Foto: Etienne Boulanger

Dialog und Austausch neu gedacht

Ende 2018 startete das Museum für Naturkunde in Berlin ein Projekt, um neue Partizipations- und Dialogformate zur Wissenschaftskommunikation zu testen. Wiebke Rössig und Lisa Jahn vom Museum für Naturkunde berichten von dem Konzept und teilen erste Erkenntnisse aus dem Experimentierfeld.

Dialog und Beteiligungsformate brauchen Räume, die diese ermöglichen und unterstützen. Hierfür haben wir, gefördert von der Robert Bosch Stiftung1, ab Dezember 2018 die Räume des Experimentierfeldes für Partizipation und Offene Wissenschaft geschaffen. Sie liegen innerhalb des Ausstellungsrundgangs und ermöglichen die Kommunikation zwischen Mitarbeitenden und Besuchenden, um Einblicke in unsere Arbeit als Forschungsmuseum und Forschung im Allgemeinen zu schaffen. Sie bieten die Möglichkeit für offene Austauschformate zu Themen des Museums, regen Meinungsbildungsprozesse an, öffnen die Themen und Objekte des Museums für neue Perspektiven und fördern gemeinsames Forschen. Außerdem erhalten Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler eine Möglichkeit, eigene Projekte der Forschungskommunikation oder der offenen Wissenschaft durchzuführen. Tatsächlich zeigt sich in Gesprächen mit Besuchenden immer wieder, dass das Museum als Ausstellungsfläche und kaum als international vernetzte Forschungsinstitution mit vier Forschungsabteilungen wahrgenommen wird. Auch um dies zu ändern und Wissenschaft zu öffnen, die Wissenschaft in den Dialog zu bringen und eine gemeinsame Aktivität rund um wissenschaftliche Fragestellungen zu ermöglichen, schafft das Experimentierfeld einen Ort für Dialog und Austausch. Im Jahr 2019 nahmen gut 8.000 Besuchende an Aktivitäten im Experimentierfeld teil und bereicherten in Diskussionen, Befragungen, Workshops und Austauschveranstaltungen das Museum für Naturkunde.
Wir möchten hier die Erlebnisse aus den ersten Monaten im Experimentierfeld reflektieren und anderen Institutionen, die den Austausch mit der Zivilgesellschaft suchen, Informationen und Ideen bereitstellen.

Idee und Konzept des Experimentierfeldes

Die Ideen für das Konzept des Experimentierfeldes entstanden zum großen Teil im Rahmen des Projekts „Besucherpartizipation am Museum für Naturkunde“, welches von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt gefördert und unter Leitung von Dr. Wiebke Rössig von 2016 bis 2018 durchgeführt wurde. In diesem Projekt wurden in Workshops mit Mitarbeitenden des Museums und Interessensgruppen sowie unseren Besuchenden Ideen dazu gesammelt und entwickelt, was Partizipation im Forschungsmuseum bedeuten kann. Gleichzeitig besuchte Wiebke Rössig verschiedene (Forschungs-)Museen, um Beispiele für partizipative Räume und Konzepte in Planung kennenzulernen. Insbesondere die Gestaltung der Räume, angelehnt an ein Wohnzimmer mit gemütlichen Sitzgelegenheiten, eine Bibliothek sowie eine Küche, in der angeregte Diskussionen und Präsentationen stattfinden können, stammen aus diesem Co-Design-Prozess. Die Ergebnisse dieses Projekts wurden als Handreichung veröffentlicht und sind hier nachzulesen.
Mit diesem Grundkonzept und einer Bedarfssammlung verschiedener Austauschformate, konnte unser Ausstellungsteam, allen voran der Designer Suriya Poieam, das Experimentierfeld gestalten. Berücksichtigt wurde dabei auch der Wunsch nach einem offenen Workshopbereich und einem Tresen, in dem auch Objekte aus den Sammlungen zu Präsentationszwecken gelagert werden können.

„Die Einbindung verschiedener Perspektiven ist grundlegend dafür, dass das Experimentierfeld auf unterschiedlichste Bedarfe gut reagieren und viele Nutzungsinteressen berücksichtigen kann."
Die Einbindung der verschiedenen Perspektiven ist grundlegend dafür, dass das Experimentierfeld auf unterschiedlichste Bedarfe gut reagieren und möglichst viele Nutzungsinteressen berücksichtigen kann. Auf diese Weise konnte das Experimentierfeld in seiner jetzigen Form so schnell realisiert werden. Ebenso konnte es dadurch an unterschiedliche, neu entstehende Formate angepasst werden. Eine besonders wichtige Voraussetzung aber war die Bereitschaft zum Experimentieren mit neuen Formaten und zum Aufbruch ins Unbekannte. Dies wurde auch von der Leitungsebene des Museums befürwortet und Misserfolge einzelner Formate wurden toleriert. So bestand von Anfang an die Möglichkeit, offen mit neuen Formaten und interessanten Ansätzen zu experimentieren.

Ziele des Experimentierfeldes

Das Experimentierfeld dient dazu, Konzepte des offenen, integrierten Forschungsmuseums in der Praxis umzusetzen, zu evaluieren und anzupassen. Die Formate, die wir dabei ausprobieren, sollen mindestens einem der nachstehenden Ziele dienen. Sie sollen:

  • die vielfältigen Forschungsprojekte und die Sammlungen des Museums für Naturkunde sichtbarer machen
  • mit den vielfältigen Perspektiven und Meinungen der Besuchenden die Themen und Objektgeschichten des Hauses bereichern
  • die direkte Kommunikation und den Austausch zwischen Mitarbeitenden und Besuchenden fördern
  • gesellschaftliche Debatten in Verbindung mit den Themen des Hauses aufgreifen und Meinungsbildungsprozesse anregen
  • für (Nachwuchs-)Forschende die Möglichkeit schaffen, über wissenschaftliche Fragestellungen, Zwischenergebnisse, Methoden und Ergebnisse zu kommunizieren und offene Wissenschaft in der Praxis zu testen

„Mit einer Mischung aus internen Formaten ... und externen Angeboten ... versuchen wir, möglichst breit zu testen, was in einem Forschungsmuseum möglich und sinnvoll ist.“
Für die Teilhabe an Forschungen und Sammlungen sollten nicht nur ohnehin bereits interessierte Akteurinnen und Akteure, sondern auch neue Gruppen der Öffentlichkeit gewonnen werden. Im Experimentierfeld sollen Museumsbesuchende, aber auch neue Zielgruppen durch persönliche Ansprache und direktes Erleben in wissenschaftliche Prozesse einbezogen werden. Dabei sollen auch Prozesse des wissenschaftlichen Arbeitens sichtbar werden, die in der Regel nicht von der Öffentlichkeit wahrgenommen werden. Dazu gehören die Antragstellung, die Methoden, die Entwicklung von Fragestellungen der Forschung, Veröffentlichungen oder der kritische Austausch zwischen Kolleginnen und Kollegen. Die Perspektiven der Besuchenden sollen dokumentiert werden, in Forschung, Sammlungen und Debatten zu gesellschaftlichen Themen einfließen und für nachfolgende Besuchende in den Ausstellungen bzw. im Experimentierfeld sichtbar oder hörbar werden.
Mit einer Mischung aus internen Formaten, in denen Mitarbeitende des Museums für Naturkunde über ihre Arbeit sprechen, und externen Angeboten, in denen Kunstschaffende, Autorinnen und Autoren oder externe Moderatorinnen und Moderatoren die Leitung übernehmen, und der Offenheit, Neues auszuprobieren, versuchen wir, möglichst breit zu testen, was in einem Forschungsmuseum möglich und sinnvoll ist, um die Ziele des Experimentierfeldes und des Museums als Ganzes zu erreichen.

Institutionelle Rahmenbedingungen

Unser Ziel ist es, Forschung als Prozess sichtbar zu machen und einen authentischen Einblick in die wissenschaftliche Arbeit zu geben, anstatt fertige Ergebnisse zu präsentieren. Wie schon angedeutet, setzt dies vor allem auf der Leitungsebene eine Bereitschaft zum Experimentieren voraus. Viele der Formate wurden mit der Zeit immer wieder angepasst oder ersetzt. Eine grundlegende Rahmenbedingung für das Experimentierfeld war Mut auf institutioneller Ebene, sich auf unbekannte Formate einzulassen und Strukturen zu schaffen, in denen dies auch individuell möglich ist. Das gegenseitige Lernen als Grundprinzip ist dabei eine neue Perspektive für viele Forschende, genauso wie die arbeitsrechtliche Einbindung neuer Aktivitäten in die Verwaltungsstrukturen.

Gegenseitiges Lernen als Grundprinzip

Bei der Betonung des Dialogs und der Partizipation verändert sich die Rolle der Forschenden von monologisch vermittelnden Expertinnen und Experten hin zu gesellschaftlichen Akteurinnen und Akteuren mit einem Fachwissen, das sie zur Wissensproduktion und oft zur Lösung gesellschaftlich relevanter Fragen und Probleme einsetzen. Dabei ist es wichtig, dass sie ihre Methoden und Vorannahmen transparent kommunizieren können. Die wesentlichen Züge und Erkenntnisse der eigenen Arbeit für alle erklärbar machen zu müssen, schult dabei das eigene (Selbst-)Verständnis ungemein, wie uns das Feedback zahlreicher Forschender verdeutlicht.

„Dass die Kommunikation der eigenen Arbeit und die Beteiligung Dritter an Forschungsprojekten einen Mehrwert für die eigene Arbeit darstellen, ist jedoch für viele Forschende eine relativ neue Idee.“

Dass die Kommunikation der eigenen Arbeit und die Beteiligung Dritter an Forschungsprojekten einen Mehrwert für die eigene Arbeit darstellen, ist jedoch für viele Forschende eine relativ neue Idee und erreicht die meisten erst langsam durch die Schaffung verschiedener Beispiele und das Sammeln von Erfahrungen. Einige generelle Ängste, wie zum Beispiel nicht alle Fragen beantworten zu können oder Angriffen ausgesetzt zu sein, werden meist erst durch eigene positive Erfahrungen zerstreut.
Dabei ist es wichtig, als Institution Schulungsangebote im Bereich Kommunikation anzubieten und die Forschenden bei ihren Erfahrungen zu begleiten. Auch das Entwickeln von Workshopangeboten, in denen Strategien zur Einbindung verschiedener Akteurinnen und Akteure oder die Formulierung eigener Fragen an Besuchende erprobt werden, muss weiterhin vorangetrieben werden. Im Museum für Naturkunde entwickeln wir daher ein Schulungsprogramm, welches diese Fähigkeiten fördert und gemeinsam mit Forschenden stetig weiterentwickelt werden soll.

Verwaltungsstrukturen und die Kommunikationskultur der eigenen Institution mitdenken

Lange begleitete uns im Projekt die Frage: Inwiefern können forschungskommunikative Tätigkeiten in die Arbeitszeit eingebunden werden?
Es ist (leider) offensichtlich, dass die Forderung nach einer Öffnung der wissenschaftlichen Arbeit und der damit verbundene Zeitaufwand mit den Honorierungsstrukturen des Wissenschaftssystems in einen starken Konflikt treten, insbesondere bei Mitarbeitenden in Drittmittelprojekten. Die verschiedenen Ansprüche, gerade an Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler, können überfordernd wirken. Es ist deshalb wichtig, auch die Arbeitsgruppenleiterinnen und -leiter in den Aufbau von Strukturen und in das Experimentierfeld einzubinden.
Langfristiges Ziel kann sein, die Kommunikation der eigenen Forschung auch außerhalb der eigenen Peergroup in die Tätigkeitsbeschreibungen der Mitarbeitenden aufzunehmen, um die notwendigen zeitlichen Ressourcen dafür zu schaffen.
Während der Aufbauphase des Experimentierfeldes wurden Promovierende mit eigenen Projekten im Experimentierfeld finanziell unterstützt. Dies ermöglichte uns eine Verbindlichkeit, um die Formate zu begleiten, den Aufbau der Infrastruktur voranzutreiben und Abläufe zu routinieren. Gleichzeitig beobachteten wir eine verstärkte Anspruchshaltung im weiteren Verlauf. Es ist eine grundsätzliche Frage, inwiefern die zusätzliche finanzielle Honorierung einzelner Projekte wünschenswert ist, da bisher viel Engagement (beispielsweise bei der Langen Nacht der Museen und anderen Veranstaltungen) auch ohne zusätzliche finanzielle Kompensation gezeigt wird. Dieses Engagement könnte dadurch langfristig untergraben werden.
Vielmehr sollten Tätigkeiten in den Bereichen Forschungskommunikation, Outreach oder Citizen Science als grundsätzliches Element der Forschungsprojekte verankert werden. Auch können Orte wie das Experimentierfeld als Infrastruktur geschaffen und als Angebot genutzt werden, um das Grundprinzip des gegenseitigen Lernens zu stärken und qualitativ hochwertige Schulungsangebote anzubieten.
Falls Ihre Institution eine finanzielle Kompensation anstrebt, muss dies frühzeitig in enger Absprache und Zusammenarbeit mit der Verwaltung Ihrer Institution geplant werden. Wir sind auf verschiedene Hürden gestoßen, aufgrund der sehr unterschiedlichen vertraglichen Bindungen der Mitarbeitenden ans Haus, insbesondere bei Nachwuchsforschenden. Es existieren verschiedene Verträge: Einige Mitarbeitende waren als Gastwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler am Haus, andere durch Drittmittelfinanzierungen, wieder andere hatten Stipendien, die Nebenverdienste nur zu einem gewissen Grad erlaubten. Internationale Stipendiatinnen und Stipendiaten mussten eine Selbständigkeit anmelden, um einen Honorarvertrag mit dem Museum abzuschließen, was für einige einen zu hohen bürokratischen und zeitlichen Aufwand darstellte.
Bei Promovierenden mit Arbeitsvertrag versuchten wir, eine Aufstockung um einige Prozent anzustreben. Dies erwies sich deshalb als schwierig, weil die Kommunikation der eigenen Forschung an die breite Öffentlichkeit oft nicht in der Tätigkeitsbeschreibung aufgelistet war. Gleichzeitig mussten wir erklären, dass die Kommunikation der eigenen Forschung im Dialog nicht die gleiche Tätigkeit wie die eines Austellungsguides ist.

Organisatorische Rahmenbedingungen

Rat von kritischen Freundinnen und Freunden

Schon während der Planung des Experimentierfeldes wurde ein Beirat gegründet. Dieser setzt sich zusammen aus Mitarbeitenden des Museums aus allen Forschungsbereichen, einem Vertreter des Fördervereins, einer Künstlerin, einem externen Wissenschaftler aus der Forschung im Bereich Wissenschaftskommunikation, einer externen Wissenschaftlerin aus dem Bereich der Partizipationsforschung und zwei Vertreterinnen und einem Vertreter der Besuchenden, die aus einer Gruppe von Menschen ausgewählt wurden, die sich auf einen öffentlichen Aufruf hin für dieses Amt beworben hatten. Im vierteljährlichen Rhythmus kommt der Beirat zusammen.
Die Mitglieder des Beirats geben als „Critical Friends“ der Projektleitung Feedback zu einem vorab geteilten Bericht. Das gewährleistet zum einen die regelmäßige Reflexion des Projektes vonseiten des Museums. Zum anderen können ganz unterschiedliche interne und externe Perspektiven auf die Konzeptionierung und Programmentwicklung im Experimentierfeld einfließen. Auch sichert das Einbeziehen von Menschen aus verschiedenen Bereichen des Museums eine bessere Kommunikation mit den verschiedenen Arbeitsgruppen zu den Zielen und Möglichkeiten des Experimentierfeldes und beugt so Missverständnissen vor.

Raumatmosphäre

Bei der Planung der Räume sind die Akustik und ein flexibles Beleuchtungssystem mitentscheidend für die Raumatmosphäre und die Zufriedenheit der Beteiligten. Das zeigen unsere Erfahrungen insbesondere mit Formaten, bei denen in Gruppen konzentriert zusammengearbeitet wird. Im laufenden Ausstellungsbetrieb entsteht schnell ein Lärmpegel, der die Konzentration erschwert. Ähnliches gilt für die Beleuchtung, die Temperatur und die Frischluftversorgung. Ein Bewusstsein für die Wirkung dieser Einflussfaktoren hilft bei der aktiven Gestaltung erfolgreicher Formate, die als angenehm erlebt werden.
Im Museum stehen diese Ansprüche jedoch häufig im Konflikt mit der angestrebten Offenheit und der Objektsicherheit, sodass immer wieder neu abgewogen werden muss, wann ein geschlossener Raum unerlässlich, wann die Sichtbarkeit besonders wünschenswert ist.

„Bei der Planung der Räume sind die Akustik und ein flexibles Beleuchtungssystem mitentscheidend für die Raumatmosphäre und die Zufriedenheit der Beteiligten.“

Haus- und Nutzungsregeln

Das Museum bietet einen relativ geschützten Raum, in dem die Erfahrungen mit direkter Kommunikation überwiegend positiv sind. Jedoch sind Hausregeln und ein schriftlicher Verhaltenskodex sehr hilfreich, um sich im Zweifelsfall auf diesen beziehen zu können. Insbesondere bei besonders vulnerablen Gruppen sollte zusätzliches Sicherheitspersonal eingeplant werden. Bei einigen Austauschforen für Schülerinnen und Schüler sowie Studierende von Fridays for Future mussten einige (erwachsene) Störerinnen und Störer nachdrücklich gebeten werden, zu gehen.
Auch Nutzungsregeln sind wichtig, um im Grenzfall den nötigen Handlungsspielraum zu geben. So haben wir uns dazu entschieden, uns vorzubehalten, Projekte auch ohne Begründung abzulehnen. Auch wenn dies intern Diskussionen angeregt hat, ist es notwendig, dass wir uns die Möglichkeit offenlassen, Veranstaltungen mit Inhalten, die zum Beispiel von der wissenschaftlichen Community abgelehnt werden, auch ohne längere Auseinandersetzung absagen zu können. Auch muss noch während eines Projekts die Möglichkeit bestehen, eine Zusammenarbeit aufzulösen, wenn deutlich wird, dass Kooperationspartnerinnen und -partner unter Umständen eine Agenda verfolgen, der das Museum keinen Raum bieten möchte.

Die Notwendigkeit von Facilitatorinnen und Facilitatoren

Bei allen Formaten des Experimentierfeldes hat sich gezeigt, dass wir eine Begleitung durch „Gastgeberinnen und Gastgeber“ oder „Facilitatorinnen und Facilitatoren“ benötigen. Diese betreiben keine Wissenschaftskommunikation, ihre Rolle ist nicht die der „Übersetzung“ zwischen den Besuchenden und Mitarbeitenden. Vielmehr ist es ihre Aufgabe, Ansprechpersonen sowohl für Mitarbeitende als auch für Besuchende zu sein, Auskunft zu Veranstaltungen zu geben, Besuchende gezielt und persönlich einzuladen und die technische Infrastruktur zu betreuen. Wünschenswert wäre eine durchgängige Betreuung des Experimentierfeldes, die die flexible Nutzung durch Mitarbeitende garantiert. Die Haltung als Gastgeberinnen und Gastgeber, die Veranstaltungen und Dialoge ermöglichen, ist hierbei besonders wichtig.
Leitfäden, Regelwerke, Benutzungshinweise (für technische Geräte, Zugang zu Wi-Fi oder Beleuchtung) sind auch beim Vorhandensein von Facilitatorinnen und Facilitatoren unerlässlich, um eine unabhängige und eigenständige Nutzung der Räumlichkeiten zu ermöglichen. Bilder und Zeichnungen sorgen dabei für leichtere Verständlichkeit.

Die Notwendigkeit von Moderatorinnen und Moderatoren

Neben der Prozessbegleitung brauchen einige Beteiligungsformate, wie Workshops, eine Moderation. Wenn dies von Mitarbeitenden der eigenen Institution geleistet werden soll, muss ein Schulungsangebot geschaffen werden oder die Finanzierung von Honorarkräften sichergestellt sein.
Die Internationalität und Mehrsprachigkeit der Beschäftigten am Haus sowie der Besuchenden kann zu Sprachbarrieren führen. Um Formate für möglichst viele Personen zu öffnen, könnten Sprachassistentinnen und -assistenten die Gäste im Experimentierfeld begleiten.
Wir setzen im Experimentierfeld vor allem auf den direkten Austausch zwischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sowie Sammlungsmitarbeitenden und der Öffentlichkeit. Moderatorinnen und Moderatoren sollen dabei weniger inhaltlich „übersetzen“, sondern Brücken bilden und Redebeiträge moderieren.

"Wir setzen vor allem auf den direkten Austausch zwischen Forschenden sowie Sammlungsmitarbeitenden und der Öffentlichkeit. Moderatorinnen und Moderatoren sollen dabei ... Brücken bilden."

Die Notwendigkeit von Koordinatorinnen und Koordinatoren

Der koordinative Aufwand von offenen Formaten ist nicht zu unterschätzen. Die enge Zusammenarbeit von Öffentlichkeitsarbeit, Personalstelle und Forschenden, die Raumplanung und Planung der technischen Infrastruktur, aber auch die Evaluation und Dokumentation der Projekte, erfordert hohe personelle Ressourcen. Dieser Aufwand wird in der Planung oft unterschätzt. Insbesondere, wenn Forschende ihre Kommunikationsaktivitäten in der Projektplanung abschätzen, wird dieser Aufwand häufig nicht eingepreist. Es ist hier hilfreich, frühzeitig im Planungsprozess gemeinsam über das Projekt und die geplanten Aktivitäten nachzudenken.

Flexibel auf gesellschaftliche Debatten und Bedarfe reagieren

Als das Experimentierfeld im Museum für Naturkunde im Dezember 2018 eröffnete, ahnten wir noch nicht, dass dort vier Monate später dreihundert Schülerinnen und Schüler sowie Studierende der Fridays-for-Future-Bewegung mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern über die Folgen und Lösungsmöglichkeiten des Klimawandels diskutieren würden. Die Demonstrationen finden nur wenige hundert Meter vom Museum für Naturkunde entfernt statt und es gab ein sehr hohes Interesse, sich im Anschluss mit Forschenden auszutauschen. Einige Institutionen, darunter das Museum für Naturkunde, haben darauf reagiert. Jeden Freitag fand das offene Austauschforum im Experimentierfeld statt, in dem sich Schülerinnen und Schüler mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern verschiedener Forschungsinstitutionen aus Berlin und Brandenburg austauschen konnten. Die flexiblen Nutzungsmöglichkeiten der Räume haben dabei sehr geholfen. Wir empfehlen, weiterhin einen offenen Blick für gesellschaftliche Debatten und Anknüpfungspunkte zu pflegen.
Dabei kann es zusätzlich sinnvoll sein, Kooperationen aufzubauen. Im Zuge des offenen Austauschforums wurde klar, dass die Schülerinnen und Schüler sowie Studierenden sich etwas klarer strukturierte Workshops wünschen. In Zusammenarbeit mit anderen Foschungsinstitutionen konnte relativ schnell ein wöchentliches Workshopprogramm aufgebaut werden. Einige Formate eignen sich zeitlich begrenzt sehr gut und können sich von dort aus flexibel weiterentwickeln. Während der Sommerferien 2019 führte das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung die Workshopreihe als „Sommerschule Klimawissen“ im Experimentierfeld fort.

Den Dialog und die Partizipation schon in der Planungsphase von Projekten mitdenken

Die Erfahrung der ersten Monate zeigt, dass die Beteiligungsformate, die an (Forschungs-)Projekte gekoppelt sind, am besten funktionieren und eingebettet werden können, wenn sie von Anfang an mitgedacht werden: bei der Projektkonzeption und im Dialog zwischen der Projektleitung des Experimentierfeldes und den Antragstellenden. Hier können erste Formatideen entwickelt und Erfahrungen und Empfehlungen vermittelt werden. Auch hier gilt: Durch echte Teilhabe und im Dialog entstehen oft die besten Ideen. Es können bereits frühzeitig unterschiedliche Perspektiven einbezogen und Formate gefunden werden, die passgenau zum Thema und zur Projektstruktur passen.

„Durch echte Teilhabe und im Dialog entstehen oft die besten Ideen. Es können bereits frühzeitig unterschiedliche Perspektiven einbezogen und passgenaue Formate gefunden werden.“

Einige Forschungsprojekte möchten gerne eigene Ausstellungen verwirklichen und haben innerhalb des Experimentierfeldes einen Bereich, in dem dies möglich ist. Es hat sich gezeigt, dass der finanzielle und zeitliche Aufwand von Ausstellungsprojekten oft unterschätzt wird. Wir haben daher in Zusammenarbeit mit dem Ausstellungsteam Empfehlungen formuliert, worauf zu achten ist. Außerdem bieten wir eine Beratung im Vorfeld an.

Ängste nehmen und Kommunikationsstrategien anbieten

Ein fremdes Publikum kann beängstigend wirken. Die Bereitschaft ist wichtig, sich immer wieder auf das eigene Fachwissen zurückzuziehen. Auch mit dem eigenen Nichtwissen offensiv umzugehen, erfordert Übung. Gegebenenfalls ist hier gerade für Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler eine Begleitung sinnvoll, beispielsweise in Form von vor- und nachbereitenden Workshops und Reflexionen. Wissenschafterinnen und Wissenschaftlern deutlich zu machen, dass sie alle bereits natürliche Kommunikatorinnen und Kommunikatoren sind und es darum geht, die eigene Form der Kommunikation zu finden und zu trainieren, kann helfen. Meist ist keinem geholfen, wenn Menschen in bestimmte Kommunikationssettings gezwungen werden, in denen sie sich unwohl fühlen. Eine offene, transparente Kommunikation darüber, was passieren wird und soll, ist auch im Vorfeld mit den teilnehmenden Mitarbeitenden oder externen Referentinnen und Referenten wichtig.
Ganz offene Vortragsmöglichkeiten wie im Experimentierfeld, bei der Besuchende immer wieder dazukommen und gehen, sind für einige Vortragende eine neue Situation. Auch hier ist es Übungssache, die Vorträge so gestalten zu können, das Besuchende jederzeit wiedereinsteigen können. Facilitatorinnen und Facilitatoren können die Brücken schließen, Besuchende einladen, den Kontext erklären und ihn einordnen. Gerade bei kritischen Fragen ist eine klare Kommunikation der eigenen Position wichtig. Dies hilft zu verdeutlichen, wann wissenschaftliche Ergebnisse wiedergegeben und wann persönliche Meinungen vertreten werden. Auch hier können Schulungsangebote helfen, mögliche Kommunikationsstrategien vorzubereiten.

Transdisziplinarität als Einstieg nutzen

Vor allem der Museum Salon hat gezeigt, dass der Austausch von Forschenden verschiedener Disziplinen die Chance bietet, ein großes Publikum in das Gespräch einzubinden. Gerade ein Forschungsmuseum wie das Museum für Naturkunde Berlin, welches neben unterschiedlichen akademischen Disziplinen auch zahlreiche technische und handwerkliche Berufe, Verwaltung und den Unterhalt der Räumlichkeiten in der eigenen Institution beherbergt, kann die in der Forschung immer inhärente Transdisziplinarität sehr gut aufzeigen. Zudem bietet dies die Möglichkeit, sehr unterschiedliche Gruppen für Wissenschaft zu begeistern und zu vermitteln, welche oft im Hintergrund arbeitenden Expertinnen und Experten für erfolgreiche Forschung notwendig sind.

Objekte als Einstieg nutzen

Vor allem beim Präsentationstresen hat sich gezeigt, dass Objekte und Bilder einen sehr guten Einstieg ins Gespräch bieten können, entweder als Visualisierung von Arbeitsprozessen oder als Objekte, an die Fragen gestellt werden. Gespräche lassen sich mit einem solchen Anknüpfungspunkt einfacher beginnen und führen. In der Handreichung „Partizipation im Forschungsmuseum“ (DOI: 10.7479/9hdr-88pb) haben wir uns mit diesem Konzept der Grenzobjekte bereits auseinandergesetzt.

Ergebnisse visuell oder schriftlich festhalten

„Wir können beobachten, dass Besuchende diese Dokumentationen gerne ansehen und daraus auch immer wieder den Impuls verspüren, selber an derartigen Angeboten teilzunehmen.“
Um einen Rückfluss in die eigene Institution zu sichern, müssen Ergebnisse visuell, schriftlich und/oder auditiv festgehalten werden. Möglichkeiten bieten beispielsweise das Graphic Recording, die Aufzeichnung von Podcasts oder die Präsentation der Ergebnisse aus den Schreib- und Fotowerkstätten. Aktuell werden Fotos aus der Fotowerkstatt im Experimentierfeld gezeigt und die Texte der Schreibwerkstätten werden für Lesungen und Publikationen aufbereitet. Wir können beobachten, dass Besuchende diese Dokumentationen gerne ansehen und daraus auch immer wieder den Impuls verspüren, selber an derartigen Angeboten teilzunehmen. Die Ergebnisse eines partizipativen Workshops mit unterschiedlichen Stakeholdergruppen (aus Schulen, Verlagen und Kreativwirtschaft) zur Digitalisierung der Sammlungen wurde als Graphic Record sowohl intern, als auch in den Ausstellungen präsentiert.
Innerhalb der Institution wirken diese Dokumentationen sehr positiv auf die Wahrnehmung der stattfindenden Formate. So haben immer mehr Kolleginnen und Kollegen Interesse daran, ihre Arbeit beispielsweise für die Schreibwerkstätten zu präsentieren und die Ergebnisse dann in ihrer Arbeit mit zu verarbeiten.

Ausblick

Das Experimentierfeld für Partizipation und Offene Wissenschaft wird auch in den kommenden Jahren weiter testen, wie die Öffnung von Wissenschaft in der Praxis funktionieren kann und wie eine Rückwirkung in die Wissenschaft ermöglicht sowie die Möglichkeiten für das Sprechen über Wissenschaft erweitert werden können. Dabei werden sowohl die Wirkung auf Teilnehmende und Besuchende als auch auf die Forschenden evaluiert. Begleitend werden die Erfahrungen immer wieder veröffentlicht.

Den kompletten Erfahrungsbericht erhalten Sie hier.

Wenn Sie Interesse am Experimentierfeld haben, nehmen Sie gerne Kontakt zu uns auf: beteiligen@mfn.berlin

 

Gastbeiträge spiegeln nichts zwangsläufig die Meinung der Redaktion wider.