Unter dem Motto: „Wir bringen Studierende, Forschung und Öffentlichkeit zusammen“ wurde „Project Sci.com“ entwickelt. Andrea Heilrath und Robert Richter, die das Projektlabor gemeinsam mit Kolleg*innen leiten, geben im Interview einen Überblick über den Stand der studentischen Wissenschaftskommunikation in Berlin.
„Die studentische Wissenschaftskommunikation steht gerade auf Messers Schneide“
Was kann man sich genau unter dem Konzept des Lehrprojektes vorstellen?
Robert Richter: Uns ist schon früh aufgefallen, dass es viele studentische Projekte gibt, die in der Öffentlichkeit gut ankommen, vor allem weil sie sehr nahbar sind. Sie beschäftigen sich meistens mit grundlegenden Themen und wecken daher in der Öffentlichkeit großes Interesse. Die Studierenden können mitunter auch diese Themen schon sehr gut rüberbringen, weil sie noch nicht so stark in der Fachsprache gefangen und selbst noch im Lernprozess sind. Außerdem ist es auch für die Studierenden selber förderlich, weshalb wir gesagt haben, dass wir ein Lehrkonzept daraus machen. Damit man Wisskomm schon im Studium einmal ausprobiert und in einem eigenen Projekt umsetzt.
Warum ist gerade auch studentische Mithilfe und der frühe Kontakt von angehenden Wissenschaftler*innen mit Wissenschaftskommunikation wichtig?
Richter: Die generelle Meinung ist ja, dass jede*r Wissenschaftler*in das mittlerweile können muss. Das wird erwartet, davon wird ausgegangen, das soll beim BMBF Projekt mitgedacht werden. Und im Prinzip beantworten wir mit dem Projekt auch diese Frage. Heutzutage wird von Wissenschaftler*innen erwartet, gute Wissenschaftskommunikation zu machen. Auch wenn es dafür selten extra akademische Punkte gibt.
Meine persönliche Meinung ist – und das bestätigen auch unsere Beobachtungen – dass der frühe Kontakt im Studium sehr gut für die Selbstidentifikation mit dem Fach ist. Soll heißen: Studierende, die vielleicht nicht ganz genau wissen, was sie in ihrem Studium machen und wofür das gut ist, bekommen positives Feedback aus der Gesellschaft. Was dann wiederum helfen kann, die Motivation im Studium zu erhöhen.
Andrea Heilrath: Es hilft auch bei der Reflektion. Im Studium wird sehr viel von den Studierenden verlangt. Dabei fällt die Reflektion, wie das jeweilige Fach in der Gesellschaft verortet ist, total hinten runter. Während die Studierenden ein Wisskomm-Projekt entwickeln, müssen sie sich darüber Gedanken machen. Was heißt denn jetzt dieser kleine Aspekt von meinem Fach für die Gesellschaft? Wo kommt das zum Einsatz, wo gibt es Anwendungen dafür, welche Aspekte sind vielleicht auch gefährlich, welche ethischen Konsequenzen gibt es?
Über die Wissenschaft an sich zu reflektieren, wäre ein weiterer Punkt. Wir sprechen zum Beispiel auch immer über Inklusionsaspekte. Dass man Medien so gestaltet, dass sie möglichst viele Leute mitnehmen. Dann wird auch oft klar, dass die Wissenschaft nicht unbedingt so gestaltet ist, dass sie möglichst viele Leute mitnimmt. Genau so einen Reflektionsprozess zu triggern ist ein sehr schöner Nebeneffekt von dem ganz praktischen Nutzen der Wissenschaftskommunikation.
Wie funktioniert das in der Praxis mit den unterschiedlichen Themen? Der Kurs ist ja interdisziplinär gestaltet.
Richter: Das funktioniert im Großen und Ganzen sehr, sehr gut. Die Studierenden arbeiten gern miteinander – auch transdisziplinär oder interdisziplinär – zusammen. Sie haben dadurch immer jemanden im Team, der sich vielleicht mit dem Thema noch nicht perfekt auskennt, was aber gerade für ein Wisskomm-Projekt besonders gut ist. Gerade eben auch diese Außenperspektive zu haben. So können die meisten ein sehr anschaulich didaktisch ausgearbeitetes Projekt entwickeln.
Für so ein Wisskomm-Projekt muss man natürlich nicht nur in dem Fach, aus dem man kommunizieren will, Profi sein, sondern auch Kommunikationsaspekte betrachten, oder auch viele andere technische Details beherrschen. Das bringen wir den Studierenden dann während des Semesters bei, zum Beispiel Videoschnitt oder Ähnliches. Je mehr Expertisen dabei sind, desto besser wird das Projekt meistens sogar.
Heilrath: Ich habe den Eindruck, dass manche auch genau deswegen kommen. Also, dass das eine Erfahrung ist, die sie ansonsten in ihrem Studium nicht machen können, weil es gar keine Möglichkeit dazu gibt. Für viele ist es inspirierend, auch mal eine andere Sichtweise kennenzulernen. Hier kommen auch unterschiedliche Altersgruppen zusammen: Studierende im ersten Semester des Bachelors bis zum fast fertigen Master. Die, die in ihrem akademischen Prozess schon relativ weit fortgeschritten sind, kommen mit Leuten zusammen, die komplett neu sind in dieser Welt. Dadurch ergeben sich dann ganz interessante Kombinationen. Das ist echt schön zu sehen.
Wo sehen Sie die Chancen und Grenzen eines solchen Projekts?
Richter: Zu den Grenzen würde ich zählen, dass das Projekt zu interdisziplinär ist, um es einem Studiengang ins Wahlpflicht-Programm zu schreiben. Es ist also sehr schwierig, diese Lehrveranstaltung an der Universität zu institutionalisieren. Deswegen haben wir jetzt erstmal Finanzierungsprobleme. Die Chance ist, dass es möglichst einen Dialog gibt. Das schon früh ein Feedback aus der Gesellschaft zu den Studierenden zurückkommt. Also das es nicht eine einseitige Geschichte ist. Es gibt viele Wisskomm-Projekte, auch gute Projekte, aber von denen geht wenig Feedback in die Universität zurück und das haben wir bei unserem Projekt sehr gut implementiert. Vielleicht nicht auf einer riesigen Skala, was auch ein kleiner Nachteil sein könnte. Wir erreichen nicht Millionen von Leuten. Aber manchmal schon mehrere zehntausend und das ist auf jeden Fall nicht schlecht. Die Kommunikation läuft in beide Richtungen, und das finde ich auf der Skala, auf der wir das gerade machen, sehr gut.
Heilrath: Eine große Chance ist, dass Wissenschaftler*innen ihre Kommunikationsfähigkeit ein bisschen mehr erhalten, weil sie während des Studiums schon merken, dass es was wert ist. Ich kriege hier sinnvolles Feedback aus der Gesellschaft und lerne gleichzeitig mehr zuzuhören. Ich glaube ja, dass das total wichtig ist. Wenn man die Erfahrungen nie gemacht hat und immer nur in der Wissenschaft ist, mit seinen Peers und nur dort kommuniziert, dann weiß man ja nicht, was da draußen ist. Umso mehr verliert man eben auch die Fähigkeit, überhaupt über das eigene Fach zu sprechen, was uns als Wissenschaftler*innen oft isoliert und Probleme erzeugt. Da ein bisschen früher entgegenzusteuern, damit man sich nicht ganz so an den Rand des Spielfelds stellt, hat Potential für die Karriere der Studierenden, egal ob sie in der Wissenschaft bleiben oder in andere Berufsfelder gehen.
Projektlabor Wissenschaftskommunikation
Teilnehmer*innen
Alle Studierenden der Berliner Universitäten
Aufbau
Die Lehrveranstaltung besteht aus wöchentlichen Seminaren, praktischen Übungen und Workshops. Die Veranstaltung ist in drei Phasen unterteilt: (1) Projektfindung: Beschäftigung mit den Grundlagen der Wissenschaftskommunikation, Entwicklung eigener Ideen für Thema und Format und die Vorstellung dieser. Hier finden außerdem optional Exkursionen zu verschiedenen Forscher*innengruppen statt. (2) Projektarbeit: Gemeinsame Erarbeitung des Projekts in interdisziplinären Teams. Unterstützend finden verschiedenen Workshops im Bereich Making (3D Druck, Arduino, etc.) und Medien (Videoschnitt, WordPress, etc.) statt. Die Feedbackrunden bieten den Teilnehmenden die Möglichkeit des Austausches mit den anderen Gruppen. (3) Präsentation: Zum Abschluss des Kurses wird die Uni verlassen und die Gruppen treten in Kontakt mit der Öffentlichkeit, z.B. auf einem Festival, in einer Schule, oder einer Ausstellung.
Ziel
Das Modul bietet den Studierenden die Möglichkeit, im Bereich der Wissenschaftskommunikation ein eigenes Projekt zu entwickeln und in der Öffentlichkeit zu präsentieren. Ziel ist es, ein Verständnis dafür zu entwickeln, wie wissenschaftliche Inhalte klar kommuniziert werden können.
Team
Prof. Birgit Kanngießer, Prof. Saskia Fischer, Prof. Liudger Dienel, Prof. Ralf Romeike, Prof. Jan Lüning, Dr. Robert Richter, Andrea Heilrath, Clara Rodríguez Roca-Sastre, Tobias Schubert, Enya Blohm-Sievers, Charlotte Maurer, Lysanne Passek, Niklas Schneider, Lena Kocutar, Victoria Martínez
Heilrath: Natürlich viel positives Feedback. Es ist aber ein bisschen schwierig, das zu quantifizieren. Inwiefern diese Art der Wissenschaftskommunikation andere Zielgruppen anspricht und inwieweit dieser Dialog auf Augenhöhe erzeugt wird, ist etwas, woran man in Zukunft forschen kann. Natürlich ist es einfach, mit den Leuten ins Gespräch zu kommen, die das auch gut finden, was wir machen. Sicherlich gibt es auch negative Erfahrungen, die wir vielleicht nicht so mitbekommen. Ich finde das ein bisschen schwierig, da eine objektive, bzw. eine Aussage zu treffen, die wirklich das ganze Publikum mit einbezieht.
Richter: Von dem letzten Event haben wir noch nicht viel ausgewertet aber bei den Veranstaltungen zuvor haben wir mit den Besucher*innen Interviews geführt und haben durchweg positives Feedback bekommen. Klar ist es eher selektiv, wenn man Interviews führt. Es ist nicht die beste Methode um wissenschaftliche Daten aufzunehmen, aber die Auswertungen der letzten Semester zeigen auf jeden Fall sehr positives Feedback.
Gibt es schon spezifische Zukunftspläne für das Projekt?
Richter: Leider nein. Unsere Finanzierung geht bis Mitte nächsten Jahres und aktuell gibt es keinen Plan einer Weiterfinanzierung. Also vielleicht stirbt dann die studentische Wissenschaftskommunikation an der TU oder den involvierten Berliner Universitäten wieder aus. Angebote für Wissenschaftler*innen gibt es natürlich weiterhin, aber die studentische Wissenschaftskommunikation steht gerade auf Messers Schneide.