Seite muss bei der Bedeutung von Wissenschaft und Forschung das geringe bzw. eingeschränkte Interesse von 40 % gleichzeitig als Herausforderung angenommen werden. Als Aufgabe 1. für die MINT- und Wissenschaftsbildung in den Schulen, 2. für die Selbsterklärung und das öffentlichen Engagement der Wissenschaft selbst (das in der Bevölkerung immer noch von weniger als 30 % als engagiert und aktiv wahrgenommen wird), 3. für eine wissenschaftsbasierte Begründung von Politik und 4. für einen vertrauensbildenden Journalismus.
Aufgeklärt leben muss heißen auch mit begründeter Unsicherheit leben können. Das Wissenschaftsbarometer 2020 macht hier die Statusmessung für ein neues Jahrzehnt, in dem es nach Corona für alle noch viel zu lernen gibt.
Thomas Sattelberger ist Fraktionssprecher der FDP für Innovation, Bildung und Forschung im Bundestag.
Die erfolgreiche Bekämpfung der Corona-Pandemie hängt entscheidend ab von Wissenschaft und Forschung. Es ist ein gutes Zeichen, dass die Deutschen im Pandemiejahr 2020 Wissenschaft und Forschung noch mehr vertrauen. Gleichzeitig ist aber weder das allgemeine Interesse daran gewachsen noch der Eindruck, dass Wissenschaftler sich genügend Mühe geben, die Öffentlichkeit über ihre Arbeit zu informieren. Dies ist ein irritierender Weckruf, der die Wissenschaftskommunikation in Deutschland alarmieren muss.
Gegenseitige, auch öffentliche Kritik unter Wissenschaftlern ist ein elementarer Bestandteil des Forschungsprozesses, gerade beim Thema Preprints. In Corona-Zeiten beobachten die Medien jede neue Studie mit Argusaugen und stilisieren oft selbst noch nicht gesicherte Teilergebnisse zu Schlagzeilen hoch. Dies führt häufig zu vermeintlich widersprüchlichen Aussagen und trägt zur Verwirrung der Öffentlichkeit bei.
Wissenschaftskommunikation bewährt sich in der Krise – hier ist noch Luft nach oben.
Wir haben für diesen Beitrag Statements bei allen im Bundestag vertretenen Parteien angefragt.
Weitere Beiträge zum Wissenschaftsbarometer 2020
„Vertrauen ist eine wichtige Größe im Krisenmanagement“ – Sozialpsychologin Pia Lamberty ordnet die Ergebnisse ein
„Ein fundamentales Bedürfnis nach Handlungsfähigkeit und Kontrolle“ – Sozialpsychologe und Autoritarismusforscher Oliver Decker kommentiert die Ergebnisse
Gute Wissenschaftskommunikation schafft Vertrauen – Pressemitteilung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung