Was macht ein Panzermuseum auf YouTube? Wie spricht man über „Gewaltmaschinen“ wie Leopard, Panther und Co? Ralf Raths leitet das Deutsche Panzermuseum in Munster. Im Interview erklärt er, welche Ziele er mit der Kommunikation verfolgt und wie wichtig dabei Haltung und eine gute Fehlerkultur sind.
Die helle und dunkle Seite der Panzer
Über was kommuniziert ein Panzermuseum?
Als Panzermuseum kommuniziert man wie andere Museen über das Thema, das in den Hallen ausgestellt ist. Unser Thema ist die Panzerei. Die gibt es genauso wie die Reiterei oder Fliegerei und ist mehr als nur die Technik der Panzer. Zwar sind die technischen Objekte unsere Ausstellungsstücke, aber es geht auch darum, wie die Fahrzeuge gebaut und genutzt wurden, wer sie gekauft hat und und welche politischen Entscheidungen dazu führten, dass sie angeschafft wurden. Wir zeigen, wie sie wahrgenommen und gedeutet wurden, wozu und von wem sie eingesetzt wurden, wie das Leben darin war, wie darin gestorben, wie damit getötet wurde. Das Museum deckt die ganze Palette von Wirtschafts-, Kultur-, Sozial-, und Militärgeschichte in Deutschland mit dem Fokus Panzer ab.
Was ist Ihnen dabei besonders wichtig zu vermitteln?
Museen sind grundsätzlich Bildungsorte. Natürlich wollen die Besucher*innen etwas lernen, sie wollen aber auch unterhalten werden. Sie möchten eine spannende Geschichte hören. Wenn man sich auf die reine Technik konzentriert, kann die Panzerei das bieten. Dann sind Panzer nichts anderes als Traktoren oder Eisenbahnen.
Aber gleichzeitig sind Panzer eben auch Gewaltmaschinen, die dazu gebaut wurden, Menschen zu verletzen und zu töten – einige unserer Exponate haben das sogar getan. Wir stellen also Kriegsobjekte aus. Wenn man so ein Thema vermittelt, dann muss man neben den netten Sachen wie Kameradschaft, Humor und technischen Höchstleistungen auch die dunkle Seite betonen: leiden, sterben, die Angst der Besatzung im Panzer zu verbrennen. Ich spreche manchmal von der hellen und dunklen Seite des Themas. Das trifft es ganz gut, weil der Star-Wars-Kanon auch immer vom Ausgleich der Macht spricht. Wir versuchen weder eine Gedenkstätte zu sein, die Trauerarbeit leistet, wenn wir uns nur auf das Leiden fokussieren. Und wir möchten auch nicht das Militär und seine Werte und Kultur glorifizieren. Wir wollen den Ausgleich schaffen.
Wer sind die Menschen, die ein Panzermuseum besuchen?
Wir sind in der sehr dankbaren Situation, dass Munster in einem Tourismusgebiet in der Lüneburger Heide liegt. Unsere Besucher*innenschaft ist ziemlich jung, mit einem Großteil in der Altersklasse von 30 bis 40 Jahren und von null bis 20 Jahren. Davon ist ein Viertel bis ein Drittel Frauen, der Rest der Besucher ist männlich. Das ist aber relativ normal für ein Technikmuseum.
Zum allergrößten Teil haben die Besucher*innen nicht gedient oder nur Wehrdienst geleistet. Wir haben das mal anhand eines Datensatz mit über 5.000 Befragten erhoben. Lediglich 17 Prozent der Besucher*innen sind aktive oder ehemalige Berufssoldat*innen. Das bedeutet, wir haben ein riesiges Publikum, das inhaltlich nicht vorbereitet und damit im besten Sinne ein ganz typisches Museumspublikum ist.
Sie nutzen auch soziale Medien zur Wissensvermittlung. Ihr Hauptkanal ist YouTube, für den Sie kürzlich den Silver Creator Award erhielten. Wie gelingt es, auf dieser Plattform über Panzer zu kommunizieren?
Wir beantworten auf YouTube zum Beispiel Fragen, die uns bei Führungen im Museum oder in Kommentaren häufig gestellt werden. Da haben sich über die Jahre einige angesammelt, beispielsweise ob Panzer mit Benzin oder Diesel fahren. Oder ob Hugo Boss tatsächlich die Wehrmachtsuniform designt hat? Er hat es nicht. Für solche Videos haben wir das Format „Stimmt es eigentlich“ gestartet, in dem wir die Antwort immer gleich zu Beginn geben und nicht erst am Ende eines Clips. Unser nächstes Video handelt vom Sterben im Panzer, weil wir auf Twitter das Feedback bekommen haben, dazu auch etwas auf unserem Kanal zu machen.
Sie haben noch weitere Formate auf Ihrem Kanal wie „Geschichte(n) aus Stahl“ oder „Stahl, Schere, Papier“. Was charakterisiert sie und welche Ziele verfolgen Sie damit?
„Stahl, Schere, Papier“ hat weniger mit Wissensvermittlung, sondern mehr die Steuerung der Kommunikation mit unserer Fanbasis. Wir haben früh gemerkt, dass es sich auszahlt, nahbar und transparent zu sein. Wir erklären in dem Format, was nicht funktioniert oder warum bestimmte Objekte nicht in die Ausstellung kommen. Wenn wir Preise gewinnen wie das Museumsgütesiegel, gibt es immer ein Video dazu. Sie beugen dem Flurfunk und irreführenden Narrativen über unsere Arbeit vor.
Wie entstehen Ihre Videos?
Es gibt keinen Redaktions- oder Masterplan hinter dem Youtube-Kanal. Man sieht auch, dass unsere Serien nicht konzipiert sind. Die impulsorientierte Arbeitsweise hat den großen Vorteil, dass hinter jedem Video viel Enthusiasmus steckt. Ich muss für meine Arbeit viel lesen. Nebenbei habe ich gleichzeitig zehn Drehbücher in OneNote offen, in denen ich mir Notizen mache. Irgendwann setze ich das Drehbuch um. „Stahl, Schere, Papier“ drehe ich meist zuhause. Für die anderen Formate packe ich die Ausrüstung ins Auto und fahre ins Museum nach Munster. Die ersten zehn Geschichten aus Stahl haben wir noch mit einem Ehrenamtlichen gedreht, der uns beigebracht hat, wie alles funktioniert. Jetzt drehe ich meist alleine, weil ich gerne selbstbestimmt arbeite und nicht die Arbeitszeit meiner Kolleg*innen in Anspruch nehme. Die Videos schneide und editiere ich in zwei, drei Nachtschichten. Das macht mir Riesenspaß, weil es wirklich kreativ ist. Für einen YouTube-Kanal machen wir allerdings relativ einfaches Zeug, letztlich ist es wie ein bebilderter Podcast.
Die Arbeit läuft also neben Ihrem Tagesgeschäft und Sie haben keine gesonderten Stellen für die digitale Kommunikation?
Nein, aber die hätten wir super gerne. Grundsätzlich ist die Ausstellung wichtiger als der YouTube-Kanal. Er ist ein Instrument, das die Ausstellung flankiert und Leute ins Museum zieht. In der Ausstellung sind wir bei Führungen zeitlich begrenzt. Der Kanal gibt uns die Möglichkeit, uns auszutoben. Aber er ist eben nicht unsere Hauptaufgabe.
Wie fallen die Reaktionen auf Ihre Videos aus?
Im Regelfall sehr positiv. Unsere Zustimmungsrate liegt im Schnitt bei 98 Prozent. Kritik kommt von klassischen Trollen oder aus extremen politischen Lagern. Den Rechten sind wir zu links, den Linken zu rechts. Das war am Anfang komisch, aber dem gegenüber steht das überwältigende Lob. Wir pflegen stark eine Premierenkultur. Die Vorführengen sind wie ein digitales Lagerfeuer, bei dem man mit den Leuten spricht. Das ist schon Balsam für die Seele, denn oft ist YouTube ein toxisches Güllefass.
Mit welcher Haltung geht man an die Wissenschaftskommunikation heran – gerade wenn man auch in den digitalen Medien über ein politisch sehr strittiges Thema spricht?
Wir haben ein Video zu dieser Frage gemacht. Es heißt „Museen sind nicht neutral“. Das ist unser Standpunkt in einer riesigen Debatte, die aktuell wieder hochkocht. Es geht um die Frage, ob ich Museen über ihre Ausstellungsobjekte definieren oder ob sich ihre Definition davon ableitet, dass sie Akteure in der Gesellschaft sind. Das Deutsche Panzermuseum sieht sich als gesellschaftlicher Akteur. Wir haben ein starkes Leitbild und sind sehr meinungsstark. Ich lege mich auch mit Menschen an, die gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung arbeiten. Beispielsweise mit dem AfD-Politiker Gauland zur Frage, ob man die Wehrmacht toll finden kann, ohne an Auschwitz zu denken. In die Tagespolitik wie der Frage, ob man der Ukraine Panzer liefern sollte, mische ich mich aber nicht ein. Wir sind keine Politikberater*innen. Ich möchte die Autorität und den Vertrauensvorschuss, den Museen haben, nicht missbrauchen. Wir machen aber Angebote, die Zusammenhänge zu erklären: Was können Panzer? Lassen sich aus der Geschichte Aspekte ableiten, die vielleicht bei der Entscheidungsfindung helfen?
Sie haben eine YouTube-Reihe zum Ukrainekrieg aufgelegt. Inwiefern hat die russische Invasion in der Ukraine Ihre Arbeit verändert?
Die Aufrufe haben deutlich zugenommen, als wir das fünfteilige Ukraine-Special gemacht haben. Ich wollte die Videos eigentlich gar nicht drehen, weil ich das Gefühl hatte, alles sei schon gesagt. Aber aus meinem privaten Umfeld kam die Rückmeldung, dass ich die Berichte in den Medien nur verstehe, weil ich im Thema bin. Viele Leute in den Medien – gerade ältere Soldaten – hätten kein Gefühl, wie man die Themen anderen Zielgruppen vermitteln könnte. Wir haben häufig die Rückmeldung bekommen, dass die Leute durch die Videos die Diskussionen um einen Atomkrieg oder eine Panzerschlacht etwas besser verstehen. Es mache sie ruhiger, weil die Thematik nicht mehr so nebelhaft sei. Die Leute hatten scheinbar einen Bedarf nach ruhigen Stücken. Auch in die Ausstellung kommen Leute jetzt mit einem verbindlichen Ton. An den Fragen, die sie stellen, merkt man, dass sie der aktuelle Bezug herumtreibt – entweder durch die Blume oder wenn sie ganz offen fragen: „Wo sind die Panzer, die jetzt in der Ukraine rumfahren?“
Was haben Sie dabei gelernt, das sie anderen Kommunikator*innen mitgeben möchten?