Foto: Oleg Laptev, CC0

Die Wissenschaft und ihre besondere Pflicht zur Kommunikation

Müssen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zur Kommunikation verpflichtet werden? Darüber wird seit einiger Zeit in der Community diskutiert. Markus Weißkopf, Geschäftsführer von Wissenschaft im Dialog, bezieht Stellung.

Fragt man Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, warum sie sich nicht aktiver an der Kommunikation ihrer Forschung beteiligen, sind zwei der häufig genannten Gründe: Zeitmangel und fehlende Anerkennung. Damit sich das ändert, müsse es eine „Verpflichtung zur Kommunikation nach außen“ geben, schrieb Jan-Martin Wiarda in seinem Blogbeitrag „Wolkige Kommunikation“ und löste damit eine Debatte aus.

Diese Debatte macht zum einen deutlich, dass die Wissenschaftskommunikation vielleicht vor ihrem nächsten großen Wendepunkt steht. Selten wurde so viel über Kommunikation gesprochen wie derzeit. Zum anderen wird jedoch ebenso sichtbar, wie weit die Meinungen darüber, wie man die Kommunikation weiter stärken kann, innerhalb der Branche noch auseinandergehen.

„Allerdings sehe ich nicht, dass die Wissenschaft in ihrer ganzen Bandbreite in den Medien schon ausreichend vertreten ist.“ Markus Weißkopf,
Wissenschaft im Dialog
In ihrer Replik im Zeit Chancen Brief leugnen die Wissenschaftler Marcel Schütz und Lukas Daubner schon das Vorhandensein einer „Kommunikationskrise”, die Wiarda zuvor beschrieben hatte. Sicher lässt sich nicht leugnen, dass die Bereitschaft zu kommunizieren “ zugenommen hat und auch das von Schütz und Daubner beschriebene Nase rümpfen innerhalb der Community ist geringer geworden. Allerdings sehe ich nicht, dass die Wissenschaft in ihrer ganzen Bandbreite in den Medien schon ausreichend vertreten ist. Vielmehr sind es in meiner Wahrnehmung eben doch nur einige wenige, besondere Forscherpersönlichkeiten, die regelmäßig in den Medien präsent sind. Auch bleiben Schütz und Daubner empirische Belege für ihre Thesen schuldig. Ein Vorwurf, den sie selbst zuvor der These von einer „Kommunikationskrise“ machten.

Einen sehr schiefen Vergleich liefern Schütz und Daubner meines Erachtens in ihrer Argumentation gegen die „Verpflichtung zur Kommunikation nach außen“. Hierzu schreiben sie im zweiten Absatz: „Auffällig ist, dass an andere steuerfinanzierte Einrichtungen wie Ämter oder Gerichte vergleichbare Forderungen nicht gerichtet werden.“. Sie übersehen dabei, dass Gerichte und sogar Staatsanwaltschaften sehr wohl Presse- und Öffentlichkeitsarbeit leisten, aber wichtiger noch ist, dass öffentlich geförderte Wissenschaft keinen hoheitlichen Status hat. Der Vergleich müsste also zum Beispiel mit dem anderen großen gesellschaftlichen Bereich, der staatlicher Förderung bedarf, gezogen werden: Kunst und Kultur. Kulturelle Einrichtungen sind öffentlich finanziert und sind mit großer Selbstverständlichkeit täglich in den Medien vertreten. Gegen fiskalisch oder politisch motivierte Kürzungen wehren sich diese Institutionen immer wieder erfolgreich; auch dank ihrer guten Außendarstellung. Was hier nutzt, kann im Wissenschaftsbetrieb kaum schaden.  

„Es sind ihre weitreichenden Folgen, die der Wissenschaft einen größeren Kommunikationsauftrag auferlegen, als ihn andere öffentliche Einrichtungen haben.“ Markus Weißkopf,
Wissenschaft im Dialog
Die Verpflichtung zur Kommunikation mit einer möglichst breiten Öffentlichkeit liegt auch im Gegenstand der Wissenschaft begründet: Forschungsthemen wie der Klimawandel, das Genome Editing oder die Migration sind von unmittelbarer Relevanz für persönliche und politische Entscheidungen. Wie informiert wir über diese Themen sind, beeinflusst nicht nur, wie wir uns im Alltag verhalten, sondern auch zum Beispiel unsere Wahlentscheidungen. Wollen wir also, dass mündige Bürgerinnen und Bürger darüber entscheiden, welche Parteien die deutsche Reaktion auf den Klimawandel bestimmen, so muss die Wissenschaft mit der Gesellschaft in den Austausch kommen. Es sind ihre weitreichenden Folgen, die der Wissenschaft einen größeren Kommunikationsauftrag auferlegen, als ihn andere öffentliche Einrichtungen haben.

Selbstverständlich gilt es, differenziert und selbstreflektiert über notwendige Kommunikationsmaßnahmen und -anreize zu sprechen. Das Wie ist entscheidend, nicht das Ob: Hier teile ich die Forderung von Antonia Rötger, die in ihrem Gastbeitrag auf die notwendige Qualitätsdebatte in der Wissenschaftskommunikation verweist. Diese Überlegung dient aber nicht als Argument, eine mögliche Förderung von Wissenschaftskommunikation innerhalb von Forschungsprojekten vorab zu verdammen.

„Es wäre nämlich eine große Chance für die Wissenschaftskommunikation, wenn sie fest in der Förderung verankert würde.“ Markus Weißkopf,
Wissenschaft im Dialog
Es wäre nämlich eine große Chance für die Wissenschaftskommunikation, wenn sie fest in der Förderung verankert würde. Wenn man die richtigen Kriterien für die Verankerung der Kommunikation anlegt, bekämen mehr Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Möglichkeit, Zeit für die Kommunikation zu verwenden. Außerdem entstünden neue Möglichkeiten für Public Engagement über die Gesamtdauer von Projekten und damit würden auch die Chancen steigen, Prozesse der Wissenschaft zu kommunizieren.

Aus diesen Gründen, sollte der Vorstoß, Kommunikation in Förderanträgen mitzudenken konstruktiv diskutiert werden, wenngleich wir direkt zu Beginn über die Qualitätskriterien dieser öffentlich geförderten Kommunikation sprechen sollten. Antonia Rötger hat recht: Wir brauchen keinesfalls noch mehr Broschüren, Tagungsbände oder Webseiten, auf die niemand zugreift. Wir brauchen einen echten Austausch mit der Gesellschaft mit einem Mehrwert für beide Seiten. Um diesen Mehrwert zu erzielen, können in Förderanträgen verankerte Kommunikationsmaßnahmen ein richtiger Schritt sein.


 Weitere Reaktionen

„Botschaften ohne Empfänger“ – Antonia Rötger hier im Journal

„Wolkige Kommunikation“? Nein, wolkiger Kommentar! – Josef König in seinem Blog