Foto: EPFL - Alain Herzog

„Die EPFL Redaktion arbeitet nicht für Blick“

Die École Polytechnique Fédérale de Lausanne (EPFL) hat eine Kooperation mit der neuen Schweizer Tageszeitung Blick Romandie, die nicht ganz unumstritten ist.  Die Hochschule stellt zum Beispiel Artikel aus der Kommunikationsarbeit zur freien Verwendung zur Verfügung. Der Pressesprecher der Hochschule, Mirko Bischofberger, hat dazu schriftlich* einige Fragen beantwortet.

Herr Bischofberger, wie funktioniert die Kooperation zwischen der École Polytechnique Fédérale de Lausanne (EPFL) und Blick genau?

Die Kooperation besteht aus drei Komponenten:

  1. Die von der EPFL geschriebenen Wissenschaftsartikel werden für Blick Romandie zur Weiterverwendung zugänglich sein. Es handelt sich dabei vor allem um einen vereinfachten Zugang, da alle unsere Artikel gemäß unserer Creativce-Commons-Lizenz bereits seit fast einem Jahr für alle Medien frei zugänglich und wiederverwendbar sind.
  2. Im Rahmen dieser Partnerschaft hat Blick Romandie zudem auch vereinfachten Zugang zu unseren Forschenden in Form von Expertisen oder Kolumnen. Auch das ist für alle Medien möglich und die Partnerschaft soll diesen Austausch innerhalb der Romandie erleichtern.
  3. Zusammen mit Professor Martin Jaggi von der EPFL werden wir Werkzeuge auf der Basis künstlicher Intelligenzen entwickeln, um wissenschaftliche Artikel zum Beispiel sprachlich einfacher zugänglich zu machen. Diese Forschungszusammenarbeit kann in Form von automatisch generierten Zusammenfassungen sein, oder von verschiedenen Abstufungen der Popularisierung wissenschaftlicher Texte. Es handelt sich dabei also um eine klassische Forschungszusammenarbeit.

Wie ist die Kooperation zustande gekommen? Was sind die Ziele und wer die Zielgruppen? Wie passen diese in die Gesamtstrategie der Kommunikation der EPFL?

Mirko Bischofberger ist Kommunikationsleiter der EPFL und dort für die Partnerschaft mit Blick Romandie verantwortlich. Foto: EPFL

Als staatlich finanzierte Hochschule hat die EPFL den gesetzlichen Auftrag, ihr Wissen mit der Gesellschaft zu teilen (der exakte Wortlaut im ETH-Gesetz lautet, dass „Öffentlichkeitsarbeit“ geleistet werden soll, ETH-Gesetz, Art. 2e, SR/RS 414.110). Im Kontext dieser Partnerschaft hat für uns vor allem das Erreichen wissenschaftsferner Zielgruppen eine hohe Priorität. Aus diesem Grund hat der Präsident der EPFL bereits vor mehreren Jahren angefangen, regelmäßige Wissenschaftskolumnen im deutschen Blick zu schreiben. Der Blick Romandie wurde nun als eine Online-Erweiterung des Blicks in der Deutschschweiz geplant. Aufgrund der guten vergangenen Zusammenarbeit entstand nun diese neue Partnerschaft.

Ein weiterer Staatsauftrag der EPFL ist es, Innovation und Forschungstransfer zu betreiben. Dies geschieht in allen technologischen Feldern und Disziplinen der EPFL, inklusive der künstlichen Intelligenz, der Computerlinguistik und auch in der Vermittlung von Wissen. Forschungskollaborationen mit der Industrie gehören zum Kerngeschäft. Dies ist Inhalt von Punkt 3 oben.

Wie ist der genaue Weg eines Beitrages aus Ihrem Haus, bis er bei Blick veröffentlicht wird? (Wer ist beteiligt? Welche Feedbackschleifen gibt es?)

Der genaue Weg ist noch in Planung, doch Blick Romandie wird vor allem einen vereinfachten Zugang zu unserer Newsredaktion, unseren Expert*innen und unseren Texten haben. Als unabhängiges Medium wird Blick Romandie aber frei sein in der Entscheidung, welche Themen er behandeln will und wie er sie behandelt, so wie Blick es in seiner redaktionellen Berichterstattung generell tut. Das galt auch bei den vergangen Gastbeiträgen.

Wie sehen Sie die Rolle von Wissenschaftskommunikation und Wissenschaftsjournalismus in dem Zusammenhang? Wie vermeiden sie, dass eine Vermischung zwischen PR und Journalismus stattfindet?

Blick Romandie ist weiterhin frei in der Entscheidung, welche Themen er behandeln will und wie er sie behandelt. Die Artikel der EPFL werden von uns für die EPFL Webseite geschrieben – nicht für Blick Romandie. Die EPFL Redaktion arbeitet nicht für Blick. Die Unabhängigkeit des Mediums ist somit gewährleistet. Auch sind alle Publikationen, sowie der Zugang zu unseren Forschenden, auf unserer Webseite für alle Medien ebenfalls frei zugänglich. Die identische Behandlung aller Medien ist somit ebenfalls gewährleistet. Es gibt weder finanzielle Abgeltungen, noch werden Dienstleistungen angeboten. Auch in diesem Sinne, ist die Unabhängigkeit beider Seiten gewährleistet. Diese Art von Partnerschaft ist grundsätzlich keine Neuigkeit für die EPFL: Die Initiative for Media Innotation IMI fördert ebenfalls den Austausch von EPFL Wissenschaft und Medienlandschaft, um neue Wege der Wissenschaftskommunikation zu ermöglichen (im Board dabei sind Pascal Crittin, Radio Télévision Suisse, und Ladina Heimgartner, Medienunternehmen Ringier/Blick). Und um die Osmose zwischen Medien und Forschung weiter zu fördern, zieht auch das nationale Schweizer Fernsehen im 2025 physisch auf den EPFL Campus (Gebäude im Bau).

Welche Rolle spielt der kritische Blick von außen in all dem?

Der kritische Blick von außen ist unabdingbar. Aus diesem Grund betreibt die EPFL nicht nur Innovation und „Öffentlichkeitsarbeit“ im Bereich der Wissenschaftskommunikation, sondern fördert auch aktiv den Wissenschaftsjournalismus. Zwei Beispiele sind die Zusammenarbeit mit Higgs und Heidi.news (zusammen mit dem Schweizerischen Nationalfonds), oder auch die Förderung der Nachrichtenagentur SDA/ATS Stelle für Wissenschaftsjournalismus, welche von den BFI-Organisationen (Bildungs-, Forschungs- und Innovationspolitik des Bundes) bezahlt wird. Des Weiteren ist die EPFL aktiv an nationalen Gesprächen beteiligt, um weitere Formen der Unterstützung des Wissenschaftsjournalismus zu finden.

Die EPFL arbeitet aber in erster Linie für die Wissenschaft, nicht für die Medien. Und die Annahme, dass Wissenschaftskommunikation nicht auch kritisch sein kann, ist nicht ganz korrekt. Wissenschaftskommunikation berichtet über Wissenschaft, und diese ist inhärent kritisch, basierend auf ihrem Peer-Review-System. Somit trägt auch die Wissenschaftskommunikation aktiv zur Hinterfragung gesellschaftlicher Zusammenhänge bei. Ganz konkret: Ohne die Wissenschaftskommunikation der EPFL hätte es im vergangenen Jahr wahrscheinlich keine Hinterfragung der Gefahr von zentralisierten Contact-Tracing-Protokollen gegeben, noch der politischen Twitter-Manipulationen in der Türkei, um bloß zwei Beispiele zu erwähnen.


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*Normalerweise führen wir alle Interview auf Wissenschaftskommunikation.de persönlich. In diesem Fall sollte die Beantwortung auf Wunsch der Hochschule schriftlich erfolgen.