Der Insektenforscher Thomas Hörren präsentiert auf seinem Instagram-Kanal die Vielfalt der Insekten. Warum es ihm wichtig ist, den Mensch hinter der Forschung zu zeigen und über Falschannahmen über sein Feld aufzuklären, erzählt er im Interview.
„Das kindliche Staunen bleibt komplett erhalten“
Herr Hörren, scrollt man durch Ihren Instagram-Account sieht man vor allem viele Fotos von Insekten. Was ist Ihnen wichtig, auf diesem Kanal zu vermitteln?
Auf meinem Instagram Kanal möchte ich meine Faszination für meine Forschung teilen. Am Anfang habe ich versucht, auf dem Kanal Dinge aus der Biodiversitätsforschung richtigzustellen, die medial falsch dargestellt wurden. Leider hat das wirklich niemanden interessiert. Ich bin relativ schnell darauf gekommen, dass es spannender ist, wenn die Leute sehen, was mich in meiner Arbeit antreibt. Da ich als Insektenforscher direkt mit Organismen zusammenarbeite und eine Menge von ihnen – auch besondere Arten – zu sehen bekomme, gibt es viel zu zeigen. Daneben kommuniziere ich auch Forschungsinhalte, beispielsweise neue Veröffentlichungen. In meinen Stories nehme ich die Leute mit raus, beispielsweise auf Forschungsreise in Schutzgebiete, und zeige ihnen, was ich mache. Dabei gibt es auch immer viele private Einblicke, aber vor allem auch Einsicht in die Forschungsabläufe.
Was treibt Sie an und fasziniert Sie an Ihrem Forschungsfeld?
Mich interessiert die biologische Vielfalt, die es bei uns gibt. Ich habe schon als Kind gemerkt, dass es unglaublich viele unterschiedliche Insektenarten zu entdecken gibt. Und mit zunehmender Spezialisierung und Expertise wird das Ganze immer komplexer. Mir war schnell klar, dass Biodiversitätsforschung ein Feld ist, bei dem ich bis an mein Lebensende neue Dinge entdecken werde. Diese Vielfalt kann ich in einem Menschenleben nicht erfassen. Das kindliche Staunen bleibt komplett erhalten.
Sie teilen gerade im Story-Format bei Instagram persönliche Einblicke und lassen die Menschen hinter die Kulissen der Forschung schauen. Wie sehen Ihre Stories aus?
Mir ist dabei besonders wichtig, den Menschen zu zeigen, dass Forscher*innen auch ein einigermaßen normales Leben führen. Ich rede ganz offen über meine persönlichen Schwächen und Stärken. Wenn ich gerade vor Problemen stehe oder mir kurz Dinge von der Seele reden muss, lasse ich das auch in die Stories einfließen. Am Anfang hatte ich ein bisschen Sorge vor zu viel Selbstdarstellung. Die Hemmung ist aber irgendwann gefallen. Das gibt mir die Möglichkeit, auch einzelne Arbeitsabläufe zu zeigen. Letztlich ist Forschung kein Hexenwerk. Die Dinge, die ich tue, sind denkbar simpel. Sie werden zum Schluss erst durch die Forschung komplex. Natürlich braucht es viel Expertise, aber beispielsweise die Untersuchungen in Naturschutzgebieten könnten mit einer gewissen Vorbildung im Prinzip alle machen. Das versuche ich darzustellen.
Das klingt nach viel Arbeit. Inwiefern ist die Wissenschaftskommunikation mit Ihrer Forschungstätigkeit vereinbar?
Die Wissenschaftskommunikation ist etwas, was ich gar nicht so stark plane. Manchmal ist mir auch gar nicht danach, Dinge zu kommunizieren. Das hat bei mir alles eine sehr direkte Ebene: Es gibt Situationen, in denen ich entweder automatisch daran denke oder ich von einer Person, mit der ich in der Natur unterwegs bin, den Hinweis bekomme: „Das sieht aber toll aus“. Dann denke ich, „okay, das ist etwas, das ich noch zeigen kann“. Es schwankt sehr.
In der Regel nehme ich die Menschen mit in Situationen, die nicht immer vorhersehbar sind. In einer Story können sie durchaus mal mitten in einem Naturschutzgebiet sein, und sehen mich im nächsten Schritt in einem Coworking Space in Essen, in dem ich stundenlang gelangweilt an irgendwelchen Tabellen bastle, mich dann nicht mehr konzentrieren kann und merke, dass ich mich mit Social Media ablenke. Und im nächsten Moment gehe ich vielleicht auf Fragen ein. Ich versuche, möglichst viel mit der Community zu interagieren.
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Wie sieht die Interaktion mit der Community genau aus?
Warum ist Instagram für Sie der geeignete Kanal für die Wissenschaftskommunikation?
Mit Sicherheit aufgrund der Reichweite dieses Mediums. Bei jüngeren Menschen unter 30 ist Instagram einfach die App, die neben WhatsApp und TikTok auf dem Smartphone installiert ist. Deutlich über 70 Prozent der Menschen in dieser Altersgruppe nutzen das soziale Netzwerk. Das interessante an Instagram ist, dass sich dort alle möglichen Leute wiederfinden. Meine Community setzt sich zusammen aus unterschiedlichen forschenden Personen – teils aus dem exakt gleichen Bereich, die ich dann auf Tagungen treffe – und Leuten, die ich noch nie gesehen habe. Mit ihnen komme ich erst durch die Plattform ins Gespräch, was total schön ist. Über die Jahre ist ein spannendes Netzwerk entstanden. Gleichzeitig sind viele junge Leute da, die Interesse an biologischer Vielfalt haben, aber mit gesellschaftlichen Vorurteilen kämpfen. Ihnen wird gesagt, dass man später sowieso nichts Vernünftiges machen kann, wenn man Biologie studiert. Es gibt mittlerweile eine ganze Reihe von Personen, die mein Kanal motiviert hat, ein Studium zu beginnen und es mittlerweile abgeschlossen haben. Mir wurde dadurch klar, dass sich Leute mit Personen identifizieren.
Sie nutzen neben Instagram noch andere Social-Media-Plattformen wie LinkedIn, Twitter und Clubhouse. Inwiefern unterscheiden sich Ihre Inhalte auf diesen Kanälen?
LinkedIn und Clubhouse habe ich eher nur ausprobiert. Auf Twitter sind meine Inhalte nicht ganz so persönlich. Dort stehen eher Sachinhalte im Vordergrund. Dort beschäftige ich mich viel intensiver mit Forschungsergebnissen. Man merkt, dass zunehmend mehr Forschung produziert wird. Mir ist es wichtig, aufzuzeigen, welche Themen meiner Auffassung nach relevant sind und sie einzuordnen, sodass sich Leute eine eigene Meinung dazu bilden können. Daraus ergeben sich teilweise auch direkte Kontakte zu Journalist*innen.
Was sind weitverbreitete Falschannahmen über Ihre Forschung, denen Sie in den sozialen Medien entgegenzutreten versuchen?
Das Problem ist, dass die Forschung zu Biodiversität sehr häufig als eine Art Naturschutz verstanden wird. Das sind aber komplett andere Stakeholder. Viele Leute schützen Natur aber beruflich oder engagieren sich in ihrer Freizeit für Naturschutz. Da steckt viel idealistische Arbeit dahinter. In einigen Fällen wird aber gar nicht abgewogen, was genau der richtige Schritt ist. Es gibt sehr viele Meinungen dazu. In der Biodiversitätsforschung – wie auch in anderen Forschungsfeldern – gibt es aber dafür eine klare Sachlage. Wir kommunizieren diese Sachlagen und geben beispielsweise Handlungsempgfehlungen an den Naturschutz.
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Könnten Sie ein Beispiel für diese Schieflage nennen?
Ein Beispiel ist das Bienensterben. Der Begriff ist letztlich irreführend, denn er fokussiert sich im Wesentlichen auf die Honigbiene. Sie wird bei uns als Nutztier gehalten. In der öffentlichen Wahrnehmung ist sie aber ein Organismus, der stellvertretend für den Artenschutz steht. Das ist eine absolute Schieflage: Wenn wir im großem Stil Honigbienen für die Imkerei züchten, tun wir nichts für die lokale Insektenbiodiversität. Genauso wie es dem Schutz heimischer Säugetiere nicht dient, wenn wir viele Milchkühe halten. Das ist vielen auf der Ebene von Insekten gar nicht so klar. Wenn ich darüber spreche, fühlen sich bestimmte Interessensgruppen wie die Imkerei häufig angegriffen, obwohl ich versuche, das ausgewogen zu kommunizieren.
Klimakommunikation ist aktuell sehr präsent. Geht daneben die Wissenschaftskommunikation zu Biodiversität und vor allem ihrem -verlust unter?
Ich habe nicht das Gefühl, dass die Wissenschaftskommunikation dazu untergeht, sondern die ihr zugewiesene Bedeutung in der Öffentlichkeit. In den letzten Jahren sind Themen wie Insektendiversität und -schutz auch in der Politik angekommen und bekamen eine gewisse gesellschaftliche Relevanz. Mit der Verabschiedung eines Gesetzes sind sie allerdings vollständig von der Agenda verschwunden. Man sieht daran, wie politisch mit Themen umgegangen wird, die in der Öffentlichkeit sind: sie werden möglichst schnell abgehakt, während das Problem ein langfristiges ist und die von der Forschung aufgedeckten Probleme weitgehend ungehindert existieren.