Einen Raum schaffen für fachlichen Austausch und frei verfügbares Wissen, das möchte das Mittelalterblog. Wie diese Vernetzung innerhalb der Mediävistik funktioniert und was das Blog von anderen Open-Access-Plattformen unterscheidet, erzählt Björn Gebert, Gründer und Herausgeber.
„Den Diskurs sichtbar machen“
Herr Gebert, was genau hat es mit dem Mittelalterblog auf sich?
Die Grundidee des Mittelalterblogs ist, einerseits die Fachcommunity mit relevanten Informationen zu versorgen und andererseits Forschungsergebnisse zu unterschiedlichsten Themen rund ums Mittelalter frei verfügbar zu machen. Das Ziel des Portals ist es, Forscherinnen und Forscher in diesem Bereich eine Plattform zu bieten, auf der sie kostenfrei und mit großer Reichweite publizieren können. Die Bandbreite reicht dabei von kurzen Projektvorstellungen über Miszellen bis hin zu langen Aufsätzen und Editionen. Seit letztem Jahr gibt es sogar eine Reihe, in der wir Sammelbände dynamisch veröffentlichen – also etwa Tagungsbände, deren einzelne Artikel nacheinander erscheinen und am Ende zusammengefasst und mit Titelblatt etc. versehen werden.
Wer ist die Zielgruppe der Beiträge?
Das ist ein bisschen eine Gratwanderung. Da wir in erster Linie eine alternative Publikationsmöglichkeit für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler anbieten, richten sich viele der Artikel schon in erster Linie an die wissenschaftliche Community. Mediävistinnen und Mediävisten sind sicherlich unsere primäre Zielgruppe. Es gibt aber auch Formate, die aktiv versuchen, ein breiteres Publikum anzusprechen. Allerdings ist die Verständlichkeit für Laiinnen und Laien nicht das primäre Kriterium, um bei uns etwas zu publizieren.
Was unterscheidet Ihre Plattform von anderen Open-Access-Journals?
In erster Linie die Geschwindigkeit und die Reichweite. Auf einem Blog kann ich schneller und leichter Leute erreichen als mit einem Journal, selbst wenn es sich um ein Online Journal handelt. Auf einem Blog kann jeder Beitrag ad hoc erscheinen, wenn er fertig ist. In einem Journal werden dagegen meist mehrere Artikel auf einmal periodisch veröffentlicht, also gesammelt in einer oder mehreren Ausgaben pro Jahr, die mehr oder weniger regelmäßig erscheinen – und im schlimmsten Fall erst dann, wenn alle für ein Heft vorgesehenen Artikel redigiert sind. Darüber hinaus geben wir den Leuten auch die Möglichkeit, Feedback zu ihren Beiträgen zu bekommen. Man kann bei uns beispielsweise provokante Thesen veröffentlichen und die Community um Feedback bitten. Das geht bei einem Journal kaum oder wenn, dann nur sehr viel langsamer. Wir schaffen so einen Ort, an dem Mediävistinnen und Mediävisten sich untereinander vernetzen und miteinander in den Diskurs treten können. Eines der Ziele ist es dabei auch, diesen Diskurs sichtbar zu machen und nach außen zu transportieren. Insofern ist das Blog auch ein Beitrag zur Wissenschaftskommunikation.
Wer schreibt im Mittelalterblog?
Gibt es für Sie einen Unterschied zwischen Wissenschaftskommunikation in den Geisteswissenschaften im Vergleich zu anderen Fächern?
Ich habe ganz allgemein den Eindruck, dass es aus Sicht der Geisteswissenschaften mehr Barrieren gibt. Vor allem, wenn es um den Dialog in digitalen Medien oder um das Publizieren jenseits klassischer Formate und Medien geht, sind viele Geisteswissenschaftlerinnen und Geisteswissenschaftler noch zurückhaltend.
Was für Barrieren sind das?
Neben den bestehenden Reputationsmechanismen, die immer noch gedruckte Medien oder große Verlage bevorzugen, sehe ich einen der Gründe für die Zurückhaltung darin, dass viele sich die Frage stellen, wie lange bestimmte Dinge im digitalen Raum bestehen werden. Im Mittelalterblog lösen wir dies unter anderem, indem wir allen wissenschaftlichen Artikeln eine PDF-Version beigeben und diese von einer Bibliothek langzeitarchivieren lassen. Aber auch, indem wir dafür sorgen, dass einmal veröffentlichte Artikel im Nachhinein grundsätzlich nicht mehr bearbeitet werden können, also akademisch integer bleiben. Eine weitere Barriere scheint mir die Befürchtung zu sein, unter Kolleginnen und Kollegen seinen guten Ruf zu riskieren oder sich gar öffentlicher Kritik auszusetzen.
Wieso ist es denn trotzdem wichtig, dass Geisteswissenschaftlerinnen und Geisteswissenschaftler kommunizieren?