Das Öffentlichkeitszentrum für Kommunikation und Austausch „MaxCine“ des Max-Planck-Instituts für Verhaltensbiologie in Radolfzell bietet ein äußerst umfangreiches Programm. Das Ziel: Räume für Begegnungen und Austausch schaffen. Babette Eid, Leiterin der Kommunikation, stellt das Projekt im Gastbeitrag vor.
„Das Miteinander macht alle zu Lernenden“
Die Tiere auf unserer Erde sind ständig in Bewegung: Sie fliegen, schwimmen oder wandern, von wenigen hundert Metern bis tausenden Kilometern. Eines haben sie dabei aber gemeinsam: Über ihre Reisen ist kaum etwas bekannt. „Icarus“, das Herzensprojekt von Martin Wikelski, Direktor des Max-Planck-Instituts für Verhaltensbiologie, möchte das ändern. Mittels Weltraumsatelliten soll „Icarus“ der besseren Erforschung von Tieren dienen und ihre Sinnesleistungen — ihren „siebten Sinn“ — dem Menschen „nutzbar“ machen.
Und MaxCine ist mit dabei: Seit etwas mehr als 10 Jahren integriert das MaxCine-Team die Öffentlichkeit in den Alltag der Wissenschaft und fördert den Dialog zwischen Forschenden und Besuchenden. MaxCine kann dabei wie ein kleines Schmuckkästchen genutzt werden – man öffnet Schubladen, entnimmt Schmuckstücke oder legt neue dazu und begibt sich mit ihnen auf die Reise. Ob Kinder, Jugendliche, Schülerinnen und Schüler, Studierende, Lehrkräfte, Forschende, Professorinnen und Professoren, Touristinnen und Touristen, Familien mit Kindern, Geschäftsleute, Rentnerinnen und Renter: Hier werden alle fündig und sind zudem auch als kritische Mitdenkende erwünscht. Wir möchten reale und gedankliche Räume schaffen, in denen sich Besuchende und Forschende auf Augenhöhe begegnen, um gegenseitiges Verständnis und neue gemeinsame Visionen zu entwickeln.
Ein Spaziergang durch „MaxCine“
Die Basis von MaxCine ist eine alte Fachwerkmühle inmitten der Natur, am Wasserschloss in Möggingen. Dort hat das Institut seinen Ursprung und war es auch lange Jahre beherbergt, zwei Gehminuten vom heutigen Institutsgebäude entfernt.
Vogelflug zum mittanzen: „Hennhouse“
„Erstaunen ist der Beginn der Naturwissenschaft.“ – Aristoteles
15 Computer und 5 Beamer machen den alten Hühnerstall an der Mühle zum „Hennhouse“. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zeigen dort mediale Inszenierungen zu ihren aktuellen Forschungsprojekten. Die Besuchenden können hier täglich mitten in der weltweiten Forschung chillen, den Vogelzug nachtanzen, im Fischschwarm schwimmen, oder die ISS auf Ihrem Flug im Weltraum begleiten. Wissen ist erlebbar, wird zum Spielplatz, zur Diskothek, zur medialen Ausstellungsinstallation; oder zum sonntäglichen Kirchengang: Wissenschaft wird erlebbar und es entstehen individuelle Bilder und einzigartige Erinnerungen: „Wir haben drei Stunden im Hennhouse verbracht und die Zeit vollkommen vergessen, wir haben die Zugrouten getanzt und wir saßen im Urwald und haben den Vogelstimmen zugehört“, sagt eine Teilnehmerin.
Kreatives Arbeiten in der „Workshop Area“
„Wichtig ist, dass man nie aufhört zu fragen.“ – Albert Einstein
Die Workshop Area ist ein kreatives Laboratorium, in dem alle ihrem Forschendengeist nachgehen können. Vor allem Kinder sind geborene Forschende und von Natur aus neugierig. Und Neugierde wird nicht mit Programmen oder Informationen besetzt, vielmehr entstehen durch sie neue Räume voller imaginären und wirklichen Materials. Dieses kann als Werkzeug genutzt werden, um die eigenen Ideen gedanklich, handwerklich oder künstlerisch umzusetzen: „Ich werde einen Unterwassertunnel von Europa nach Amerika bauen, den man durchwandern kann, um das Leben am Meeresboden besser kennenzulernen“, träumt eine junger Besucher.
Bunte Bienenweide „Bee Marie“
„Um klar zu sehen genügt oft ein Wechsel der Blickrichtung.“ – Antoine de Saint-Exupéry
Im Außenbereich der Mühle bietet eine Bienenweide gute Lebensbedingungen für Wildtiere, Wild- und Nutzpflanzen: „Bee Marie“ ist der Treffpunkt von Wissenschaft, Öffentlichkeitsarbeit und Umweltbildung. In diesem Refugium können alle auf Entdeckungsreise gehen. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie Teilnehmende der Workshops nutzen die „Bee Marie“ für ihre Projekte. Die mögliche Begegnung zwischen Besuchenden und Forschenden ist gewollt – der Zufall wird so zur Plattform für Wissenschaftskommunikation. Nicht selten wird man vom Beobachtenden zum Mitwirkenden: Eine Klasse aus dem benachbarten Dorf hatte etwa vor einigen Jahren das Glück, der Besenderung einer Hummel beizuwohnen. Als nachmittags die Forschenden mit Antennen in den Gärten der Freundinnen und Freunde oder Großeltern die Hummel suchten, übernahmen die Kinder ganz selbstverständlich die Wissensvermittlung: „Am liebsten möchte ich sofort Forscherin werden und nicht erst warten, bis ich erwachsen bin“, sagt sich eine junge Teilnehmerin.
Im direkten Austausch mit Forschenden
„Beobachte das Schwimmen der Fische im Wasser und Du wirst den Flug der Vögel in der Luft begreifen.“ – Leonardo da Vinci
Bei Führungen, Schülerpraktika, Klassenworkshops, Lehrerfortbildungen, Ideenworkshops mit Forschenden, Vorträgen, Ausstellungen, Veranstaltungen, Ferienworkshops, Jugendcamps und weiteren Formaten legen wir Wert auf einen lebendigen Austausch.
Junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unterschiedlicher Nationen geben einen Einblick in ihre Arbeit und die aktuellen Themen aus der weltweiten Forschung. Dabei entwickelt sich ein mehrsprachiger Dialog, in dem Gestik und Mimik zur Verständigung beitragen und der zum interkulturellen Austausch über fremde Tier- und Pflanzenwelten sowie ferne Länder wird.
Jedes Format ist flexibel nutzbar oder anders bespielbar, die Ideen aller – intern wie extern – prägen die Inhalte; neuen Juwelen werden gemeinsam geschliffen: „Da die meisten Kinder das Zeichnen lieben, ist dies eine ausgezeichnete Technik, um ihre Aufmerksamkeit auf mein Thema zu lenken. Deshalb veranstalte ich Zeichenkurse, um ihnen meine Liebe zu den Tieren und die Grundlagen der Biologie zu vermitteln“, sagt ein Forschender. Eine Forschende findet: „Eine Win-Win Situation: Die Öffentlichkeit hat die Möglichkeit, aktuelle wissenschaftliche Projekte mitzuerleben, am Ort des Geschehens dabei zu sein und sich aktiv an Diskussionen zu beteiligen. Ich als Wissenschaftlerin profitiere von dem anderen Blick auf meine Arbeit.“
Die „Großfamilie Wissenschaft“
„Kinder müssen wir werden, wenn wir das Beste erreichen wollen.“ – Phillip Otto
Um die heute notwendige gemeinsame Entwicklung von Wissenschaft und Gesellschaft zu lancieren, liegt unser Fokus auf der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen. Deren Neugierde und ihre grundlegenden Fragen sind der Beginn des Forschens, aus ihren Ideen kann neues Wissen erblühen. Eine wichtige Rolle dabei spielt, dass diese jungen Menschen „in der Großfamilie der Wissenschaft aufwachsen“, fragen, mitdenken, handeln und ihre eigenen Themen entwickeln.
Bei MaxCine haben sie in den vielen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern echte Beraterinnen und Berater und kreative Vorbilder. Hier finden sie Freiräume, um sich zu entfalten. Was sie vereint, ist das gemeinsame Interesse, ein interdisziplinäres „Wissenwollen“. Kritische, fantasievolle und hochbegabte Kinder aus allen sozialen Verhältnissen finden zu uns, deren Durst an Schulen oder auch sonst nicht ausreichend gestillt wird. Bei MaxCine treffen sie auf Gleichgesinnte.
Darüber hinaus lernen sowohl Schülerinnen und Schüler als auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ihre eigenen Fähigkeiten hier auf andere Weise kennen: So entpuppt sich jemand etwa als wissenschaftliche Zeichnerin, als ausgezeichneter Fotograf, als Malerin, als guter Schauspieler, als ausgezeichnete Bloggerin oder als Social-Media-Player, als wundersamer Vogelklang-Hörer oder als raffinierte Technikerin.
Das Miteinander von Forschenden und der Jugend macht alle zu Lernenden: „Forschende bei der Arbeit nach Spanien zu begleiten, wie bei dem Projekt ,MaxCine, should I stay or should I go?‘ war das beste Camp meines Lebens!“, findet ein junger Teilnehmer. Eine beteiligte Forscherin sagt: „An unserem Institut wollten wir sicherstellen, dass wir immer auch die großen Fragen im Fokus behalten und vor allem auch die Fragen, die unsere Kinder langfristig beschäftigen. Wie können wir die Tiere schützen? Wie können wir Zugrouten erhalten? Wie können wir die natürlichen Grundlagen des Lebens für zukünftige Generationen sichern? Andere Institutionen holen sich dafür alte Männer in den Beirat. Wir wollen Kinder in unserem Beirat haben, die uns immer wieder auf die wesentlichen Fragen hinweisen und sich nicht mit unseren Ausweichantworten zufriedengeben.“
Projektsteckbrief
Träger: Max-Planck-Gesellschaft
Budget/Finanzierung: Circa 200.000 Euro im Jahr zur Realisierung des jeweiligen Betriebs und Jahresprogramms, Personalkosten und Sachmittel aus dem Budget des Max-Planck-Instituts für Verhaltensbiologie, Abteilung Wikelski und MaxCine. Dazu circa 5.000–30.000 Euro im Jahr zur Finanzierung und Unterstützung von speziellen Jugendprojekten durch diverse Stiftungen und private Spenden (Max-Planck-Gesellschaft, Werner und Erika Messmer Stiftung, Universität Konstanz, Private Förderer, Stifterverband für die deutsche Wissenschaft, DLR Raumfahrtmanagement, Insel Mainau)
Ziele: Das Projekt „MaxCine“ hat neben der Wissensvermittlung das Ziel, den Wissensdrang der Jugend und junger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in enger Auseinandersetzung mit der Gesellschaft zu fördern und dabei innovative Wege des Lernens, des gemeinsamen Handelns und Arbeitens zu begehen. In einem kreativen realen und gedanklichen Laboratorium erhält die Öffentlichkeit, insbesondere die Jugend einen weit gefächerten Einblick in den wissenschaftlichen Alltag: Dabei ist es uns wichtig, das „Wissen Schaffen“ aus unterschiedlichen Perspektiven zu beleuchten (wissenschaftlich, philosophisch, kulturell, ethisch und künstlerisch), junge individuelle kreative Freigeister, Genies in ihren Ideen zu fördern und zu stärken, sowie Forschende von morgen mit den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern von heute zusammenzubringen. Die Jugend wird hier ermutigt, ihre individuellen Fähigkeiten zu entwickeln, um ihre Zukunft bewusst und aktiv mitzugestalten und Ideen für lebenswerte Visionen für morgen zu generieren.
Zielgruppen: Alle, von jung bis alt, aus allen soziale Schichten, regionale und überregionale Besuchende, individuelle kreative Freigeister, junge Genies
Zahlen zur Zielerreichungen: Die Besuchenden- und Teilnehmendenzahl variiert zwischen 2.000–225.000 im Jahr, abhängig von unseren diversen Jahresangeboten, welche wir ständig weiterentwickeln und erweitern.
Weitere Informationen: https://www.ab.mpg.de/maxcine
Gastbeiträge spiegeln nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wider.