Forschende sind in den Medien wenig präsent. Muss sich das ändern? Und erweisen sie der Wissenschaft damit einen guten Dienst? Im Gastbeitrag diskutiert Beatrice Dernbach das Für und Wider und startet damit unseren neuen Schwerpunkt „Forschende in den Medien“.
Die Quadratur des Kreises
Forschende gehören – im Vergleich zu Akteurinnen und Akteuren aus Politik und Journalismus – seit Jahrzehnten zu den angesehensten Berufsgruppen. Sie genießen nach wie vor Vertrauen. Aber sie werden in der öffentlichen Debatte nicht wahrgenommen. Vielleicht auch deshalb, weil sie in den populären Massenmedien nicht präsent sind. Muss sich das ändern?
Das aktuelle Wissenschaftsbarometer zeigt, dass ein großer Teil der Bevölkerung Wissenschaft und Forschung mehr oder weniger vertraut, nur sieben Prozent tun dies gar nicht. Daran hat sich trotz anderslautender Behauptungen – für die Belege fehlen –, nichts bis wenig geändert. Die Frage des Vertrauens wird seit einigen Jahren auch für Medien und Journalismus intensiv diskutiert und untersucht. Hier liegen ebenfalls keine empirischen Belege vor, die einen Vertrauensverlust zeigen.
Prominenz und Reputation – zwei Systeme, zwei Währungen
Die Bürgerinnen und Bürger sind an wissenschaftlichen Themen interessiert, scheitern aber oft an deren Komplexität. Sie sehen die Wissenschaft in der Verantwortung, für die Gesellschaft zu forschen und zu kommunizieren. Informationen über Forschung werden vor allem aus Fernsehen und Internet abgerufen. Wäre nicht aus all den vorliegenden Analysen logisch zu folgern, dass mehr Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler über die populären Massenmedien komplexe wissenschaftliche Themen erklären müssten, damit das Laien-Publikum leichter und schneller Antworten auf Fragen findet? Damit könnten die Forschenden auch stellvertretend zeigen, was ihre jeweilige Disziplin zur Bearbeitung gesellschaftlicher Herausforderungen beiträgt. Auf der Makroebene bestünde die Chance, die generelle Unabhängigkeit der Wissenschaft unter Beweis zu stellen. Wäre es so trivial, wäre es seit Langem gängige Praxis. Es gibt Hürden.
Möglicherweise ist die Zahl der medienaffinen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in den vergangenen Jahren gestiegen (dazu gibt es keine Erhebungen). Galten Forschende – in der Regel männlich und älter – früher vor allem in eher auf Unterhaltung angelegten Polit-Talkshows als „Quotenkiller“ oder „Nervensägen“, sitzen heute regelmäßig Professorinnen und Professoren auf den Stühlen und Sesseln bei Anne Will und Co. – immer noch überwiegend männlich, aber etwas jünger und mutiger, sich mit zugespitzten Thesen zu profilieren. Niemand kann Forschenden die mediale Präsenz verwehren. Aber erweisen sie sich, ihrer wissenschaftlichen Disziplin und der Wissenschaft insgesamt damit einen guten Dienst?
Die Medien setzen die Spielregeln
Eine weitere Hürde ist der unterschiedliche Rhythmus von Wissenschaft und Journalismus: Forschung braucht Jahre, um aus Ideen Projekte und schließlich Erkenntnisse zu entwickeln; Journalismus jagt im Sekundentakt eine Schlagzeile nach der anderen durchs digitale Netz. Wissenschaftliche Einrichtungen und Projekte sind zu komplex, als dass daraus immer wieder Nachrichten zu filetieren wären, die den Faktoren aktuell, relevant, dynamisch etc. gehorchen. Die Schnittstelle können durchaus einzelne Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sein, die aktuelle, relevante und – trotz der Kürze – richtige Informationen unterhaltsam in 20 Zeilen oder 1:30 Minuten auf den Punkt bringen. Dazu gehört kommunikatives Talent. Wichtiger, aber unter Umständen weniger attraktiv vermittelbar, ist die Expertise. Die ideale Kombination ist selten. Überwiegt das Talent, ist der Auftritt just for Show und befriedigt in erster Linie das eigene Selbstwertgefühl.
Zu konstatieren ist, dass der wissenschaftliche Erklärbedarf hoch ist und eher noch steigen wird, dass aber Forschende in der öffentlichen medialen Kommunikation unterrepräsentiert sind, sowohl als Quellen als auch als Akteurinnen und Akteure. Der Physikprofessor Harald Lesch wird Vorbild bleiben, aber nicht viele Mitstreitende oder Nachfolgerinnen und Nachfolger finden. Außerdem hat Lesch es als Moderator selbst in der Hand, wie er wissenschaftliche Erkenntnisse vermittelt. Ein Politikwissenschaftler, der in der Polit-Talkshow sitzt und ad hoc das Wahlergebnis interpretieren und kommentieren soll, wird hingegen getrieben von der Dynamik der Debatte. Er muss wissen, dass als Konzept weniger der sachliche Diskurs zugrunde liegt, sondern die kämpferische Auseinandersetzung der Kontrahenten zur Steigerung der Zuschauerquote im Vordergrund steht. Er muss wissen, auf was er sich einlässt. Und er muss wissen, dass immer das mediale System die Spielregeln setzt.
Die Forschenden bleiben zurückhaltend
Ist das ein beklagenswerter Zustand? Muss sich daran etwas ändern? Akteurinnen und Akteure aus Wissenschaft und Journalismus sollten miteinander reden, einander zuhören und im besten Fall voneinander lernen. Aber sie sollten bei ihrer jeweiligen Profession bleiben und sich auf ihre Kernaufgaben konzentrieren. Forschende sollen forschen und lehren, zu Erkenntnissen kommen und diese sowohl nach innen als auch nach außen erklären. Journalistinnen und Journalisten sollen relevante, aktuelle Themen sorgfältig auswählen, recherchieren, professionell aufbereiten und präsentieren. Überlappungen sind erwünscht, dürfen aber nicht die Regel werden. Denn in der ausdifferenzierten Wissenschaft bearbeitet der einzelne Forscher nur ein winziges Puzzlestück. Es ist Aufgabe der Medien, Kontexte herzustellen, einzuordnen, kritisch zu hinterfragen und damit die Puzzleteile zusammenzufügen.