Solange das Stereotyp eines Forschenden ein weißer Mann ist, kommen auch weniger Frauen als Expertinnen in den Medien vor – und andersherum. Warum das ein Problem ist, erklärt Kommunikationswissenschaftlerin Christine Linke.
Deshalb sollte Wissenschaftskommunikation diverser werden
Wenn im Fernsehen ein Beitrag über Wissenschaft läuft und ein Experte oder eine Expertin darin spricht, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass es sich um einen Mann handelt. Fast 80 Prozent der TV-Expertinnen und Experten sind einer Untersuchung zufolge männlich, obwohl die wissenschaftlichen Felder selbst teilweise viel ausgeglichener besetzt sind. Aber selbst wenn in einem Bereich viele Frauen forschen, sind es meist eher die Männer, die darüber sprechen.
Mehr Diversität unter den kommunizierenden Forschenden ist aus vielen Gründen wichtig, um auch mehr Diversität in der Wissenschaft selbst zu erreichen. Wen wir in bestimmten Rollen sehen, beeinflusst, welche Stereotype wir haben. Aktuell sind Forschende stereotypisch immer noch eher männlich, weiß, mittelalt, im Laborkittel. Das hat Einfluss darauf, wer in der Gesellschaft eher als Teil der Wissenschaft angesehen wird. So schickten in einer Studie fiktive angehende Promotionsstudierende Anfragen an Forschende, um an einem Forschungsprojekt mitzuarbeiten. Kam die Anfrage von Studierenden, deren Name weiß und männlich klang, reagierten Forschenden signifikant häufiger darauf, vor allem in besser bezahlten Disziplinen.
„Eigentlich sollten wir als Gesellschaft den Anspruch haben, dass allen alle Möglichkeiten offenstehen“, sagt die Kommunikationswissenschaftlerin Christine Linke, die an der Hochschule Wismar forscht. „Davon sind wir weit entfernt, obwohl es schon besser geworden ist. Ich bin optimistisch, wenn ich sehe, wie viele Entwicklungen und Initiativen es mittlerweile gibt.“
Repräsentation und der Scully-Effekt
Ein Beispiel, wie Repräsentation Studienbewerbungen beeinflussen kann, ist der sogenannte Scully-Effekt, benannt nach der FBI-Agentin und Forensikerin Dana Scully aus der Serie „Akte X“ (dargestellt von Gillian Anderson). In den Neunzigern und Anfang der 2000er-Jahre war die Serie sehr populär, und einer Studie zufolge beeinflusste sie junge Frauen, eher ein Studium in den MINT-Fächern zu beginnen und die MINT-Themen insgesamt auch höher einzuschätzen.
Aber eine diversere Wissenschaftskommunikation würde nicht einfach nur mehr Frauen in MINT-Fächer und letztlich auch MINT-Berufe locken. Sie ist auch wichtig, um Menschen mit wissenschaftlichen Themen zu erreichen, die sich davon bisher ausgeschlossen fühlen. Wenn hauptsächlich weiße Männer über Wissenschaft sprechen, bekommen postmigrantische junge Frauen eher nicht das Gefühl, dass das Angebot auch an sie gerichtet ist, wie diese Studie von Christian Humm, Philipp Schrögel und Annette Leßmöllmann* beschreibt. Aber in einem demokratischen Diskurs sollten alle die Chance haben, ein Teil davon zu werden – und sich nicht von vorn herein davon ausgeschlossen fühlen.
Unbewusster Bias
Hinzu komme eine Art Teufelskreis, der nicht leicht zu durchbrechen sei, so Christine Linke. Sie habe die Erfahrung gemacht, dass Frauen oft größere Hemmungen hätten, Interviews anzunehmen und im Fernsehen aufzutreten, als ihre männlichen, weißen Kollegen. Ein Grund dafür: Insgesamt kommen weniger weibliche Expertinnen im Fernsehen vor. „Dann ist die Hürde, diesen Schritt zu gehen, einfach sehr groß“, sagt Linke. „Hier könnten beispielsweise Interviewtrainings für Nachwuchsforschende helfen.“
Außerdem seien marginalisierte Personen in der Öffentlichkeit häufiger Angriffen ausgesetzt, etwa Hate Speech im Internet. Die Angst davor kann ebenfalls hemmen, in den Medien aufzutreten. Schon vor dem Interview sollte man sich bewusst machen, dass Hate Speech eine mögliche Reaktion sein könnte – und sich Strategien zurechtlegen, damit umzugehen. Beispielsweise Hasskommentare an die eigene Forschungseinrichtung weiterleiten, die möglicherweise auch bei juristischen Schritten hilft.
Mehr Hate Speech gegen Frauen, die über Wissenschaft sprechen
Die Hoffnung für die Wissenschaft und die Wissenschaftskommunikation ist aber: So, wie dieser Teufelskreis verhindert, dass sich mehr Frauen in die Öffentlichkeit wagen, könnte er sich auch schnell umkehren. Je mehr Frauen im Fernsehen als Wissenschaftlerinnen sichtbar sind, desto mehr trauen sich auch ihre Kolleginnen. Je mehr Wissenschaftskanäle auf Youtube von Frauen moderiert werden – wie maiLab von Chemikerin Mai Thi Nguyen-Kim – desto mehr könnten nachkommen.
*Annette Leßmöllmann ist Teil der Redaktion von Wissenschaftskommunikation.de.